Riesenspeicher dank Zwergkondensatoren

Speicherpunkte unter Beobachtung: In der Aufnahme des Rasterelektronenmikroskops (oben) sind oben die Lochmaske und unten die Nano-Kondensatoren zu erkennen. Wie sauber sie gestapelt sind, enthüllt das Querschnittsbild von vier Platin/PZT/Platin-Nano-Kondensatoren im Transmissionselektronenmikroskop (unten). Bild: Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik<br>

Immer kleiner und leichter, aber auch schneller und leistungsstärker soll die Elektronik von morgen sein. Eine Methode, die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Mikrostrukturphysik, der Pohang University of Science and Technology (POSTECH) in Korea und des Korea Research Institute of Standards and Science (KRISS) jetzt entwickelt haben, könnte dabei helfen.

Das neue Verfahren ermöglicht es nämlich, besonders dicht gepackte Datenspeicher herzustellen. Mit Hilfe einer extrem fein perforierten Maske haben die Forscher Kondensatoren aus Platin und Blei-Zirkonat-Titanat (PZT) mit einer Dichte von 176 Milliarden Stück auf einem Quadratzoll untergebracht – das ist Weltrekord für dieses Material. Solche Speicherpunkte lassen sich leicht ansteuern und speichern Information dauerhaft. Chips aus diesem Material könnten daher die derzeitigen Arbeitsspeicher ersetzen, in denen die gespeicherten Bits ständig aufgefrischt werden müssen. (Nature Nanotechnology Advance Online Publication, 15. Juni 2008, doi:10.1038/nnano.2008.161)

Egal ob MP3-Player, Fotohandys, Navigationssysteme oder Notebooks: Sie sollen handlich sein, aber immer mehr Musik, Bilder, Filme oder Landkarten speichern und diese auch schnell verarbeiten. Um Elektronik weiter zu verkleinern und gleichzeitig leistungsfähiger zu machen, brächten neuartige Arbeitsspeicher einen großen Fortschritt. Wenn sie nämlich Informationen permanent speichern und mit Daten dennoch so schnell hantieren könnten wie die DRAMs, auf denen ein PC heute gerade benutzte Programme ablegt. „Solche nichtflüchtigen Speicher könnten mit unserer Methode womöglich besonders einfach und effizient hergestellt werden“, sagt Dietrich Hesse, der als Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Mikrostrukturphysik in Halle an den Arbeiten des Forscher-Teams maßgeblich beteiligt war.

Permanente Datenspeicher aus der deutsch-koreanischen Kooperation können zudem auf diese Weise 176 Milliarden Bits pro Quadratzoll speichern, das sind 27 Milliarden pro Quadratzentimeter – mehr als alle vergleichbaren Speicher dieser Materialklasse. „Wir nähern uns damit Speicherdichten von einigen Terabit, Billionen von Bits, pro Quadratzoll“, sagt Dietrich Hesse: „Und wir hoffen, dass wir die Speicherdichte noch weiter steigern können.“ So hohe Speicherdichten sind eine Voraussetzung, damit permanente Speicher breitere Anwendung finden. Sie könnten etwa die Festplatte und das lästige Booten im PC überflüssig machen. Für den Einsatz als Speicher erfüllen die Nanokondensatoren noch eine weitere Bedingung: Jeden Speicherpunkt können die Wissenschaftler gezielt ansteuern, obwohl sie nur gut 60 Nanometer Abstand voneinander haben. „Diese Arbeit zeigt, dass auch ganz unkonventionelle und bisher nicht beachtete Herstellungsmethoden aus Nachbargebieten der Elektronik-Forschung einen wesentlichen Fortschritt bei der Suche nach Konzepten für hochdichte Festkörperspeicher bringen können“, sagt Professor Ulrich Gösele, Direktor am Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik.

Ihre besonderen Eigenschaften verdanken die Speicher nicht nur der präzisen Herstellung, sondern auch dem Prinzip, nach dem sie arbeiten: Das keramische Material Blei-Zirkonat-Titanat gehört zu den Ferroelektrika. In solchen Materialien gibt es in allen Elementarzellen, den kleinsten Baueinheiten eines Kristalls, permanente elektrische Dipole. Diese lassen sich mit den magnetischen Dipolen im Eisen vergleichen – ein Vergleich, dem die Stoffe ihren Namen verdanken. Wie der Nord- und Südpol eines Magneten lassen sich der positive und negative Pol eines permanenten elektrischen Dipols gezielt vertauschen – allerdings viel schneller. Daher können diese Stoffe Daten permanent speichern wie eine Festplatte, aber so schnell mit ihnen operieren wie ein Arbeitsspeicher. Blei-Zirkonat-Titanat etwa lässt sich mit Hilfe eines äußeren elektrischen Feldes ein Titanion in der Elementarzelle verschieben – zumindest bei Temperaturen unter 460 Grad Celsius; darüber wechselt der Dipol auch ohne äußeres Zutun ständig die Orientierung.

Um aus diesem ferroelektrischen Material 176 Milliarden Kondensatoren auf einem Quadratzoll aufzubauen, haben die Wissenschaftler zunächst eine rund 100 nm dünne Schablone aus Aluminiumoxid hergestellt, die entsprechend löchrig ist. Zu diesem Zweck oxidierten sie einen Aluminiumfilm elektrochemisch – eine Methode, die als Eloxal-Prozess bekannt ist und Aluminiumbauteile seit Jahrzehnten mit einer Schutzschicht versieht und Aluminium-Geschirr, aber auch manchem MP3-Player zu einem farbigen matt-metallischem Schimmer verhilft. Dabei fressen sich gewöhnlich in ungeordnetem Muster Poren in das Aluminiumoxid. Indem die Forscher bei der Oxidation jedoch sorgfältig die Temperatur, den pH-Wert und die chemische Zusammensetzung wählen, zwingen sie die Poren in eine sechseckige Anordnung, in der jede Pore von sechs anderen umgeben ist. Das sechseckige Muster ist allerdings an einigen Stellen ein wenig verzerrt, was sie als Schablone für Datenspeicher unbrauchbar macht. „Wenn wir das Aluminium mit einem Stempel vorstrukturieren, ordnen sich die Poren aber völlig regelmäßig an“, sagt Woo Lee vom KRISS. Der Stempel trägt Milliarden von Noppen, die entsprechend viele Dellen in das Aluminium drücken. Diese wiederum dienen der Oxidation als Angriffspunkte, an denen sie die Poren in das Material frisst.

Mit der fein perforierten Maske ist die Sache aber noch nicht erledigt. Die Schablone legen die Hallenser Wissenschaftler auf ein 650 Grad Celsius heißes Plättchen aus Magnesiumoxid, das mit Platin beschichtet ist und als Träger dient. Anschließend verdampfen sie mit einem Laserstrahl in genau austariertem Verhältnis PZT, bis sich die Keramik 30 bis 50 Nanometer dick auf dem Platin niedergeschlagen hat. Ein dünner Deckel aus Platin komplettiert den Kondensator, in dem die beiden Edelmetallschichten als Elektroden und die Keramik als Dielektrikum dienen. „Prinzipiell können wir für die Elektroden auch andere Materialien verwenden“, sagt Dietrich Hesse. Auch die hauchdünne Schablone wieder abzuziehen, stellt keine unüberwindbare Hürde dar. Dabei müssen die Wissenschaftler vorsichtig vorgehen, damit sie nicht zerbricht und ein Teil an den Speicherpunkten hängen bleibt. Mit etwas Geschick und einem Stück Tesafilm gelingt es ihnen aber, die Maske problemlos abzulösen. „Nicht ganz selbstverständlich ist dabei, dass nicht einzelne Sandwiches aus Platin und PZT in den Poren hängen bleiben“, sagt Dietrich Hesse. „Vermutlich ziehen sich die Kondensatoren, die wir bei 650 Grad aufdampfen, beim Abkühlen etwas zusammen, ehe wir die Maske bei Raumtemperatur entfernen.“

Dass diese Arbeit gelungen ist, liegt auch an der fruchtbaren deutsch-koreanischen Kooperation: „Die unbürokratische, enge Zusammenarbeit mit koreanischen Wissenschaftlern, welche ihre jeweils eigenen Fähigkeiten, Erfahrungen und Methoden in die Arbeit eingebracht haben, hat sich hier in besonderer Weise bewährt“, unterstreicht Ulrich Gösele.

Dieses Projekt wurde durch die Max-Planck-Gesellschaft, die Volkswagen-Stiftung, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Korea Research Foundation und das Programm „Brain Korea 21“ gefördert.

[PH]

Originalveröffentlichung:

Woo Lee, Hee Han, Andriy Lotnyk, Markus A. Schubert, Stephan Senz, Marin Alexe, Dietrich Hesse, Sunggi Baik und Ulrich Gösele
Individually addressable epitaxial ferroelectric nanocapacitor arrays with near Tb inch-2 density

Nature Nanotechnology Advance Online Publication: 15. June 2008, DOI 10.1038/nnano.2008.161

Media Contact

Dr. Bernd Wirsing Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de

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