Verjüngung und Erosion bei Kratonen erforscht: Die uralten Festlandskerne verändern sich doch

Veränderungsprozesse machen auch vor den ältesten Gesteinen der Erde nicht halt. Galten Kratone einst als uralte, unveränderliche Kernstücke unserer Kontinente, so zeigt sich mittlerweile, dass diese alten Festlandskerne nicht für Zeit und Ewigkeit geschaffen sind, sondern seit ihrer Entstehung vor etwa 2,5 Milliarden Jahren Verjüngung und Erosion erlebt haben und ständig erleben.

„Wir müssen auch unsere Vorstellung, wie Diamanten gebildet wurden, ändern“, sagt Univ.-Prof. Dr. Stephen Foley vom Institut für Geowissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. „Sie sind nicht unbedingt so alt und unvergänglich, wie wir bisher dachten.“ Foleys Arbeit über die Prozesse in der kratonischen Lithosphäre hat das neue Wissenschaftsmagazin Nature Geoscience in seiner aktuellen Ausgabe als Titelgeschichte publiziert.

Kratone sind die alten Kerne unserer Kontinente. Die Zentren der meisten Kratone bildeten sich in der Frühgeschichte der Erde und stabilisierten sich im Laufe der sogenannten Kratonisierung vor etwa 2500 Millionen Jahren. An der Erdoberfläche sehen wir die alte Erdkruste mit Gesteinen aus dieser Entstehungszeit, meist Gneise oder Granite, wie etwa beim Baltischen Schild in Skandinavien. Kratone sind tektonisch inaktiv, das heißt sie werden mit den tektonischen Platten mitgeschleppt, liegen aber meistens fern von Plattengrenzen. Der lithosphärische Mantel unter ihrer Kruste ist extrem dick und reicht an manchen Stellen bis zu 250 Kilometer in die Erde hinein. Kratone haben sehr unterschiedliche Größen und stellen insgesamt etwa 10 bis 20 Prozent der Erdkruste.

Die herkömmliche Sehweise betrachtet die Kratone als unveränderlich: Nach ihrer Entstehung durch geodynamische Prozesse im Archaikum bildeten sie die stabilen Kerne unserer Kontinente und dienen seither nur als unbewegliche Objekte, an die sich im Lauf der Zeit kontinentale Erdkruste anlagerte. So schwimmt ein Kraton an der Erdoberfläche als Teil der lithosphärischen Platte, ist aber von der Öffnung und Schließung der ozeanischen Becken oder vom Rückfluss von Material in den Erdmantel nicht betroffen. Weil ihre Temperatur relativ niedrig ist, verändert sich die Mantellithosphäre der Kratone kaum.

Ähnlich dachte man über Diamanten, sie galten als ebenso unvergänglich. Bis vor kurzem wurde ihr Vorkommen und in der Folge ihre Förderung an das „Kraton-Paradigma“ geknüpft: Diamanten, so die Annahme, bildeten sich fast ausschließlich im Archaikum, wie das Gestein, in dem sie sich finden. „'Diamonds are forever' – das scheint so leider nicht zu stimmen. Wir wissen heute, dass die Diamanten nach und nach an der Unterseite von Kratonen gebildet wurden und nicht unbedingt so alt sind wie die Kratone selbst“, sagt Stephen Foley.

Wissenschaftler können das Alter beziehungsweise den Ursprung der Diamanten anhand der Sulfid- oder Silikat-Einschlüsse in dem Mineral ermitteln, wie etwa bei polykristallinen Diamanten der Venetia-Mine in Südafrika, die von der Mainzer Geochemikerin Dr. Dorrit Jacob datiert wurden. „Diamanten können ganz unterschiedlich alt sein, völlig unabhängig von der Kraton-Bildung.“ Foley vermutet, dass Diamanten tief in der Erde nur durch Oxidation oder Reduktion von Kohlenstoffverbindungen entstanden sind und zu ihrer Bildung keine Temperaturänderung nötig ist, wie bisher angenommen wurde.

Die neuen Erkenntnisse über die allmähliche Entstehung von Diamanten haben zusammen mit anderen Hinweisen auf chemische Veränderungsprozesse in sehr tiefen Gesteinsschichten das alte Bild von den absolut stabilen Kratonen überholt. Viele Kratone erlebten und erleben also auch Phasen der Instabilität – durch Erosion und durch Verjüngung ihrer weit in die Erde hinabreichenden Mantelkeile. Dies erklärt vielleicht auch das Phänomen, weshalb ein bislang kaum untersuchter Kraton in Nordchina überhaupt keinen kalten Mantelkeil, sondern nur die alte Kruste aufweist. Ein Bindeglied für die verschiedenen Befunde könnten sogenannte Redox-Vorgänge sein: Oxidations- oder Reduktionsprozesse, die an der Unterseite der kälteren Gesteinsschicht, am Übergang zur darunterliegenden Schicht aus heißerem Gestein auftreten und Schmelzprozesse zur Folge haben, die wiederum den Abbau oder Umbau einleiten. „Es ist, als ob man mit einem Meisel von unten an den Kratonen arbeitet und dadurch erst ein kleiner, dann ein großer Riss entsteht. Schließlich können dann ganze Stücke abfallen“, so Foley zu den Prozessen, die innerhalb von zehn bis hunderten Millionen von Jahren ablaufen.

Stephen F. Foley: Rejuvenation and erosion of the cratonic lithosphere, Nature Geoscience 1, 503 – 510 (2008), doi:10.1038/ngeo261.

Kontakt und Informationen:
Univ.-Prof. Dr. Stephen Francis Foley
Institut für Geowissenschaften
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Tel. +49 6131 39-22845
Fax +49 6131 39-23070
E-Mail: foley@uni-mainz.de
Weitere Informationen:
http://www.geowiss.uni-mainz.de/
http://www.petrologie.fb09.uni-mainz.de/
http://www.nature.com/ngeo/journal/v1/n8/index.html (Titel)
http://www.nature.com/ngeo/journal/v1/n8/abs/ngeo261.html (Review abstract)

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Petra Giegerich idw

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