DFG-Projekt erforscht erstmals aktuell gesprochene Dialekte für den gesamten niederdeutschen Raum

In diesen Tagen starten umfangreiche Erhebungen in 18 Regionen des niederdeutschen Sprachraums, vom Niederrhein bis zur deutsch-polnischen Grenze und zum nordfriesischen und schleswigischen Dialektgebiet im äußersten Norden. Gefördert wird das groß angelegte Projekt „Sprachvariation in Norddeutschland“ (SIN) von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

Es handelt sich um das erste Forschungsvorhaben, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Sprachverhältnisse im gesamten niederdeutschen Raum, zu dem auch Teile Brandenburgs gehören, umfassend zu dokumentieren und zu analysieren. Am Institut für Germanistik der Universität Potsdam untersuchen unter der Leitung von Prof. Dr. Joachim Gessinger die beiden Linguisten Judith Butterworth und Mark Hillebrand die Sprachverhältnisse im mittleren und nördlichen Brandenburg sowie im angrenzenden östlichen Niedersachsen.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erhoffen sich von dieser Studie einerseits neue Erkenntnisse über den gegenwärtigen Stand der niederdeutschen Dialekte und des Berlinischen, die unter dem anhaltenden Einfluss des Hochdeutschen eine Reihe von Veränderungen erfahren haben. Auf der anderen Seite soll das spezifische Hochdeutsch der Norddeutschen, das von den meisten heute als Alltagssprache gebraucht wird, unter die Lupe genommen werden. Hierbei möchten die Forscher vor allem herausfinden, welche sprachlichen Merkmale für die verschiedenen hochdeutschen Regionalsprachen jeweils typisch sind und in welchen Situationen man auf welche Merkmale zurückgreift.

Eine Besonderheit des Projekts besteht darin, dass das Sprechverhalten der Norddeutschen nicht per Fragebogen ermittelt wird, sondern dass mit insgesamt 144 Personen Sprachaufnahmen durchgeführt werden. So wird mit allen ein längeres Interview geführt, vor allem aber wird ein etwa zweistündiges Gespräch aufgezeichnet, wie es sich beispielsweise beim Kaffeetrinken im Kreise der Familie oder Freunden, ohne Anwesenheit des Interviewers, einstellt. Auf diese Weise gelangen die Sprachwissenschaftler erstmals zu einem besonders authentischen Material, das zuverlässige Rückschlüsse auf das natürliche Sprechverhalten der Norddeutschen erlaubt.

Für das SIN-Projekt sollen in den nächsten beiden Jahren in jeweils zwei kleineren Ortschaften aus 18 norddeutschen Dialektregionen Sprachaufnahmen durchgeführt werden. Standen bei ähnlichen Projekten bisher stets männliche Sprecher im Vordergrund, sind es hier erstmals Sprecherinnen, die den Kern eines Projekts dieser Größenordnung bilden. An jedem Ort werden vier Frauen im Alter zwischen 40 und 55 Jahren interviewt und im Familienkreis aufgenommen.

Bei der Analyse des erhobenen Materials werden zum einen die sprachlichen Merkmale in den einzelnen Regionen miteinander verglichen, zum anderen wird auch das individuelle sprachliche Verhalten der Sprecherinnen untersucht. Auch die Selbstauskünfte der Sprecherinnen zu ihren sprachlichen Erfahrungen und ihrer Einstellung gegenüber Dialekten und der hochdeutschen Alltagssprache werden berücksichtigt, da sie wichtige Ansätze für die Interpretation der beobachtbaren Sprachphänomene liefern. Nach Abschluss des Projekts soll eine Buchpublikation über die aktuellen Sprachverhältnisse im niederdeutschen Sprachraum informieren.

Weitere Ansprechpartner (Leiter der Teilprojekte) sind:
Teilprojekt Universität Hamburg: Prof. Dr. Ingrid Schröder,
E-Mail: ingrid.schroeder@uni-hamburg.de
Teilprojekt Universität Kiel: Prof. Dr. Michael Elmentaler,
E-Mail: elmentaler@germsem.uni-kiel.de
Teilprojekt Universität Münster: Prof. Dr. Jürgen Macha,
E-Mail: macha@uni-muenster.de
Teilprojekt Universität Frankfurt/Oder: Dr. Peter Rosenberg,
E-Mail: rosenberg@euv-frankfurt-o.de

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Andrea Benthien idw

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