Wissen, was im Untergrund passiert

Prof. Schüth, Dr. Sakaguchi-Söder und Doktorand Abrha (v.l.) untersuchen toxische Stoffe im Wasser. Bild: Katrin Binner

Meerwasserentsalzung ist unverzichtbar geworden im Kampf gegen Dürre. Speichern lässt sich das gewonnene Trinkwasser unter der Erde, doch dabei entstehen giftige Nebenprodukte. Die nimmt ein Team um Professor Christoph Schüth aus dem Fachbereich Material- und Geowissenschaften der TU Darmstadt mit einem innovativen Analyseverfahren in den Blick. Das Projekt MAR-DSW steht nun vor dem ersten Feldeinsatz.

Israel hat der Dürre den Kampf angesagt. Fünf Meerwasserentsalzungsanlagen generieren pro Jahr um die 600 Millionen Kubikmeter Süßwasser, etwa 70 Prozent des Verbrauchs der privaten Haushalte. Weil die gigantischen Anlagen nicht flexibel reguliert werden können, hat das Land inzwischen in Zeiten geringeren Bedarfs und bei Wartungsarbeiten an den Leitungsnetzen zu viel von dem kostbaren Nass.

„Man braucht einen Zwischenspeicher“, sagt Christoph Schüth, Professor für Angewandte Geowissenschaften an der TU Darmstadt. Dafür wird das Wasser seit einiger Zeit in Aquifere eingespeist, grundwasserführende Bodenschichten, und bleibt dort, bis es wieder entnommen wird. Das einfache Prinzip hat allerdings einen Nachteil: Das entsalzte Wasser ist chloriert. Sickert es durchs Erdreich, reagiert das Chlor mit organischen Stoffen im Boden und bildet giftige Verbindungen wie zum Beispiel Chloroform.

Im deutsch-israelischen Verbundprojekt MAR-DSW wollen Schüth, Dr. Kaori Sakaguchi-Söder und der Doktorand Behane Abrha herausfinden, was mit diesen Trihalomethanen im Wasser passiert.
Sie nutzen dafür das Verfahren der Isotopen-Analyse, die Sakaguchi-Söder im Rahmen ihrer Doktorarbeit weiter entwickelte und für die Analysen in Israel maßschneiderte.

„Die Methode ist eine Spezialität der TU, wir können die Isotopie aller Elemente in den Trihalomethanen ermitteln“, sagt Sakaguchi-Söder. Dafür werden Wasserproben an verschiedenen Stellen des Aquifers genommen und in einen Gaschromatographen eingebracht, der die enthaltenen Moleküle „zerschießt“. Anschließend können die Forschenden die Isotopie der Bruchstücke untersuchen.

Das ist zum Beispiel bedeutsam, weil sich Mikroben beim Abbau der schädlichen Stoffe zuerst über leichtere Isotope hermachen. Sind überwiegend schwere Isotope in der Probe, zeigt das, dass der Abbau der gefährlichen Nebenprodukte schon weit fortgeschritten ist. „Mit der Isotopenanalyse kann man Aussagen treffen, ob, wie schnell und an welchen Stellen der Bodenpassage ein Stoff abgebaut wurde“, erklärt Schüth.

Um die gewonnenen Messdaten korrekt interpretieren zu können, simuliert das Team auch den mikrobiologischen Abbau unter der Erde im Labor. Zur Halbzeit des Forschungsprojektes steht das Verfahren: „Die Methode ist bereit für den Einsatz“, sagt Sakaguchi-Söder. Im April werden in Israel Proben gezogen, die dann in Darmstadt analysiert werden. „Die Daten fließen in ein hydrogeologisches Standortmodell“, sagt Schüth. „Wir wissen dann ganz genau, was im Untergrund passiert.“

Das Untersuchungsverfahren, das an der TU entwickelt wurde, könne weltweit zum Einsatz kommen, überall, wo Wasser in Aquiferen gelagert werde, sagt Schüth. Die Belastung mit Trihalomethanen kann je nach Bodenbeschaffenheit von Standort zu Standort unterschiedlich ausfallen, aber dank MAR-DSW verstehen Wissenschaft und Wasserwirtschaft die grundlegenden Prozesse, die bei unterschiedlichen Rahmenbedingungen der Einspeisung zum Tragen kommen.

„Um der zunehmenden Wasserknappheit mit Entsalzung begegnen zu können, ist entscheidend, dass künstliche Grundwasseranreicherung als sicheres und nachhaltiges Instrument etabliert wird“, sagt Schüth. „Dazu leisten wir einen Beitrag.“

Hintergrund
Das Verbundprojekt „Künstliche Grundwasseranreicherung als nachhaltige Lösung zur Speicherung von entsalztem Meerwasser“ (MAR-DSW) baut auf dem Projekt MARSOL auf, das die TU koordinierte. MAR-DSW wird im Rahmen der deutsch-israelischen Kooperation in der Wassertechnologieforschung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie vom israelischen Wissenschaftsministerium (MOST) gefördert (Förderkennzeichen 02WIL1386). Es startete am 1. Juni 2016, hat eine Laufzeit von drei Jahren und ein Volumen von 250.000 Euro. Israelische Forschungspartner sind die Ben-Gurion University, das Volcani Center der Agricultural Research Organization sowie der Wasserversorger Mekorot.

Kontakt
Fachgebiet Hydrogeologie
Prof. Dr. Christoph Schüth
Telefon: 06151/16-22090
E-Mail: schueth@geo.tu-darmstadt.de

Diese und weitere spannende Geschichten aus der laufenden Forschung an der TU Darmstadt finden Sie in der neuesten Ausgabe der „hoch3FORSCHEN“: https://www.tu-darmstadt.de/vorbeischauen/publikationen/forschung/hoch3_forschen…

Media Contact

Bettina Bastian idw - Informationsdienst Wissenschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften

Die Geowissenschaften befassen sich grundlegend mit der Erde und spielen eine tragende Rolle für die Energieversorgung wie die allg. Rohstoffversorgung.

Zu den Geowissenschaften gesellen sich Fächer wie Geologie, Geographie, Geoinformatik, Paläontologie, Mineralogie, Petrographie, Kristallographie, Geophysik, Geodäsie, Glaziologie, Kartographie, Photogrammetrie, Meteorologie und Seismologie, Frühwarnsysteme, Erdbebenforschung und Polarforschung.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Anlagenkonzepte für die Fertigung von Bipolarplatten, MEAs und Drucktanks

Grüner Wasserstoff zählt zu den Energieträgern der Zukunft. Um ihn in großen Mengen zu erzeugen, zu speichern und wieder in elektrische Energie zu wandeln, bedarf es effizienter und skalierbarer Fertigungsprozesse…

Ausfallsichere Dehnungssensoren ohne Stromverbrauch

Um die Sicherheit von Brücken, Kränen, Pipelines, Windrädern und vielem mehr zu überwachen, werden Dehnungssensoren benötigt. Eine grundlegend neue Technologie dafür haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bochum und Paderborn entwickelt….

Dauerlastfähige Wechselrichter

… ermöglichen deutliche Leistungssteigerung elektrischer Antriebe. Überhitzende Komponenten limitieren die Leistungsfähigkeit von Antriebssträngen bei Elektrofahrzeugen erheblich. Wechselrichtern fällt dabei eine große thermische Last zu, weshalb sie unter hohem Energieaufwand aktiv…

Partner & Förderer