Umfrage "Junge Elite": Karriere trotz Bildungsmisere

Engagement entscheidet über beruflichen Aufstieg, nicht die Schulnoten

Bei 52 Prozent der Jungmanager hat das Elternhaus den größten Anteil am beruflichen Erfolg / 69 Prozent haben die Schule geschwänzt / Abschlussnote des Studiums war bei 56 Prozent nicht allein ausschlaggebend für beruflichen Erfolg / 73 Prozent haben ihr Studium straff durchgezogen

Die Bildungsmisere an deutschen Schulen und Universitäten hat den größten Teil der deutschen Nachwuchsmanager nicht bei ihrer Karriere behindert. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch eine Entwarnung auf breiter Front für das reformbedürftige deutsche Bildungssystem, wie die gemeinsam vom Wirtschaftsmagazin ’Capital’ (Ausgabe 14/2002, EVT 27. Juni) und der Unternehmensberatung McKinsey initiierte Repräsentativ-Umfrage bei 131 Nachwuchsmanagern ergab. Danach hat bei gut jeder zweiten jungen Führungskraft (52 Prozent) das Elternhaus den höchsten Anteil am persönlichen beruflichen Erfolg. Nur jeder vierte Befragte (24 Prozent) sagt, die Universität habe den höchsten Anteil am Fortkommen, und noch weniger, nur 21 Prozent, sehen in der Schulausbildung den ausschlaggebenden Erfolgsfaktor für ihre Karriere.

Deshalb darf es nach Ansicht von McKinsey zu keiner Entschärfung der Debatte über die Qualität des deutschen Bildungssystems kommen. Dies bestätigen auch die Ergebnisse der mit rund 170.000 Teilnehmern größten Online-Befragung „Perspektive Deutschland“, nach der nur 20 Prozent der Deutschen mit den Leistungen des staatlichen Bildungssystems zufrieden sind.

Wie das vom Institut für Demoskopie Allensbach (IfD) erhobene „Junge Elite“-Panel weiter zeigt, sind zwei Drittel der Befragten während ihrer Ausbildungszeit vom Elternhaus finanziell unterstützt worden, bei 39 Prozent hatten diese Zuwendungen sogar einen wesentlichen Anteil am beruflichen Aufstieg.

In der Schule waren die heutigen Nachwuchsmanager im Alter zwischen 20 und 39 Jahren zwar engagiert und leistungsbereit, aber ansonsten völlig normale Schüler. So sind nach der ’Capital’/McKinsey-Umfrage insgesamt 69 Prozent auch einmal dem Unterricht unentschuldigt ferngeblieben, 48 Prozent von ihnen haben sogar gelegentlich geschwänzt und 27 Prozent bei Klassenarbeiten öfter einmal gemogelt. 15 Prozent gaben sogar zu, in der Schule auch sitzen geblieben zu sein. Auffallend ist allerdings, in welchem Maße Nachwuchsmanager in der Schule Leistungskurse in Mathematik und Englisch belegt hatten: Mit 46 Prozent steht Mathematik mit weitem Abstand vor Englisch (32 Prozent), Deutsch (28 Prozent), Biologie (22 Prozent) und Geschichte (17 Prozent).

Überrascht zeigte sich ’Capital’-Herausgeber Dr. Werner Funk vom Ergebnis, wie gering die Bedeutung der Abiturnote für den späteren beruflichen Erfolg ist: „Wenn die Abiturnote bei 82 Prozent der heute Erfolgreichen keine entscheidende Rolle spielte, scheinen alte Bildungsideale für die Karriere keine allzu große Bedeutung mehr zu spielen.“ Zudem stimmten 92 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass man heute vieles gar nicht mehr wissen müsse, sondern nur, wo es steht. Auch die Kenntnis der deutschen Rechtschreibung ist wohl kein Hinderungsgrund mehr für beruflichen Erfolg: 28 Prozent der Nachwuchsmanager räumten ein, selbst Probleme mit der Rechtschreibung zu haben.

Bei Auswahl des Studienfachs stand Interesse und Neigung im Vordergrund

Der Schlüssel des beruflichen Erfolgs scheint nach den Ergebnissen der von ’Capital’ und McKinsey durchgeführten Umfrage nicht in der reinen Karriere-Orientierung, sondern vor allem in der Interessensausrichtung und der Zielstrebigkeit begründet zu sein. So haben 62 Prozent der heute beruflich erfolgreichen Jungmanager ihre Studienfächer nach ihren persönlichen Neigungen und nicht nach Berufs- und Karrierechancen ausgewählt. Dass darunter zum ganz überwiegenden Teil die Betriebswirtschaftslehre und artverwandte Fächer waren (56 Prozent), überrascht da schon weniger. Mit 19 Prozent wurden an zweiter Stelle technische Fächer wie die Ingenieurwissenschaften und Maschinenbau genannt.

Der überwiegende Teil der jungen Führungskräfte (51 Prozent) war sich bereits bei der Auswahl seiner Studienfächer sicher, welchen beruflichen Weg er später einschlagen wollte. Entsprechend zielstrebig absolvierte er auch das Studium: 73 Prozent haben es nach eigenen Aussagen straff durchgezogen. Dabei fanden insgesamt 78 Prozent immer noch Zeit, auch über die gewählte Fächerkombination hinausgehende Vorlesungen selten bis häufig zu besuchen. Ihre Abschlussnote beim Studium bewerten immerhin 37 Prozent als wichtig für die spätere Karriere. Die Mehrheit von 56 Prozent misst ihr allerdings diese Bedeutung nicht zu. Vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass sechs von zehn Befragten dem auf der Universität Gelernten im nachhinein nur einen geringen Nutzen attestieren.

In der Zielstrebigkeit schon während des Studiums liegt für McKinsey-Partner

Dr. Ulf Redanz der Schlüssel zum Erfolg: „Bereits im Studium zeigt sich, wer in der Lage ist, mit Engagement für ein bestimmtes Ziel konzentriert zu arbeiten. Deshalb kommt es auf exzellente Abschlussnoten und den richtigen Biss an.“

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Henning Baethge ots

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