Karrieren von Ehepartnern in der modernen Gesellschaft

Prof. Dr. Hans-Peter Blossfeld

Angela aus Köln ist verheiratet, hat zwei schulpflichtige Kinder und ist seit kurzem wieder als Sekretärin Teilzeit erwerbstätig. Ihr Mann, der als leitender Angestellter Karriere macht, hilft nur hin und wieder im Haushalt und bei den Kindern mit. Er betrachtet die Erwerbstätigkeit seiner Frau eher mit gemischten Gefühlen. Dörte lebt in Stockholm mit Jan zusammen. Sie haben ein gemeinsames Kind und beide sind Vollzeit erwerbstätig. Jan ist sehr stolz auf den beruflichen Erfolg seiner Partnerin und fördert diesen nach Kräften. Allerdings, wenn das Kind krank ist, bleibt meist Dörte zu Hause. Auch der größte Teil der Hausarbeit wird, trotz der hohen Anforderungen in Dörtes Beruf, in der Regel von ihr alleine erledigt. Elisabetta in Florenz ist schwanger und hat trotz ihrer Ganztagstätigkeit als Apothekerin die Hausarbeit wie selbstverständlich zu leisten. Ihr Ehemann Fabrizio, ein erfolgreicher Zahnarzt, möchte gerne, dass Elisabetta nach der Geburt des Kindes ihre Erwerbstätigkeit vollkommen unterbricht und ganz für das Kind da ist. Elisabetta wird wohl nichts anderes übrig bleiben, da es in Italien sehr schwierig ist, Erwerbstätigkeit und Familie durch Teilzeitarbeit zu verbinden.

Diese Beispiele sind heute für junge Familien in Europa durchaus typisch. Sie weisen darauf hin, dass es heute neben Gemeinsamkeiten auch größere Unterschiede in der Organisation der Paarbeziehung zwischen diesen Ländern gibt. Wie stimmen also junge (Ehe-)Partner ihre beruflichen Karrieren in verschiedenen Ländern aufeinander ab? In welcher Weise hat sich durch die steigende Erwerbstätigkeit der Frauen die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung innerhalb von Partnerschaften verändert? Wie wirken sich die relativen Ausbildungsniveaus und Einkommenschancen der Partner auf diese Entscheidungen in der Familie aus? Fördert oder hemmt hoher beruflicher Status der Ehemänner die Erwerbstätigkeit ihrer Ehefrauen? Wie entwickeln sich die Karrieren der Partner, wenn Kinder ins Spiel kommen und welche Rolle spielen berufliche Erfolge oder Misserfolge eines Partners für die Erwerbstätigkeit des jeweils anderen? Gibt es dabei geschlechtsspezifische Reaktionsmuster? „Opfern“ sich die jungen Frauen auch heute noch, wenngleich nicht durch Erwerbsunterbrechungen, so zumindest durch Teilzeitarbeit und Karriereverzichte? Diesen und ähnlichen Fragen geht das gerade erschienene Buch Careers of Couples in Contemporary Society: From Male-Breadwinner to Dual-Earner Families (Oxford: Oxford University Press, 2001) nach. Es handelt sich dabei um die erste systematische international vergleichende Studie über die Veränderung der Karrieren von (Ehe)Partnern auf dem Wege von der traditionellen (männlichen) Alleinverdiener- zur modernen Doppelverdiener-Gesellschaft. Unter der Leitung von Professor Dr. Hans-Peter Blossfeld (Universität Bielefeld) und Dr. Sonja Drobnic (Universität Bremen) untersuchte ein internationales Forscherteam auf der Grundlage repräsentativer Längsschnittdaten und mit aufeinander abgestimmten Untersuchungsdesigns, wie sich die Berufskarrieren von (Ehe-)Paaren seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges in zwölf sehr unterschiedlichen Gesellschaften verändert haben. Zu den in die Analyse einbezogenen Ländern gehören Deutschland, die Niederlande, der flämische Teil von Belgien, Italien, Spanien, Großbritannien, die Vereinigten Staaten, Schweden, Dänemark, Polen, Ungarn und China.

Als Erstes zeigte sich eine überraschende Gemeinsamkeit bei diesen Ländern: Trotz deutlicher Verbesserung der Ausbildung von Frauen und ihrer zunehmenden Karrierechancen, hat sich in allen untersuchten Ländern innerhalb der Paare eigentlich nichts Grundsätzliches geändert. Soweit es Veränderungen der Geschlechtsrollen innerhalb der Familien gab, haben sich diese asymmetrisch, das heißt, einseitig auf der Seite der Frauen vollzogen. In allen untersuchten Ländern, seien sie nun kapitalistisch oder (ehemals) sozialistisch, konservativ, liberal oder sozialdemokratisch, ist die Hausarbeit und die Kinderbetreuung die zentrale Aufgabe von Frauen geblieben. Zu diesen traditionellen Aufgaben der Frauen ist allerdings die marktvermittelte Erwerbstätigkeit hinzugekommen und hat zu einer Doppelbelastung geführt. Männer beteiligen sich dagegen nach wie vor selten an der Hausarbeit und nur eher nebenbei an der Kinderbetreuung und -erziehung. Das gilt auch für Schweden, dem Land, in dem die Männerrolle in den letzten Jahren offenbar die größten Fortschritte in Richtung Familienarbeit gemacht hat. Die Männer der neuen Doppelverdiener-Paare scheinen in allen Ländern wie eh und je in der Lage zu sein, Beruf und Familie als getrennte Lebenssphären zu betrachten. Nach dem Motto „ein erfolgreicher Ernährer ist auch ein guter Ehemann und Vater“ konzentrieren sich die Männer auf den beruflichen Erfolg und ziehen sich tendenziell aus den Familien- und Hausarbeiten zurück. Frauen müssen dagegen auch heute noch wegen ihrer weitgehend unveränderten Zuständigkeit für die Familie, zwischen Familie und Beruf wählen. Prioritäten zugunsten des Berufs und der Karriere gehen bei ihnen deswegen sofort auf Kosten der Familie und umgekehrt. Es sind deswegen vor allem die Frauen und nicht die Männer, die aus dieser geschlechtsspezifischen Logik heraus ihre Erwerbsbeteiligung und Karriere immer wieder an die Bedürfnisse der Familie anpassen. Damit existieren nicht nur schwer zu ändernde individuelle und strukturelle Widerstände im Wandel der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung innerhalb der Familie, sondern diese Ungleichheiten in der Familie wirken sich natürlich auch auf den Arbeitsmarkt aus und führen dort zu Ungleichheiten der Erwerbsbeteiligung, der bezahlten Arbeit und der Karrieren von Männern und Frauen. Politische Interventionen die sich somit nur auf die Ausbildung der Frauen oder auf den Beruf und die Arbeitsmarktstrukturen konzentrieren und von diesen hartnäckigen geschlechtsspezifischen Zusammenhängen innerhalb der Doppelverdiener-Familien absehen, greifen deswegen zu kurz.

Natürlich zeigt auch die vorliegende international vergleichende Studie, dass sich die Erwerbsbeteiligung und die Karrierechancen der jungen Frauen durch bessere Ausbildung und kontinuierlichere Berufserfahrung beträchtlich steigern lassen. Aber nach der Partnerwahl und Eheschließung kommen gewichtige geschlechtsspezifische Wirkungen der (Ehe-)Partner zum Tragen. Zunächst hat die Erwerbstätigkeit und der berufliche Status der Frauen in keinem der untersuchten Länder einen signifikanten Einfluss auf das Erwerbsverhalten der (Ehe-)Männer. Das heißt, die (Ehe-)Männer sind meist lebenslang kontinuierlich erwerbstätig und machen dabei nicht selten Karriere, völlig unabhängig vom beruflichen Status ihrer Partnerinnen. Trotz Doppelverdiener-Ehe definieren sich die meisten Männer häufig weiterhin als „(Haupt-)Ernährer der Familie“ und zwar sogar auch dann noch, wenn diese Funktion wegen eines ähnlichen oder sogar höheren beruflichen Status der (Ehe-)Partnerin objektiv nicht mehr zutrifft. In diesem Sinne zeigen die Karriereverläufe der (Ehe-)Männer eine hohe Unabhängigkeit von den beruflichen Verläufen ihrer (Ehe-)Frauen.

Umgekehrt gilt dies allerdings nicht immer. Die Wirkung des beruflichen Status der Männer auf die Berufskarrieren ihrer Partnerinnen ist von den nationalen Rahmenbedingungen, insbesondere vom Typ des Wohlfahrtsstaates abhängig. In konservativen Wohlfahrtsstaaten (wie z. B. in Deutschland oder in den Niederlanden) und in mediterranen Wohlfahrtsstaaten (wie z. B. in Italien oder Spanien) steigt mit der beruflichen Position des (Ehe-)Manns der Druck auf die Partnerin systematisch an, ihre Erwerbstätigkeit zugunsten der Familie zu reduzieren oder sogar vollkommen aufzugeben. Deutschland sticht dabei unter den nordeuropäischen Gesellschaften als ein Land mit einer besonders traditionellen Teilung der Arbeit bei verheirateten Paaren hervor. Wie die Längsschnittanalyse zeigt, kann in Deutschland der berufliche Status des Ehemannes dazu führen, dass die Karrierepotentiale der Ehefrau sogar gänzlich außer Kraft gesetzt werden und diese den Arbeitsmarkt verlässt. Die Karrierepfade in Partnerschaften sind in mediterranen und konservativen Ländern insgesamt deutlich geschlechtsspezifisch geprägt. Die Folge ist eine traditionale Arbeitsteilung in den Partnerschaften, eine größer werdende Lücke zwischen männlichen und weiblichen Berufsverläufen innerhalb der Ehe, eine zunehmende geschlechtsspezifische Spezialisierung auf bestimmte Tätigkeitsbereiche, eine wachsende wirtschaftliche Abhängigkeit der Ehefrauen von ihren Partnern sowie ein schwer zu änderndes eher traditionales Familienmodell. Diese Länder sind deswegen vom Vollzeit-Doppelverdiener-Modell, wie es in sozialistischen Gesellschaften bereits realisiert war, noch weit entfernt.
In liberalen Wohlfahrtsstaaten wie dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten von Amerika konnten in der Studie dagegen keine signifikanten Effekte des beruflichen Status der Männer auf die Erwerbsbeteiligung ihrer Frauen festgestellt werden. In diesen Marktgesellschaften ist der Einfluss der (Ehe)-Männer auf das Erwerbsverhalten ihrer Frauen deswegen insgesamt eher gering. In den sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaaten wie Dänemark oder Schweden und generell in den ehemals sozialistischen Ländern wie Polen, Ungarn oder Slowenien gibt es dagegen einen starken positiven Effekt des beruflichen Status der (Ehe)Männer auf die Berufstätigkeit ihrer (Ehe)Frauen: Die Männer fördern die Erwerbstätigkeit und Karriere ihrer Frauen und der beruflicher Status und das Einkommen kumulieren nicht selten in diesen Doppelverdiener-Familien.

Insgesamt weist die Studie deswegen auch darauf hin, dass sich in den letzten 30 Jahren durch die zunehmende Verbreitung von Doppelverdiener-Familien in den Alleinverdiener-Gesellschaften zumindest in einer Übergangszeit die soziale Ungleichheit deutlich verstärkt hat. Der Grund dafür ist in der hohen Neigung zu homogamer Heirat zu sehen. Das heißt, Männer und Frauen wählen (Ehe-)Partner, die sich hinsichtlich ihrer Bildung und ihres sozialen Status sehr ähnlich sind – und diese Tendenz nimmt sogar noch weiter zu. Konnten deswegen in den 60er und 70er Jahren Familien aus unteren sozialen Schichten einen Teil ihrer Ungleichheitsdistanz zu den höheren sozialen Schichten durch die Beteiligung der Frauen an der Erwerbstätigkeit abbauen, so vergrößert sich heute mit zunehmender Erwerbstätigkeit der verheirateten Frauen mit guter Bildung und verbesserten Karrierechancen aus den Mittelschichten die Ungleichheitsdistanz zu den unteren sozialen Schichten wieder stärker. Das heißt, nicht nur die Alleinverdiener-Familien (mit meist vielen Kindern), sondern auch untere soziale Schichten mit traditionell hoher Frauenerwerbstätigkeit zählen zu den relativen Verlierern dieser Entwicklung. Auf sie müsste die Politik mit sozial- und steuerpolitischen Maßnahmen rasch reagieren.
Kontakt: Prof. Dr. Hans-Peter Blossfeld, Universität Bielefeld, Fakultät für Soziologie, Telefon 0521/106 4309. Weitere Informationen zum Buch im Internet: http://www.oup-usa.org/toc/tc019924491X.html, http://www.oup-usa.org/isbn/019924491X.html.

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