Ursprüngliche Dinosaurier-Art in den Anden von Venezuela entdeckt

Eine Aquarell-Rekonstruktion einer Herde des kleinen Vogelbecken-Dinosauriers Laquintasaura venezuelae. Copyright: Mark Witton

Er war ein Pflanzenfresser auf zwei Beinen, hatte die Grösse eines Huhns, lebte in Gruppen und ist mit 202 Millionen Jahren einer der ältesten bisher entdeckten Dinosaurier der Gruppe der Vogelbecken-Dinosaurier (Ornithischia):

Diese bisher nicht bekannte Art mit dem klingenden Namen Laquintasaura venezuelae wurde von Prof. Marcelo Sánchez, Professor für Paläontologie der Universität Zürich im Andengebirge Venezuelas in Südamerika entdeckt. Zusammen mit Paul Barrett vom Natural History Museum in London und internationalen Forscherkollegen beschreibt der Zürcher Forscher eine Dinosaurier-Art, die in der erdgeschichtlichen Übergangszeit von der Trias in den Jura gelebt hat.

«Aus dieser Zeit vor rund 200 Millionen Jahren sind bislang nur einige wenige Dinosaurier-Arten bekannt. Der Fund mit diesem frühen Zeitfenster ermöglicht es, neue Erkenntnisse über die Evolution und Ausbreitung der ausgestorbenen Reptilien zu gewinnen», sagt Sánchez. Die Dinosaurier-Art ist nun in den «Proceedings of the Royal Society B» beschrieben.

Vor über 200 Millionen Jahren in den Anden

Die neu beschriebene Dinosaurier-Art Laquintasaura venezuelae wird zu den sogenannten Ornithischia gezählt, während etwa der bekannte Tyrannosaurus rex und die gigantischen Sauropoden mit dem langen Hals zu den Saurischia gehören. Die beiden Ordnungen der Dinosaurier werden aufgrund der Form ihrer Beckenknochen unterschieden; die der Ornithischia gleicht dem Körperaufbau von Vögeln, die der Saurischia dem von Echsen.

T. rex und die Sauropoden haben in jüngeren Zeiten des Mesozoikums bis zum Aussterben ihrer Gruppen am Ende der Kreidezeit vor 65 Millionen Jahren gelebt. Demgegenüber hatte sich Laquintasaura gemäss der geologischen Altersbestimmung von Gesteinen am Fundort der fossilen Knochen bereits vor 201 Millionen Jahre durch die Anden bewegt – gleich am Anfang einer neuen Zeitperiode nach einem grösseren Aussterben.

«Dank ausgefeilter Techniken, mit denen sich radioaktive Strahlung von Kleinstkristallen und damit die Zerfallszeit genau messen lassen, konnten wir die Knochenfunde auf der Zeitachse klar festmachen», erklärt Erstautor Paul Barrett.

«Die Geschichte der Vogelbecken-Saurier ist wegen fehlender Funde bisher noch sehr lückenhaft», so Sánchez. Für ein umfassenderes Verständnis der Phylogenese dieser Saurier-Gruppe spiele diese frühe Art deshalb eine Schlüsselrolle.

Erste Art in den Tropen Südamerikas

Aussergewöhnlich ist aber nicht nur das Alter des ausgestorbenen pflanzenfressenden Reptils, sondern auch sein Lebensraum: Die Paläontologen gingen bislang davon aus, dass die tropischen Breiten insbesondere Südamerikas für die Dinosaurier zu unwirtlich waren und deshalb nicht von diesen bewohnt wurden; bisher fand man im nördlichen Teil des Kontinents keine Fossilien.

«Nun offenbart sich gerade der tropische Gürtel als der Ort, an dem sich einer der ältesten bekannten Vogelbecken-Dinosaurier entwickelt hatte», stellt der Zürcher Paläontologe fest. Grund für diesen bis heute weissen Fleck auf der paläogeographischen Landkarte sei womöglich auch die fehlende Tradition paläontologischer Tätigkeiten in den tropischen Ländern gewesen, vermutet Sánchez. Aufgrund seiner Entdeckungen rechnet er nun mit mehr Funden in der kommenden Zeit.

Der Beweis für soziales Verhalten

Das fossile Lager mit hunderten von Knochenelementen in Venezuela förderte eine weitere Besonderheit zutage: Die Wissenschaftler konnten nämlich Knochen von mindestens vier Individuen von Laquintasaura venezuelae identifizieren. «Ein Beweis dafür, dass diese frühe Dinosaurier miteinander gelebt haben», so Sánchez. Das Leben in der Gruppe ist von jüngeren Dinosaurierarten bekannt, unklar blieb bisher, wann das Sozialverhalten in der Evolution der Dinosaurier erstmals auftauchte. «Nun können wir das früheste Sozialverhaltens der Vogelbecken-Dinosaurier belegen», erklärt der Paläontologe.

Literatur:
Paul M. Barrett, Richard J. Butler, Roland Mundil, Torsten M. Scheyer, Randall B. Irmis and Marcelo R. Sánchez-Villagra. A Palaeoequatorial Ornithischian and New Constraints on Early Dinosaur Diversification. Proceedings of the Royal Society B, August 2014. http://dx.doi.org/10.1098/rspb.2014.1147

Kontakt:
Prof. Dr. Marcelo R. Sánchez-Villagra
Paläontologisches Institut und Museum
Universität Zürich
Tel. +41 44 634 23 42
E-Mail: m.sanchez@pim.uzh.ch

Bettina Jakob
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