Die neue Weltordnung der Tiere: Wallace-Karte nach fast 150 Jahren aktualisiert

Moderne Weltkarte der Wirbeltier-Regionen. Ähnlich gefärbte Regionen beherbergen ähnliche Tierarten, je unterschiedlicher die Farben, desto mehr unterscheiden sich auch die Tierarten voneinander.<br>© Journal Science / AAAS<br>

Damit aktualisieren sie die alte zoogeographische Karte, mit der Alfred Russell Wallace 1876 die Welt in sechs Regionen aufteilte, und auf der bis heute unser Verständnis der globalen Tierwelt basiert: Die online in Science Express publizierte Karte liefert grundlegende Informationen über die Vielfalt des Lebens auf unserem Planeten und ist von enormer Bedeutung für zukünftige Biodiversitätsforschung.

Für das Verständnis des Lebens auf der Erde müssen wir wissen, warum Arten so auf der Erde verteilt sind, wie das heute der Fall ist. Die von einem internationalen Wissenschaftlerteam entwickelte neue Weltkarte teilt die Natur von der Neoarktis bis nach Australien in elf zoogeographische Regionen ein. Sie zeigt auch, wie diese Regionen aufgrund evolutionär bedingter Verwandtschaftsverhältnisse zueinander in Beziehung stehen.

Zum ersten Mal werden geographische Verbreitungsdaten von mehr als 20.000 Arten kombiniert, und zwar für fast alle bekannten Säugetiere, Vögel und Amphibien. Die Studie wurde federführend von einem Team des Center for Macroecology, Evolution and Climate (CMEC) an der Universität Kopenhagen erstellt. Beteiligt waren fünfzehn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus mehreren Ländern, darunter Dr. Susanne Fritz vom Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt. Für die Studie wurden über 20 Jahre hinweg Daten erhoben und ausgewertet.

Den ersten Anlauf, die natürliche Welt aus evolutionsbiologischer Sicht zu beschreiben, unternahm 1876 der britische Naturforscher Alfred Russel Wallace (1823 bis 1913). Er hatte zur gleichen Zeit wie Charles Darwin (1809 bis 1882) die Theorie der natürlichen Auslese entdeckt. Die aktuelle Studie ist ein lange überfälliges Update einer der grundlegenden Karten der Naturwissenschaften.

„Fast 140 Jahre nach Wallace’ Version sind wir nun in der Lage, dank äußerst detaillierter Informationen zu Tausenden von Wirbeltierarten die natürliche Welt umfassend zu beschreiben“, so Dr. Ben Holt vom CMEC, einer der Leitautoren der Studie. Susanne Fritz, die 2011 vom CMEC ans Biodiversität und Klima Forschungszentrum kam, betont, dass die neue Einteilung ein wachsendes Verständnis der globalen Zusammenhänge belegt: „Seit der Wallace-Karte wurden Tausende neue Arten entdeckt, die jetzt einbezogen werden konnten.“

Ermöglicht wird die neue Karte durch die moderne Technologie der DNA-Sequenzierung. Eingang fanden auch Hunderttausende Datensätze zu den Vorkommen von Säugetieren, Vögeln und Amphibien auf der ganzen Welt. Die neue Weltkarte kann für jede Tierklasse in fein gegliederte geografische Zonen unterteilt werden. Sie wird zur freien Nutzung zur Verfügung gestellt und soll nicht nur die gesamte biologische Grundlagenforschung voranbringen, sondern auch neue Ansätze für die Planung von Naturschutzmaßnahmen und für das Management der biologischen Vielfalt liefern.

„Die Karte liefert grundlegende Informationen für zukünftige ökologische und evolutionäre Forschung. Von großer Bedeutung ist sie auch für die Frage, wie Natur künftig bewahrt werden soll, angesichts des globalen Wandels und der schon spürbaren Biodiversitätskrise. Während die Planung von Schutzgebieten bisher vorrangig nach dem Kriterium erfolgte, welche Arten an einem bestimmten Ort vorkamen, können wir jetzt neue Prioritätskriterien definieren. Diese beruhen dann auf der Millionen Jahre währenden Evolutionsgeschichte“, so Dr. Jean-Philippe Lessard, der zweite Kopenhagener Leitautor der Studie, der derzeit an der kanadischen McGill University forscht.

Anwendung findet die neue Einteilung in der Biogeographie, in der Ökologie und Evolutionsforschung. Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese, Direktorin des Biodiversität und Klima Forschungszentrums, unterstreicht die Bedeutung der aktualisierten Wallace-Karte: „Gerade für den Naturschutz ist die neue Weltkarte von großer Bedeutung: Es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass die Verwandtschaftsbeziehungen der Arten zwingend in die Naturschutzplanung einbezogen werden müssen. Es macht einen Unterschied, ob eine Art unter vielen ähnlichen, nahe verwandten Arten ausstirbt, oder ob die Art der einzige und letzte Vertreter einer lange isolierten Stammeslinie ist.“ Ein Beispiel hierfür ist das auf der neuen Karte als eigene zoogeographische Region verzeichnete Madagaskar: Auf der Insel vor der Ostküste Mosambiks im Indischen Ozean leben zahlreiche verwandtschaftlich isolierte, einzigartige Wirbeltiergruppen, wie zum Beispiel das Fingertier. Dies wird in globalen Naturschutzinitiativen noch nicht hinreichend berücksichtigt.

Publikation:
Ben G. Holt, Jean-Philippe Lessard, Michael K. Borregaard, Susanne A. Fritz, Miguel B. Araújo, Dimitar Dimitrov, Pierre-Henri Fabre, Catherine H. Graham, Gary R. Graves, Knud A. Jønsson, David Nogués-Bravo, Zhiheng Wang, Robert J. Whittaker, Jon Fjeldså, Carsten Rahbek: An update of Wallace's zoogeographic regions of the world. – Science Express, 20.12.2012
Link zur englischen Pressemitteilung des Center for Macroecology, Evolution and Climate (CMEC) an der Universität Kopenhagen:

www.bik-f.de/files/press/press_wallace_english_final.pdf

Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte:

Dr. Susanne Fritz
LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F)
Tel. +49 (0)69 7542 1803
Susanne.fritz@senckenberg.de
oder
Dr. Julia Krohmer
LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F),
Transferstelle
Tel. +49 (0)69 7542 1837
julia.krohmer@senckenberg.de
LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum, Frankfurt am Main
Mit dem Ziel, anhand eines breit angelegten Methodenspektrums die komplexen Wechselwirkungen von Biodiversität und Klima zu entschlüsseln, wird das Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK‐F) seit 2008 im Rahmen der hessischen Landes‐Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich ökonomischer Exzellenz (LOEWE) gefördert. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und die Goethe Universität Frankfurt sowie weitere direkt eingebundene Partner kooperieren eng mit regionalen, nationalen und internationalen Institutionen aus Wissenschaft, Ressourcen‐ und Umweltmanagement, um Projektionen für die Zukunft zu entwickeln und wissenschaftlich gesicherte Empfehlungen für ein nachhaltiges Handeln zu geben.

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Dr. Julia Krohmer Senckenberg

Weitere Informationen:

http://www.bik‐f.de

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