Durchblick mit Datenbrille

3. ARVIKA-Forum in Nürnberg

Für den Vertreter hat der Arbeitstag gerade erst begonnen, plötzlich bleibt auf der Autobahn der neue Wagen liegen. Unglücklicherweise hat der versierte Helfer des Automobilclubs Mühe, vor Ort die Ursache zu diagnostizieren und den Schaden zu beheben. Kein Einzelfall, denn Fahrzeuge – ebenso wie Maschinen oder Geräte – stecken inzwischen voller Spitzentechnologie. Ständig kommen neue Modelle mit einer Fülle von Produktvarianten auf den Markt. Kein Mechaniker oder Techniker kann alle Details kennen und in dicken Bedienungsanleitungen oder Montagehandbücher zu blättern beschert eher Frust als Information. Das wird sich in Kürze ändern – durch Augmented Reality (AR), der Erweiterten Realität. Zukünftig setzt der Servicetechniker bzw. der Anlagenmonteur die Datenbrille auf und erhält die grafischen und akustischen Informationen, die er aktuell benötigt. Das mobile AR-System erkennt den Typ des Motors oder der zu wartenden Maschine und blendet lagerichtig den jeweils nächsten Arbeitsschritt ein. Das Handbuch der Zukunft besteht aus semitransparenter Brille oder Display mit integrierter Mini-Kamera, Taschencomputer am Gürtel bzw. Laptop. Mit der Technologie der Augmented Reality wird die reale Umgebung von virtuellen Objekten überlagert, die der Computer erzeugt. Seit Anfang der Neunziger Jahre forscht das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD erfolgreich auf diesem noch jungen Themenfeld und entwickelt prototypische Anwendungen für Industrie und Medien, Kunst und Kultur, Medizin und Tourismus.

Die Technik der Erweiterten Realität scheint genial und gleichzeitig einfach zu sein. Doch diese in die Praxis umzusetzen ist kompliziert und so bedurfte es vierjähriger intensiver Forschung und Entwicklung im Projekt ARVIKA, um erste AR-Systeme für industrielle Anwendungen zu realisieren. In diesem Leitprojekt hatten sich namhafte Unternehmen – wie Siemens, BMW, DaimlerChrysler, VW und Airbus – und renommierte Forschungseinrichtungen zum weltweit größten Konsortium zusammengeschlossen, um AR-Techniken zur Marktreife zu entwickeln. Die Leitung hatte Siemens, die wissenschaftlich-technische Koordination für die AR-Technologie lag beim Fraunhofer IGD, gefördert wurde das Projekt durch das Bundesforschungsministerium, und auch das Zentrum für Graphische Datenverarbeitung war im Konsortium vertreten. Das Projekt, ausgestattet mit einem Etat von 21 Millionen Euro, lief im Juni dieses Jahres aus und die Partner präsentieren ihre Ergebnisse im Rahmen des 3. ARVIKA-Forums heute, am 3. Juli, in Nürnberg. Die Projektbeteiligten zeigen anhand von Demonstratoren, wie mobile AR-Systeme in den nächsten Jahren die Arbeitsabläufe in Entwicklung, Produktion und Service entscheidend verbessern werden: Mittels AR lassen sich beispielsweise Daten von virtuellen Crashversuchen überprüfen, Kabelbündel in Flugzeugen einfacher als bisher verschalten und die Montage im Maschinen- oder Kraftwerkssektor beschleunigen.
Alle Demonstratoren basieren auf der offenen AR-Systemplattform, die ein interdisziplinäres Team des ARVIKA-Konsortiums aus Industrie und Forschung entwickelt hat. Neben dem kostengünstigen Basissystem zeigt das IGD in Nürnberg als eine Neuheit das so genannte ’markerlose Tracking’: „Um die Blickrichtung des Anwenders exakt zu verfolgen und die virtuellen Objekte lagerichtig einzublenden, orientiert sich das System nicht mehr an den Markern, das heißt Aufklebern mit unterschiedlichem Code. Die Mini-Kamera nimmt Teile des Motorblocks oder der Maschine auf und der Computer bestimmt durch Abgleich mit gespeicherten Referenzbildern die genaue Blickrichtung“, erläutert Dr. Didier Stricker, Leiter der Abteilung Visualisierung und Virtuelle Realität am Fraunhofer IGD. Mit dieser Technik wird das Anwendungsspektrum von AR deutlich erweitert und verbessert. Bis zur Markteinführung müssen die Konsortialpartner die Systeme insgesamt noch bedienungsfreundlicher und robuster gestalten. Für Montage und Service gilt es den im Konsortium entwickelten „Expert Remote Modus“ noch zu optimieren. Denn über diese Funktion kann der Wartungstechniker oder Monteur bei Schwierigkeiten vor Ort via Internet von einem Experten des Herstellers Unterstützung erhalten. Dieser erkennt anhand der übertragenen Bilder die Situation und kann die grafischen Anweisungen direkt auf die Datenbrille des Montage- oder Servicemitarbeiters projizieren. Gerade im Ausland hilft dieses Vorgehen exportorientierten Industriezweigen wie dem Maschinenbau, Verständigungsprobleme erst gar nicht aufkommen zu lassen.
„Im Sektor Augmented Reality ist Deutschland führend und alle etwa 20 Unternehmen, die das AR-System im Rahmen des ARVIKA-Projektes testeten, werden die Schlüsseltechnologie zukünftig einsetzen“, betont Stricker. Experten prognostizieren AR-Systemen große Marktpotenziale. Da das ARVIKA-Forum in Nürnberg von vielen deutschen Firmenvertretern, die nicht dem Konsortium angehören, als umfassende Informationsbörse zum Einsatz von Augmented Reality und Mobile Computing genutzt wird, ist mit einer steigenden Nachfrage zu AR-Systemen zu rechnen. Gerade einfache AR-Anwendungen für den weitverbreiteten Handheldcomputer könnten der Einstieg in einen Massenmarkt sein. Wer würde nicht gerne beim Aufbau eines Schrankes mit Hilfe dreidimensionaler Grafik die einzelnen Arbeitsschritte ganz einfach am Möbelstück selbst nachvollziehen können?

Detaillierte Informationen zum Projekt und zu Augmented Reality sind zu finden unter der URL:
http://www.arvika.de
http://www.igd.fraunhofer.de/igd-a4/index.html
Ansprechpartner
Dr.-Ing. Didier Stricker
Fraunhofer IGD Darmstadt
Telefon: +49 ( 0) 6151 / 155-188
Telefax: +49 ( 0) 6151 / 155-196
E-Mail: didier.stricker@igd.fraunhofer.de

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Bernad Lukacin idw

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