Schönheiten in der Dunkelheit

Kaltwasserkorallen wie Lophelia pertusa bilden an den europäischen Kontinentalhängen von Nordnorwegen bis vor die Küste Westafrikas gewaltige Riffe. Ihre Erforschung steht jedoch noch am Anfang. Foto: Jago-Team, IFM-GEOMAR<br>

Meeresforscher des Kieler Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) wollen auf einer heute (31. Mai) beginnenden Expedition mit dem deutschen Forschungsschiff METEOR die bisher nur wenig bekannten Kaltwasserkorallenriffe im Golf von Biskaya untersuchen. Die empfindlichen Tiefseehabitate, die Heimat vieler mariner Organismen sind, stehen durch menschliche Einflüsse wie Klimaänderungen und Fischerei erheblich unter Druck.

Die vermutlich größten Korallenriffe der Erde erstrecken sich nicht vor Australien oder im Roten Meer, sondern zwischen Nordnorwegen und Mauretanien. Am europäischen und afrikanischen Kontinentalhang wachsen in mehreren hundert Metern Tiefe große Kolonien von sogenannten Kaltwasserkorallen. Im Gegensatz zu den bekannteren tropischen Korallen benötigen sie kein Licht für ihr Wachstum. Da sie in großen Tiefen leben, waren sie lange unbekannt.

Die systematische Erforschung der Kaltwasserkorallen begann erst Ende des 20. Jahrhunderts. Viele Fragen sind noch ungeklärt, zum Beispiel welche Umweltbedingungen ihr Vorkommen begünstigen, welche sie schädigen oder wie sie sich genau verbreiten. Die aktuelle Fahrt des deutschen Forschungsschiffs METEOR unter der Leitung des Paläo-Ozeanographen Dr. Sascha Flögel vom Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) soll helfen, einige dieser Fragen zu beantworten.

Die METEOR startet heute (31. Mai) vom spanischen Hafen Vigo und läuft mehrere Arbeitsgebiete entlang des europäischen Kontinentalhangs in der Biskaya an. Die Wissenschaftler an Bord werden dort die Verteilung und das Vorkommen lebender und fossiler Kaltwasserkorallen dokumentieren. Außerdem untersuchen sie die Bedingungen, unter denen die Korallen dort leben. Dabei setzen die Forscher unter anderem autonome Unterwasserlabore, sogenannte Lander, sowie ozeanographische Messsonden ein, um die physikalischen und chemischen Eigenschaften des Meerwassers rund um die Kaltwasserkorallen-Kolonien zu bestimmen. „Daten früherer Expeditionen zeigen, dass Kaltwasserkorallen unter sehr unterschiedlichen Bedingungen gedeihen können“, sagt Flögel, „wir wollen jetzt herausfinden, welche Faktoren für ihr Vorkommen in diesem Seegebiet bestimmend sind und mit anderen Vorkommen vergleichen.“

In einem zweiten Schwerpunkt der Expedition wollen Paläo-Ozeanographen untersuchen, wie sich die Wassermassen an der Grenze zwischen den flachen Schelfgebieten und den atlantischen Tiefseebecken vermischen und welche Prozesse dabei ablaufen. „Das ist im Arbeitsgebiet besonders interessant, weil dort das aus dem Mittelmeer ausströmende Wasser von Gibraltar Richtung Norden fließt“, sagt Flögel. Mit präzisen Isotopenmessungen wollen die Wissenschaftler nicht nur den aktuellen Weg des Wassers nachverfolgen, sondern auch die Veränderungen der Meeresströmung in den vergangenen 2000 Jahren rekonstruieren. „Diese Daten sagen uns auch etwas über die Lebensbedingungen fossiler Kaltwasserkorallen“, so Flögel.

Die Forschungsreise endet am 21. Juni in Brest, Frankreich.

Expedition auf einen Blick:
METEOR-Expedition 84/5
Forschungsthema: Kaltwasserkorallen und Vermischungsprozesse am Kontinentalhang in der Biskaya
Wissenschaftlicher Fahrtleiter: Dr. Sascha Flögel (IFM-GEOMAR)
Start: 31. Mai 2011, Vigo (Spanien)
Ende: 21. Juni 2011, Brest (Frankreich)

Media Contact

Andreas Villwock Leibniz-Institut

Weitere Informationen:

http://www.ifm-geomar.de/

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