Mehr als 30 Prozent der Notfallpatienten sind älter als 80 Jahre – Strukturwandel in der Notaufnahme

Doch die Patienten werden immer älter, ihre Beschwerden komplexer – und addieren sich damit zu den täglichen Herausforderungen, denen Ärzte sich stellen müssen. Wie darauf zu reagieren ist, medizinisch und strukturell, erklärte Dr. Georg Pinter, Chefarzt am Klinikum Klagenfurt am Wörthersee, beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG) in Halle (Saale).

In seiner Keynote-Lecture „Geriatrische Notfallsversorgung – Strategien und Konzepte“ stellte er aktuelle Zahlen, Lösungsansätze und erfolgreich realisierte Projekte vor.

„Wir befinden uns inmitten eines Paradigmenwechsels in der Versorgung älterer Menschen“, sagte Pinter im voll besetzten Audimax der Universität Halle. Allein in seiner eigenen Klinik im österreichischen Klagenfurt, so Pinter, seien mehr als 30 Prozent der rund 9000 Notfallpatienten im Jahr älter als 80 Jahre. Die Auswertung seiner mehr als 50.000 Datensätzen spricht für sich: Werden Patienten stationär aus der Notaufnahme aufgenommen, sind 53% älter als 66 Jahre, 13% sogar zwischen 86 und 95 Jahre alt. „Und dieser Gruppe müssen wir mit unseren Behandlungsmethoden und Strukturen in der Notfallversorgung gerecht werden. Dies erfordert Veränderungen!“

Immer mehr alte, multimorbide Patienten

Generell rechnen die Experten in den kommenden 10 Jahren mit einer Zunahme der über 80-jährigen Menschen um etwa 25 Prozent. Studien aus Deutschland, den USA und Österreich weisen alle in die gleiche Richtung: Es finden sich mehr und mehr ältere, komplex kranke, immobile, sozial unterversorgte Patienten mit einem hohen Betreuungsbedarf in den Notaufnahmen. Problematisch ist dies, weil ältere Menschen besonders gefährdet sind, nach der Entlassung aus der Notaufnahme erneut zu erkranken. „Bis zu 27% der älteren aus der Notaufnahme entlassenen Patienten, kommen binnen drei Monaten wieder in die Notaufnahme, werden stationär aufgenommen oder sterben“, weiß Pinter.

Grund hierfür sei ihre allgemein geschwächte Konstitution. Die Ersteinlieferung ins Krankenhaus sei oft nur der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Folgeerkrankungen. Noch kritischer sieht Pinter die Situation bei Pflegeheimpatienten: Aufgrund unzureichender Vor-Ort-Versorgung müssten sie häufig von A nach B transportiert werden. Eine Belastung, die jene meist ohnehin körperlich, seelisch und geistig beeinträchtigen Menschen zusätzlich anstrenge.

Pinter plädiert für stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit

Georg Pinter plädiert daher für eine verstärkte Zusammenarbeit von Kliniken mit niedergelassenen Ärzten, stationärer und ambulanter Pflege, sowie einem rascheren Informationsfluss zwischen allen Behandlungsverantwortlichen. Wie genau dies aussehen kann, stellte der Österreicher anhand von Praxisbeispielen vor. Dabei setzt er unter anderem auf fachübergreifende Therapien. „Wir behandeln im Team, um den Menschen aus verschiedenen Blickwinkeln zu erfassen, sei es körperlich, psychologisch, sozial oder spirituell“, sagte er. „Der holistische Zugang zur Medizin ist mir wichtig. Man muss den Menschen als Ganzes erfassen, um ihm helfen zu können.“

Manchmal müssten Ärzte zudem hinterfragen, ob sie manchmal nicht lieber weniger Apparatemedizin nutzen, als persönliche Fürsorge am Lebensende walten zu lassen – die Betreuung am richtigen Ort, zur richtigen Zeit und in der richtigen Qualität und Quantität ist eine wichtige Forderung Pinters. Dies geht einher mit geforderten strukturellen Veränderungen in der Notaufnahme: „Es gilt die Kommunikation, den Komfort und die Orientierung der Patienten zu verbessern und das Sturzrisiko zu mindern“, erklärte der Chefarzt aus Klagenfurt.

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Nina Meckel idw - Informationsdienst Wissenschaft

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