Kunststoff aus der Natur

Kunststoffe sind bislang meist aus Erdöl gemacht. Doch diese fossile Ressource wird knapp und teuer. Eine Alternative sind Polymere aus nachwachsenden Rohstoffen. Doch wie lässt sich zum Beispiel aus Holz Kunststoff gewinnen? Eine Lösung haben Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT in Oberhausen in Zusammenarbeit mit der FKuR Kunststoff GmbH entwickelt.

Kulis und Tastaturen aus Cellulose

Als Ausgangsstoff nutzen die Forscher Cellulose. Diese wird durch einen chemischen Prozess in den Kunststoff Celluloseacetat umgewandelt. Beimischungen wie Weichmacher oder Füllstoffe machen das Material fließfähig und erhöhen seine Wärmeformbeständigkeit. Auch diese Zusätze stammen aus nachwachsenden Rohstoffen. Nach der Compoundierung ist der Kunststoff Biograde® einsatzfähig und kann zu unterschiedlichen Produkten verarbeitet werden – wie zum Beispiel zu Hüllen für Kugelschreiber, Tastaturen oder Computer-Mäusen.

»Biograde® hat eine Wärmeformbeständigkeit von mehr als 110 Grad Celsius. Es lässt sich schnell entformen und auf der Spritzgießmaschine in seine neue Gestalt gießen – zum Beispiel zu einem Bauteil mit einer Wanddicke von unter einem Millimeter«, nennt Thomas Wodke von UMSICHT die Vorzüge des natürlichen Kunststoffs. Zu der Produktfamilie gehören noch zwei weitere »grüne« Polymere. Bio-Flex® ist ein Werkstoff für Blas- oder Flachfolien. Und das sehr steife und feste Fibrolon® eignet sich für Geschirr oder Werkzeugboxen.

Nachfrage nach Biokunststoff steigt

Der Bedarf an Plastik ist riesig – allein in Europa verbraucht jeder Einzelne im Schnitt deutlich mehr als 100 Kilogramm pro Jahr. 2010 wurden weltweit etwa 265 Millionen Tonnen Kunststoff produziert, schätzt der europäische Branchenverband PlasticsEurope.

Bislang decken wir nur einen kleinen Teil unseres Bedarfs mit Bioplastik. Im Jahr 2010 wurden lediglich 724 000 Tonnen »grüner« Kunststoff hergestellt. Doch die Nachfrage nach Biopolymeren soll in den kommenden Jahren deutlich steigen. Die Experten vom Interessensverband European Bioplastics erwarten, dass 2015 weltweit etwa 1,7 Millionen Tonnen »grüner« Kunststoff produziert werden.

Natürlich beschichten

Getränkekartons sind High-Tech-Werkstoffe. Obwohl ein Getränkekarton für einen Liter Inhalt nur drei Prozent des Gesamtgewichts ausmacht, sind die Anforderungen an ihn hoch. Er soll Nahrungsmittel und Aroma optimal schützen, lange Haltbarkeit garantieren und stabil sein. Verpackungen aus nur einem Material sind häufig überfordert. Deshalb werden unterschiedliche Materialien zu einem Verbund kombiniert: Der Karton sorgt für Stabilität, die Kunststofffolie macht die Verpackung dicht, und die Aluminiumfolie verhindert, dass Licht und Sauerstoff den Inhalt beeinträchtigen. Den größten Anteil an der Verpackung hat der Karton selbst. Er besteht aus Papier, Pappe oder Kartonagen (PPK). Diese werden aus Holz hergestellt, einem nachwachsenden Rohstoff. Weitere 20 Prozent entfallen auf Kunststoff. Forscher vom UMSICHT arbeiten gemeinsam mit ihren Kollegen vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV in Freising daran, diese ebenfalls aus nachwachsenden Rohstoffen zu fertigen. Das Substitutionspotenzial eines solchen Biokunststoffs wäre enorm: Allein in Deutschland werden etwa 44 000 Tonnen Beschichtungspolymere pro Jahr benötigt.

Bisher bestehen Polymerfolien für Verbundverpackungen aus Polyethylen (PE), das aus Erdöl hergestellt wird. Fraunhofer-Forscher entwickeln nun ein auf nachwachsenden Rohstoffen basierendes Werkstoffsystem für Getränkekartons. Herkömmliche Biokunststoffe erreichen bislang nicht die mechanischen und lebensmitteltechnischen Eigenschaften der fossil basierten Beschichtungen. Deshalb wird in diesem Projekt versucht, die entsprechenden Eigenschaften durch das Mischen (Compoundieren, Blenden) von kommerziell erhältlichen biobasierten Kunststoffen einzustellen. Weitere Herausforderung: Die biobasierten Materialentwicklungen müssen sich auch auf vorhandenen Maschinen zur Herstellung von PPK-Verbundverpackungen verarbeiten lassen.

»Haus der Nachhaltigkeit«

Plastik aus nachwachsenden Rohstoffen ist nur ein Beispiel dafür wie wir künftig verantwortungsbewusster mit den Ressourcen der Erde umgehen können. In der Halle 2, Stand D22 stellen mehr als 20 Fraunhofer-Einrichtungen im »Haus der Nachhaltigkeit« weitere Lösungen vor. Die Forscher präsentieren wie sich Energie aus erneuerbaren Quellen gewinnen, Wasser effizienter nutzen und Abwasser geschickt aufbereiten lässt. Ein weiteres Thema ist die Elektromobilität.

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Thomas Wodke Fraunhofer-Institut

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