Windfang am Schweizer Rhône-Gletscher aufgebaut – Abschmelzung soll verringert werden

Viele Alpengletscher sind derzeit von einem dramatischen Abschmelzen betroffen. Geht die Klimaerwärmung unvermindert weiter, wird es Prognosen zufolge in 100 Jahren keine Alpengletscher mehr geben.

Bei einer Projektstudie unter der Leitung von Prof. Dr. Hans-Joachim Fuchs vom Geographischen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz wird versucht, die Abschmelzrate mit Hilfe eines Windfangs zu verringern. Mit 27 Studierenden und einem Lkw voller Materialien war Fuchs am Montag in die Schweiz aufgebrochen, wo die Gruppe in dreitägiger Arbeit am Rhône-Gletscher einen 15 Meter breiten Test-Windfang errichtet hat. „Wir freuen uns, dass der Aufbau so gut geklappt hat und wir bald mit unseren Messungen beginnen können“, teilte Fuchs am Donnerstag mit.

Die Gruppe arbeitete teilweise bei strömendem Regen, um den Windfang in der Mitte der flach auslaufenden Gletscherzunge, etwa 20 Meter von der Rhône-Quelle entfernt, zu installieren. Hier erwartet Fuchs die stärksten Gletscherwinde.

Bei ihrem insgesamt elftägigen Geländeaufenthalt im schweizerischen Wallis werden die Geographie-Studierenden und ihr Projektleiter nach dem Aufbau des Windfangs seine Auswirkung auf das Eis untersuchen. „Wir hoffen, dass durch unsere Installation eine deutliche Abkühlung erfolgt und so die Abschmelzung wenn nicht gestoppt, so doch verringert wird“, sagte Fuchs.

Der Aufbau gestaltete sich teilweise recht schwierig. Am Mittwochmorgen waren die Stahlträger locker und es musste eine neue Verankerungstechnik angewendet werden. Am Donnerstag war ein Teil der Studierenden morgens bereits um 6 Uhr auf dem Gletscher, um die Windfangkonstruktion mit Stahlseilen abzuspannen. Danach konnten die Planen befestigt werden.

Jetzt werden die Klimamess-Stationen gesetzt. Schwierigkeiten macht der Gruppe die hohe Abschmelzrate des Gletschers. „Wir verlieren jeden Tag 10 bis 12 Zentimeter Eisoberfläche“, teilte Fuchs vom Gletscher in 2300 Meter Höhe aus mit. Er hofft, dass die Stahlstangen, die 1,10 Meter tief verankert sind, drei bis vier Tage lang für die Messungen halten. „Der Gletscher taut unglaublich rasant ab. Aber wir sind zuversichtlich, dass wir die Messungen vornehmen können.“

Zum zweiten Mal führt eine Projektstudie der Johannes Gutenberg-Universität unter der Leitung von Prof. Fuchs in den Schweizer Kanton Wallis. 2006 waren unter dem Thema „Klimaökologie und Klimawandel am Rhône- und Aletsch-Gletscher im Wallis/Südschweiz“ ausführlich Grundlagen bearbeitet und vor Ort unter die Lupe genommen worden. Darauf wird bei dem neuen Projekt aufgebaut. 27 Studierende wurden während der monatelangen Projektplanung eingebunden und tragen Verantwortung in den jeweiligen Arbeitsgruppen. Ein Großteil der Sponsoren wurde von den Studierenden selbst akquiriert. Auch die Zollformalitäten beim Übergang in die Schweiz haben die Studentinnen und Studenten in den Griff bekommen.

Bei dem Windfang-Projekt wird versucht, die kalten Fallwinde, die über den Gletscher ins Tal absinken, abzubremsen beziehungsweise auf der Gletscherzunge zu stauen, sodass ein natürlicher Kühleffekt entsteht, der die Abschmelzrate verringert. Dies wurde bereits in vielen Laborversuchen mit kleinen Eisplatten-Modellen erfolgreich in Mainz und Karlsruhe getestet.

Der Test-Windfang wurde nun mit einer Ausdehnung von ca. 15 Metern Breite und einer Höhe von 3 Metern aufgebaut. Dazu wurden Metallstangen ins Eis geschlagen und daran eine Plane befestigt, die die sogenannten katabatischen Gletscherwinde stauen soll. Zeitlich hochaufgelöste Temperaturmessungen rund um diesen Windfang sollen während des Experiments seine mögliche kühlende Wirkung in Oberflächennähe des Gletschereises nachweisen und quantifizieren. Am Ende des Geländeaufenthaltes wird der Windfang wieder abgebaut. Die Daten werden dann von den Studierenden ausgewertet und veröffentlicht.

Weiterhin sollen bei dem Projekt die Landschaftsveränderungen durch die Gletscherrückgänge kartiert, dokumentiert und exemplarisch analysiert werden. Bei Umfragen hat sich 2006 herausgestellt, dass ein Großteil der Gletschertouristen die zahlreichen glazialen Spuren, die Gletscher in der Landschaft hinterlassen, nicht wahrnimmt oder nicht zuordnen kann. Daher sollen Spuren, die in der Landschaft zu erkennen sind, und andere interessante Aspekte über Gletscher didaktisch aufgearbeitet und bei einem Lehrpfad am Rhône-Gletscher für Touristen zugänglich gemacht werden.

Es soll außerdem untersucht werden, welche ökologischen Einflüsse die Gletscherrückgänge in lokaler, regionaler und auch globaler Hinsicht bereits haben und möglicherweise noch haben werden. Flankierend werden Umfragen am Rhône-Gletscher durchgeführt. Pro Tag kommen 500 bis 1000 Touristen an die Gletscherzunge, um dort den ca. 80 Meter langen, weltberühmten künstlichen Eistunnel zu begehen.

Kontakt und Informationen:
Prof. Dr. Hans-Joachim Fuchs
Geographisches Institut
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Tel. +49 6131 39-24491 oder -22154 (vom 11. bis 21. August 2008)
Fax +49 6131 39-24735
E-Mail: hans.fuchs@uni-mainz.de

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