Warum die Klimaerwärmung Pause macht

Die Klimaerwärmung macht derzeit Pause: Während die globalen Temperaturen bis weit in die 1990er Jahre markant anstiegen, wurde es seit 1998 auf der Erde im Mittel nur wenig wärmer. Dies obschon der Ausstoss an Treibhausgasen in die Atmosphäre weiter zunahm und die wissenschaftlichen Klimamodelle deswegen eine starke Erwärmung voraussagten.

Klimaskeptiker nutzten den vermeintlichen Widerspruch, um den Klimawandel per se oder zumindest das Schadenspotenzial der Treibhausgase sowie die Aussagekraft der Klimamodelle in Frage zu stellen. Die Mehrheit der Klimawissenschaftler betonte derweil stets, dass sich die kurzfristige «Klimapause» durchaus im Einklang mit der gängigen Wissenschaftsmeinung erklären lasse und einer langfristigen Erwärmung nicht widerspreche.

In den letzten Jahren sind Forschende möglichen Ursachen der Klimapause nachgegangen. Erstmals hat nun Reto Knutti, Professor für Klimaphysik an der ETH Zürich, zusammen mit einem Kollegen alle gängigen Hypothesen gemeinsam und systematisch untersucht. In einer Studie, die in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift «Nature Geoscience» veröffentlicht wurde, kommen die Forscher zum Schluss, dass für die Pause zwei wichtige Gründe zu etwa gleichen Teilen verantwortlich sind.

El Niño sorgte für Wärme

Ein wichtiger Grund sind natürliche Klimaschwankungen. Die Klimaphänomene El Niño und La Niña im Pazifik sind davon die bekanntesten und bedeutendsten. «1998 war ein ausgeprägtes El-Niño-Jahr, daher war es in jenem Jahr so warm», sagt Knutti. Das Gegenphänomen La Niña hingegen habe die vergangenen Jahre kälter gemacht, als sie ohne dieses Phänomen gewesen wären.

Klimamodelle würden solche Schwankungen zwar grundsätzlich berücksichtigen. Es sei jedoch unmöglich vorauszusagen, in welchem Jahr diese Phänomene einträten, sagt der Klimaphysiker. Zur Veranschaulichung zieht er einen Vergleich mit der Börsenwelt:

«Wenn beispielsweise Pensionskassen das Vorsorgekapital in Aktien anlegen, dann gehen sie davon aus, dass sie damit langfristig einen Gewinn erwirtschaften.»

Gleichzeitig wüssten sie jedoch, dass ihre Anlagen Kursschwankungen unterworfen seien und die Performance kurzfristig auch negativ sein könne. Was allerdings weder Finanzspezialisten noch Klimawissenschaftler und ihre Modelle vorhersagen könnten, sei, wann genau eine kurzfristige Wirtschaftsbaisse oder ein La-Niña-Jahr eintreten würden.

Längere Sonnenzyklen

Der zweite wichtige Grund für die Klimapause ist laut der Studie, dass in den vergangenen Jahren die Sonneneinstrahlung weniger stark war als vorhergesagt. Das hat damit zu tun, dass die bekannten Schwankungen in der Intensität der Sonnenstrahlung derzeit atypisch sind: Während die sogenannten Sonnenfleckenzyklen in der Vergangenheit jeweils 11 Jahre dauerten, dauerte die letzte Periode schwacher Sonnenstrahlung aus unbekannten Gründen 13 Jahre. Ausserdem haben mehrere Vulkanausbrüche wie jener des Eyjafjallajökull in Island 2010 die Konzentration von Schwebeteilchen (Aerosol) in der Atmosphäre erhöht. Dies reduzierte die auf der Erdoberfläche eintreffende Sonnenstrahlung weiter.

Die Wissenschaftler zogen Ihre Schlüsse aus Korrekturberechnungen der Klimamodelle. Sie suchten in allen Klimasimulationen nach Zeiträumen, deren El Niño/La Niña-Muster den Messdaten der Jahre 1997 bis 2012 entsprachen. Eine Kombination von gut 20 so gefundenen Zeiträumen liess sie den Einflusses von El Niño und La Niña realistisch abschätzen. Ausserdem setzten sie in den Modellrechnungen für die Sonnenaktivität und die Aerosolkonzentration in der Erdatmosphäre rückwirkend die tatsächlich gemessenen Werte ein. Auf diese Weise korrigierte Modellrechnungen sind viel näher an den Temperaturmessdaten.

Lückenhafte Messdaten

Die Gründe für die Diskrepanz zwischen Klimamodellen und Messdaten in den letzten 16 Jahren seien allerdings nicht ausschliesslich darin zu suchen, dass die Modelle zu hohe Werte lieferten, sagt Knutti. Kritisch hinterfragen müsse man auch die Interpretation der offiziellen Messdaten. Diese seien wahrscheinlich zu tief. Denn zur Berechnung der globalen Durchschnittstemperatur werden nur Messwerte von Wetterstationen am Boden verwendet, und solche gibt es nicht überall auf der Erde. So wissen Wissenschaftler beispielsweise von Satellitendaten, dass sich die Arktis in den vergangen Jahren besonders stark erwärmte. Weil es dort jedoch keine Wetterstationen gibt, fehlen Messpunkte mit besonders hohen Ausschlägen gegen oben. Die Durchschnittstemperatur wird folglich zu tief angegeben.

Britische und kanadische Forscher schlugen letztes Jahr eine alternative Temperaturkurve vor, in die sie für Regionen ohne Wetterstationen Temperaturschätzungen von Satellitendaten einfliessen liessen und die höhere Werte aufweist. Werden die Modelldaten wie von den ETH-Forschern vorgeschlagen nach unten und die Messdaten wie von den britischen und kanadischen Forschern nach oben korrigiert, stimmen Modell und Beobachtung ausgesprochen gut überein.

Erwärmung wird weitergehen

Für Knutti ist klar: Trotz Klimapause gibt es keinen Anlass, an der bisherigen Berechnungen zur Klimaaktivität von Treibhausgasen und an den neusten Klimamodellen zu zweifeln. «Wir können die kurzfristigen Klimaschwankungen gut erklären. Sie ändern nichts daran, dass sich das Klima langfristig wegen der Treibhausgasemissionen deutlich erwärmen wird», sagt er. Denn sobald sich Sonnenaktivität und Aerosolkonzentration in der Atmosphäre sowie Klimaphänomene wie El Niño wieder natürlicherweise den Werten früherer Jahrzehnte annäherten, werde die Erwärmung weitergehen.

Literaturhinweis

Huber M, Knutti R: Natural variability, radiative forcing and climate response in the recent hiatus reconciled. Nature Geoscience, Online-Veröffentlichung vom 17. August 2014, doi: 10.1038/ngeo2228 [http://dx.doi.org/10.1038/ngeo2228]

https://www.ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2014/08/warum-die-…

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Reto Knutti ETH Zürich

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