Das Leben ist auf dem Festland entstanden

Dampfquellen auf einem geothermalem Feld des Mutnovski-Vulkans auf der Kamchatka-Halbinsel (Russland). Foto: Dr. Anna. S. Karyagina<br>

»Damit wird die bislang weithin verbreitete Ansicht widerlegt, das Leben sei im Ozean entstanden«, fasst der Osnabrücker Wissenschaftler eine Studie zusammen, die gestern (13.2.) in der international renommierten Zeitschrift »Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA« erschienen ist. Der Artikel ist auf der Webseite der Zeitschrift (http://www.pnas.org/) frei zugänglich.

Die Studie »Origin of first cells at terrestrial, anoxic geothermal fields«, die der Osnabrücker Wissenschaftler und seine Doktorandin Daria Dibrova zusammen mit dem Geochemiker Dr. Andrew Bychkov von der Lomonossov-Universitat Moskau und den Genomik-Experten Dr. Michael Galperin und Dr. Eugene Koonin vom National Center for Biotechnology Information, National Institutes of Health (Vereinigte Staaten) erarbeitet hat, kombiniert Ansätze und Methoden der Biophysik und Bioinformatik mit der geochemischen Analyse von thermalen Dampfquellen auf der russischen Kamtschatka-Halbinsel, um die Umstände des Ursprungs der ersten Lebewesen zu klären.
Die heutige Wissenschaft lässt kein Zweifel daran, dass alle zellulären Organismen einen gemeinsamen Ursprung haben. Die neue Disziplin »Vergleichende Genomik« (Comparative Genomics), die von Eugene Koonin und Michael Galperin mitentwickelt wurde, analysiert ganze Genome und nicht nur einzelne Gene. »Der Vergleich von Hunderten bereits entschlüsselter Genome hat einen Satz von ca. 60 essentiellen Genen aufgedeckt, die in allen zellulären Organismen vorhanden sind«, so der Osnabrücker Biophysiker. »Diese Gene waren definitiv Bestandteil des Genoms des letzten gemeinsamen Vorfahren von allem zellulären Leben.«

Mulkidjanian und seine Kollegen haben nun geprüft, welche anorganischen Ionen für die durch die allgegenwärtigen Gene kodierten Proteine, die in den ersten Zellen mit Sicherheit anwesend waren, funktionell oder strukturell wichtig sind. Kalium ist funktionell wichtig für mehrere dieser Proteine, während Natrium von keinem dieser Proteine benötigt wird. Mehrere ubiquitäre Proteine binden auch Phosphat-Ionen und die Übergangsmetalle Zink und Mangan. Diese Ergebnisse stimmen mit der Tatsache überein, dass alle Zellen mehr Kalium als Natrium enthalten. Es ist auch bekannt, dass nicht die absolute Menge an Kalium und Natrium für das Funktionieren einer Zelle wichtig ist, sondern deren relatives Verhältnis. Die Zellen enthalten sowohl große Mengen von Phosphat als auch von einigen Übergangsmetallen.

Die anorganische Zusammensetzung des Inneren der Zellen (des Zytoplasmas) ist dementsprechend in allen Organismen annähernd ähnlich. Daher repräsentiert diese Ähnlichkeit die »innere« Chemie der ersten Zellen. Da die ersten Zellen mit aller Wahrscheinlichkeit undichte oder sogar durchlässige Zell-Hüllen (Membranen) hatten, reflektiert die anorganische Zusammensetzung der allgegenwärtigen Proteine nicht nur die innere Chemie der ersten Zellen, sondern auch die Geologie der Habitate in denen diese lebten«, erläutert der Osnabrücker Biophysiker.

Die Wissenschaftler analysierten daher geo-chemische Belege zur Rekonstruktion der Mengen der wichtigsten Ionen in urzeitlichen Gewässern auf dem Festland und im Ozean. Die ursprünglichen Zutaten für die Entstehung der ersten Zellen waren nie in der richtigen Zusammensetzung im Ozean vorhanden. Die heutige Geologie geht fest davon aus, dass im Meer von Anfang an Natrium gegenüber Kalium vorherrschte. In Proben von Meerwasser, das in 3,5 Milliarden Jahre alten Gesteinen gefangen war, findet man vierzig Mal mehr Natrium als Kalium, genau wie in modernen Ozeanen. Übergangsmetalle, wie Zink, waren ebenfalls nie in großen Konzentrationen in Ozeanen vorhanden.

»Die Brutstätten der ersten Zellen waren daher aller Wahrscheinlichkeit nach auf dem Land, wo aktive geothermale Prozesse chemisch reiche Gase und Dämpfe aus dem Erdinneren auf das junge Festland beförderten«, erklärt Mulkidjanian. Der Dampf kondensierte zu langlebigen urzeitlichen Seen, die zur chemischen Katalyse fähige Mineralien enthielten. Auf den heutigen geothermalen Feldern, zum Beispiel auf der Kamtschatka-Halbinsel oder im Yellowstone Nationalpark (USA), die als Modelle von urzeitlichen geothermalen Systemen dienen, enthält das Dampfkondensat mehr Kalium als Natrium und erhebliche Mengen an Phosphat und Übergangsmetallen.
Unter der ursprünglich sauerstofffreien Atmosphäre entsprach die chemische Zusammensetzung der mit Dampfkondensat gefüllter Seen, so die Autoren, fast genau der anorganischen Chemie heutiger Zellen. Daher bildeten die ursprünglichen geothermalen Felder, wo ebenfalls Sonnenlicht als Energie-Quelle vorhanden war, den natürlichen Startpunkt für die Evolution der essentiellen biochemischen Prozesse des heutigen Lebens. Das vorgeschlagene Modell hat Ähnlichkeit mit Darwins Idee vom Lebensursprung in einem »kleinen warmen Teich«. Den Autoren nach ist das Leben auf dem Festland entstanden und hat erst nachträglich den Ozean bevölkert.

Die Studie wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, den Deutschen Akademischen Austausch Dienst, die Volkswagen-Stiftung, die Russian Foundation for Basic Research und das Intramural Research Program of the National Library of Medicine at the National Institutes of Health unterstützt.

Weitere Informationen:
Dr. Armen Mulkidjanian, Universität Osnabrück
Fachbereich Physik, Fachgebiet Biophysik
Barbarastraße 7, 49076 Osnabrück
Telefon: +49 541 969 2698
E-Mail: amulkid@uni-osnabrueck.de

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Dr. Utz Lederbogen idw

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