Kühleffekt eindeutig: Windfang am Schweizer Rhône-Gletscher erzeugt Kaltluftpolster

Mit der Errichtung eines Windfangs am Schweizer Rhône-Gletscher lassen sich kalte Fallwinde, die normalerweise ungehindert ins Tal abfließen, bremsen und aufstauen, sodass am Windfang und in seiner näheren Umgebung ein Kaltluftpolster entsteht.

„Wir haben mit unserem Test-Windfang auf dem Rhône-Gletscher eine eindeutige Abkühlung der oberflächennahen Lufttemperatur erreicht, die bis zu drei Grad Celsius betragen hat“, teilte Prof. Dr. Hans-Joachim Fuchs vom Geographischen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz mit. „Wir vermuten auch, dass sich dadurch die Abschmelzrate des Eises bremsen lässt, konnten dies aber aus technischen Gründen nicht eindeutig nachweisen, immerhin aber beobachten.“ Fuchs stellte zusammen mit 27 Geographie-Studierenden am Freitagabend die Ergebnisse einer Projektstudie vor, bei der die Teilnehmer die Auswirkungen des globalen Klimawandels auf den Rhône-Gletscher untersucht und Problemlösungen entwickelt haben.

Die Studentinnen und Studenten hatten dazu im August 2008 bei einem zehntägigen Geländeaufenthalt im Wallis einen Windfang von 15 Meter Länge und drei Meter Höhe errichtet. Während sechs Tagen wurden mit elf digitalen Messstationen insgesamt 95.000 Messwerte genommen, um die Lufttemperatur direkt am Windfang, in seiner unmittelbaren Nähe und in weiterer Entfernung zu ermitteln. Die Datenauswertung zeigte, dass bei wolkenfreiem Himmel und den dann herrschenden Fallwinden der Kühleffekt am größten ist. Die Temperaturen im Windfang lagen nachts um durchschnittlich 1,5 bis 2 Grad tiefer als die Temperaturen außerhalb des Windfangs. Der maximale Temperaturunterschied betrug sogar 3 Grad Celsius. „Je weiter die Stationen vom Windfang entfernt liegen, desto höher war die gemessene Temperatur“, teilte Fuchs mit. „Das ist ein ganz klarer, markanter und vor allem durchgehender Trend, der zeigt, dass das Windfang-Experiment funktioniert hat.“

Selbst an Tagen mit Föhnwetter, gekennzeichnet durch starke Bewölkung und teilweise Regen mit Winden aus Südwest, lagen die Temperaturen während der Nacht im Windfang um 0,8 bis 1 Grad Celsius unter denen außerhalb des Windfangs.

Tagsüber waren die Temperaturen im Windfangbereich zwar generell ebenfalls geringer, aber der Effekt war nicht so eindeutig wie nachts, weil sich andere Einflüsse wie zum Beispiel die direkte Sonneneinstrahlung auf die Messstationen auswirkten. „Die Effektivität des Windfangs wäre sicherlich noch größer ausgefallen, hätten wir eine stabile Hochdruckwetterlage mit stärkeren katabatischen Gletscherwinden gehabt“, merkte Fuchs außerdem an.

Die Messung der Eisoberflächentemperatur mit speziellen Infrarotgeräten hat aus technischen Gründen nicht funktioniert, sodass über die Abkühlung des Gletschereises keine Daten vorliegen. „Wir konnten aber beobachten, dass die Eishärte im Bereich des Windfangs tagsüber etwa gleich blieb, während außerhalb des Windfangs die Eiskristalle an der Oberfläche verschmolzen und die Härte abnahm.“ Weitere Beobachtungen des Projektteams unterstützen die Einschätzung, dass im Bereich des Windfangs die Abschmelzrate vermindert war.

Teil der Projektstudie war auch eine Umfrage unter den Besuchern des Rhône-Gletschers. Zwar ist, so das Fazit, den meisten der 230 Befragten die Klimaveränderung bewusst, aber sie besitzen kein Wissen über ihre möglichen Folgen und Gefahren. Das Team konzipierte vor diesem Hintergrund einen Lehrpfad „Gletscher sehen und verstehen“, der auf einem ein Kilometer langen Fußweg zu einer berühmten Eisgrotte verläuft. Die Grotte wird in den Sommermonaten von bis zu 1500 Touristen täglich besucht. Zudem wurde ein Faltblatt entworfen, das über den Gletscher, seine Veränderung und mögliche Auswirkungen des Klimawandels informiert. Lehrpfad und Faltblatt werden von einem schweizerischen Unternehmen finanziert.

Ein weiteres Teilprojekt ist der Lehrfilm, der von den Studentinnen und Studenten mit einer Profiausrüstung gedreht wurde und der am 6. Februar 2009 der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll.

„Der Test-Windfang ist natürlich viel zu klein für einen Gletscher. Weil er jedoch einen deutlichen Kühleffekt zeigte, ist dies ein Impuls zum Weiterdenken und Verbessern der Konstruktion. Die Studierenden haben hierzu schon Vorschläge unterbreitet.“ Projektleiter Fuchs weist auch darauf hin, dass es sich dabei um Symptombekämpfung handelt und Ursachenbekämpfung nach wie vor „oberste Pflicht“ sei. Der Gletscherrückgang sei jedoch zu rapide, um noch länger zu warten, bis eine globale Einsicht zum Klimaschutz eintritt. „Ein Großteil unserer Trinkwasserreserven ist noch im Gletschereis gebunden – aber wie lange noch?“

Kontakt und Informationen:
Prof. Dr. Hans-Joachim Fuchs
Geographisches Institut
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Tel. +49 6131 39-24491 oder 39-22154
Fax +49 6131 39-24735
E-Mail: hans.fuchs@uni-mainz.de

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