Agile Methoden können ein Schritt zur Industrialisierung der Softwareentwicklung sein

Selbstorganisierte autonome Teams, kreative ganzheitliche Tätigkeit, Verzicht auf bürokratischen Ballast – daran denkt man bei Agiler Softwareentwicklung. Wie passt das zusammen?

Bei den XP Days stellte Andreas Boes vom ISF München einen neuartigen Zusammenhang her: In der Softwareentwicklung ist eine Industrialisierung neuen Typs im Gang, die sich gerade auf Agile Methoden stützt. Mit ihrer Hilfe kommen Unternehmen an das Wissen in den Köpfen der Kreativen heran. Das hat Folgen für ihren Expertenstatus – eine neue Herausforderung für die Befürworter moderner Softwareentwicklung.

Bei den XP Days 2009 in Karlsruhe vom 26.-28. November 2009 hielt Andreas Boes, Soziologe am Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung – ISF München, einen Vortrag über „Agile Methoden als Wegbereiter eines neuen Typs der Industrialisierung in der Softwareentwicklung“. Der eigentliche Kern jedes Industrialisierungsprozesses ist, wie Boes an der historischen Entwicklung zeigte, die Objektivierung: Ein Herstellungsprozess, der zuvor auf die individuellen Fähigkeiten und Motive der Beschäftigten angewiesen war, wird nun von den Einzelnen unabhängig, er tritt ihnen „objektiv“ gegenüber.

Das muss nicht, wie in der klassischen Industrialisierung, in Form eines Fließbandes geschehen, bei dem der Arbeiter sozusagen auf ein auswechselbares Anhängsel der Maschine reduziert wird. In der „Industrialisierung neuen Typs“ tritt an die Stelle des „laufenden Bandes“ die Entwicklung stabiler und robuster Prozesse und intelligenter Standards, mit denen die Unternehmen versuchen, sich unabhängig von den individuellen Beschäftigten zu machen. Anders als in der „klassischen“ Industrialisierung brauchen und nutzen sie die Kreativität, die Subjektivität und die Selbstorganisation etwa ihrer Entwickler für ihre wirtschaftlichen Zwecke, aber eben nicht das einzelne „geniale“ Individuum – es wird ersetzbar. Eine Voraussetzung dafür ist es, an das Wissen in den Köpfen der Kreativen überhaupt heranzukommen.

Agile Methoden können dazu beitragen – obwohl sie der Intention nach auf etwas ganz anderes zielen, nämlich darauf, Individuen und Interaktionen über Prozesse und Werkzeuge zu stellen. Denn in der kommunikativen Austauschbeziehung zwischen Entwicklern und Teams wird das Wissen objektiviert, es wird dem ganzen Team zugänglich und nutzbar. So kann es geschehen, dass es zunehmend weniger auf den Einzelnen ankommt – eine Erfahrung, die heute immer mehr Entwickler machen, wie das ISF München in einer Reihe von empirischen Studien gezeigt hat.

Werden Agile Methoden so benutzt und instrumentalisiert, so können sie den Beschäftigten geradezu als Wegbereiter für eine Entwertung ihres Wissens, ihres Expertenstatus und ihrer Stellung im Unternehmen erscheinen – als Gefährdung ihres Beschäftigungsverhältnisses. Damit aber würde der Grundidee des Agilen Manifests der Boden entzogen, denn wer solche Gefahren befürchtet, wird sich nicht für Agile Methoden engagieren, und dann muss das Konzept scheitern. Das ist eine neue Herausforderung für Agile Softwareentwicklung und Extreme Programming: Wie gelingt es, die eigenen Stärken zu realisieren, also die Verbindung von konsequenter Kundenorientierung, Effizienz und menschengerechtem Arbeiten, und dabei der skizzierten Gefahr zu entgehen?

Rückfragen zu dieser Pressemitteilung können Sie jederzeit richten an:

Frank Seiß, Öffentlichkeitsarbeit am ISF München
Tel. +49 89 272921-78
frank.seiss@isf-muenchen.de

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