Stratosphärenwetter – alles andere als abgehoben

Meteorologen des GEOMAR | Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel zeigen in einer neuen Studie, dass diese Erwärmung signifikant mit Wettererscheinungen in der Troposphäre zusammenhängt. Die Ergebnisse helfen, Wetter- und Klimamodelle weiter zu verbessern.

Hoch- und Tiefdruckgebiete, Kalt- und Warmfronten, Stürme und Niederschläge – in der unteren Atmosphäre, der Troposphäre, geht es turbulent zu. Lange nahmen Wissenschaftler an, dass die darüber liegende Stratosphäre (ca. 15-50 km Höhe) nur wenig Einfluss auf unser Wetter hat. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts beobachteten Forscher, dass dort rasche und sehr starke Schwankungen auftreten. Eines dieser Phänomene ist die sogenannte große plötzliche Stratosphären-Erwärmung (“major Sudden Stratospheric Warming“, major SSW), die der Berliner Meteorologe Prof. Dr. Richard Scherhag am 23. Februar 1952 zuerst über Berlin-Tempelhof entdeckte („das Berliner Phänomen“).

Üblicherweise bildet sich in den Wintermonaten über dem jeweiligen Pol in der Stratosphäre ein riesiger Tiefdruckwirbel, in dem Temperaturen von minus 80 bis 90 Grad Celsius herrschen. Etwa alle zwei Jahre erwärmt sich die Stratosphäre über der Winterhalbkugel jedoch innerhalb weniger Tage um bis zu 30 bis 50 Grad. In Extremfällen bricht daraufhin der Tief-druckwirbel zusammen und die sonst vorherrschenden Westwinde springen auf Ostwinde um, was zu einer intensiveren Durchmischung führt. Es konnte bereit nachgewiesen werden, dass solche Ereignisse in der Stratosphäre auch Einfluss auf die Troposphäre und damit auf das Wettergeschehen insbesondere im Winter und Frühjahr haben.

So können Winter in Mitteleuropa nach einer solchen Stratosphärenerwärmung besonders frostig werden, wie beispielsweise der Winter 2010/11. Jetzt haben Meteorologen des GEOMAR | Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel alle seit 1957 beobachteten Stratosphärenerwärmungen dieser Art ausgewertet und die Daten mit Rechnungen mit einem gekoppelten Ozean-Atmosphärenmodell des Max-Planck-Institutes für Meteorologie verglichen. „Wir wollten vor allem herausfinden, welche Atmosphärenbedingungen jeweils vor einem major SSW geherrscht haben, um so die notwendigen Voraussetzungen für dieses Phänomen statistisch auswerten zu können“, sagt Dr. Kirstin Krüger vom GEOMAR, eine der Autorinnen der Studie, die jetzt in der internationalen Fachzeitschrift „Journal of Geophysical Re-serach“ (JGR) erschienen ist.

In ihrer Studie konnten die Wissenschaftler zeigen, dass große plötzliche Stratosphärenerwär-mungen nicht nur die beschriebenen Auswirkungen auf die darunter liegende Troposphäre haben, sondern dass umgekehrt auch bestimmte Vorbedingungen in der Troposphäre die Entstehung der major SSW begünstigen. „Unsere Analysen der Beobachtungs- und Modelldaten deuten darauf hin, dass stabile Hochdruckbedingungen in der Troposphäre die Entstehung von major SSW begünstigen“, erklärt Severin Bancalá, Doktorand in der Arbeitsgruppe „Ozean-Mittlere Atmosphäre Wechselwirkungen“ am GEOMAR.

Ihre Ergebnisse, die Bancalá und Dr. Krüger kürzlich auf dem internationalen SSW-Workshop im japanischen Kyoto vorstellten, der genau 60 Jahre nach Entdeckung des „Berliner Phänomens“ stattfand, stießen dort auf großes Interesse. „Mit unseren Analysen, die ja auf realen Messergebnissen der vergangenen 45 Jahre beruhen, können nun bestehende Klimamodelle auf ihre Genauigkeit hin kontrolliert und gegebenenfalls verbessert werden“, erklärt Bancalá. Und Dr. Krüger ergänzt: „Je mehr Klimawissenschaftler und auch Wetterdienste sich mit den Vorgängen in der Stratosphäre beschäftigen, desto deutlicher wird, dass die Wechselwirkungen zwischen Stratosphäre und Troposphäre bisher unterschätzt wurden. Gerade wenn wir die zukünftige Entwicklung von Klimaveränderungen oder auch der Ozonschicht in der Stratosphäre realistisch simulieren wollen, müssen wir dieses komplexe Wechselspiel berücksichtigen.“

Originalarbeit
Bancalá, S., K. Krüger, and M. Giorgetta, 2012: The preconditioning of major sudden stratospheric warmings. Journal of Geophysical Research, 117, http://dx.doi.org/10.1029/2011JD016769

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Andreas Villwock idw

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