Zwischen Baum und Borke

Der Blick in das Gewächshaus der Erfurter Fachhochschule könnte auf die Adventszeit einstimmen: Hunderte kleiner Fichten wachsen dort in Reih und Glied, in kleinen nummerierten Töpfen. Doch den etwa 70 Zentimeter hohen Fichten steht nicht etwa ein Schicksal als Weihnachtsbäumchen bevor.

Vielmehr stehen die vierjährigen Jungbäume Wissenschaftlern der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der Fachhochschule Erfurt und der Thüringer Landesanstalt für Wald, Jagd und Fischerei „Modell“: Mit Hilfe eines neuen spektrometrischen Verfahrens wollen die Forscher an ihnen Borkenkäfer aufspüren.

Borkenkäferarten wie der Buchdrucker oder der Kupferstecher, sind eine große Gefahr vor allem für Nadelwälder. „Unser Ziel ist es, einen Borkenkäferbefall bereits frühzeitig anhand von Farbspektren nachzuweisen, die für das menschliche Auge unsichtbar sind“, beschreibt Prof. Dr. Christiane Schmullius von der Uni Jena das Projektziel. Denn nur wenn ein Befall frühzeitig erkannt werde, lasse sich der Waldbestand retten, so die Inhaberin des Lehrstuhls für Fernerkundung. „Letztendlich geht es darum, den Schaden des Borkenkäfer-Befalls möglichst gering zu halten“, ergänzt Prof. Dr. Frank Bohlander von der FH Erfurt. Der Professor für Waldschutz und Ökologie und sein Team arbeiten mit den Jenaer Geowissenschaftlern und den Forschern aus der Thüringer Landesanstalt für Wald, Jagd und Fischerei in Gotha zusammen.

Für ihre Versuche vergleichen die Geowissenschaftler die Reflexionsspektren von gesunden Fichten und Bäumen, an denen der Befall von Borkenkäfern durch Schädigung der Baumrinde simuliert wird. „Wir nehmen die Spektren in regelmäßigen Abständen auf und prüfen, ob darin Veränderungen erkennbar sind, die sich auf die Schädigungen zurückführen lassen“, sagt Hans-Jörg Fischer. Der Masterstudent im Fach Geoinformatik an der Jenaer Uni misst drei Mal pro Woche die Spektren von 60 Fichten. Anhand dieser Spektren wollen dann die Erfurter Projektpartner gezielt nach Veränderungen im Stoffwechsel der Bäume suchen und so eindeutige Hinweise auf einen Borkenkäferbefall ausmachen.

Was derzeit im Gewächshaus unter Modellbedingungen passiert, wird später in die Praxis umgesetzt. „Denkbar ist es z. B., die Spektren eines Tages vom Flugzeug oder gar von Satelliten aus aufzunehmen und so Aufschluss darüber zu erhalten, ob ein bestimmtes Waldgebiet vom Borkenkäfer befallen ist“, so Fischer. Der forstwirtschaftliche Schaden durch Borkenkäfer ist weltweit ein Problem. „Derzeit gibt es in großen Teilen Kanadas eine Borkenkäferplage“, weiß Martin Thurner. „Aber auch in Thüringen ist der schädliche Käfer nach wie vor weit verbreitet“, so der Geoinformatik-Student von der Uni Jena. Zudem erwarten die Wissenschaftler, dass die Gefahr weiter zunehmen wird: „Die durch den Klimawandel verursachten steigenden Temperaturen führen dazu, dass die Brut- und Lebensbedingungen der Käfer immer besser werden“, sagt Thurner.

Die Käfer bohren sich durch die Rinde von Bäumen und legen zwischen Baum und Borke ihre Eier ab, wo die schlüpfenden Larven und die daraus erwachsenden Käfer schließlich das für den Baum lebensnotwendige Nährstoff-führende Gewebe zerstören. Meist sterben Bäume, die von Borkenkäfern besiedelt sind, innerhalb kurzer Zeit ab. Normalerweise werden vorwiegend kranke und gestresste Bäume befallen. Doch in extrem trockenen und warmen Perioden bieten auch ansonsten gesunde Bäume dem Borkenkäfer einen idealen Nährboden.

„Die Versuche, den Borkenkäferbefall mit Hilfe von Fernerkundungsmethoden festzustellen werden schon seit einigen Jahren unternommen“, macht Sergej Chmara deutlich, der den aktuellen Versuch initiiert hat. „Bisher werden jedoch in allen Verfahren nur Bäume erkannt, deren Nadeln sich bereits rot verfärbt haben und aus denen die Käfer meist schon ausgeflogen sind“, so der Forscher von der Thüringer Landesanstalt für Wald, Jagd und Fischerei. „Wenn es uns gelingt, eine Methode zu entwickeln, den Borkenkäferbefall früh genug zu erkennen, so können die befallenen Bäume rechtzeitig aus dem Bestand entfernt werden, bevor die Käfer benachbarte Bäume befallen.“

Kontakt:
Prof. Dr. Christiane Schmullius
Institut für Geographie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Grietgasse 6
07743 Jena
Tel.: 03641 948880
E-Mail: c.schmullius[at]uni-jena.de

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Dr. Ute Schönfelder idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-jena.de/

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