Die komplizierte Geburt eines Vulkans

3D-Darstellung der Marie Byrd Seamounts.<br>Grafik: R. Werner, GEOMAR; Datengrundlage: Smith and Sandwell (1997, Science 277) <br>

Sie sind nur schwer zu erreichen, wissenschaftlich bisher kaum untersucht und ihre Existenz passt nicht in gängige geologische Modelle: Die Marie Byrd-Seamounts vor der Küste der Antarktis gaben Vulkanologen viele Rätsel auf.

In der internationalen Fachzeitschrift „Gondwana Research“ veröffentlichten Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel jetzt mögliche Erklärungen für die Entstehung der einstigen Vulkane und tragen damit zur Entschlüsselung komplexer Vorgänge im Erdinneren bei.

Schneestürme, Packeis und Gletscher – das sind die üblichen Bilder, die man mit der Antarktis verbindet. Doch gleichzeitig ist sie auch eine Region des Feuers. Der antarktische Kontinent und die Gewässer rundherum sind gespickt mit Vulkanen. Darunter sind aktive und auch längst erloschene. Zur letzteren Gruppe gehören die Marie Byrd-Seamounts in der Amundsen-See. Ihre Gipfelplateaus liegen heute in 2.400 bis 1.600 Metern Wassertiefe.

Weil sie mit herkömmlichen Forschungsschiffen nur schwer zu erreichen sind, wurden sie bisher kaum erforscht. Dabei sind die Marie Byrd-Seamounts faszinierende Formationen. Sie passen in keines der bisher üblichen Modelle zur Entstehung von Vulkanen. Jetzt gelang es Geologen des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel anhand von seltenem Probenmaterial eine mögliche Erklärung für die Existenz dieser Unterwasserberge zu finden. Die Studie ist in der internationalen Fachzeitschrift „Gondwana Research“ erschienen.

Klassisch unterscheiden Vulkanologen zwei Arten von Feuerbergen. Die eine Art entsteht dort, wo Erdplatten aneinander stoßen, die Erdkruste also ohnehin rissig ist. Die andere Art bildet sich innerhalb der Erdplatten. „Letztere nennt man Intraplattenvulkane. Sie liegen oft über einem sogenannten Mantelplume. Heißes Material steigt dort aus dem tiefen Erdmantel auf, sammelt sich unter der Erdkruste, bahnt sich einen Weg durch sie hindurch und bildet an der Oberfläche einen Vulkan“, erklärt Dr. Reinhard Werner, einer der Autoren des aktuellen Papers. So sind beispielsweise die Hawaii-Inseln entstanden. Doch für die Marie Byrd-Seamounts passen beide Modelle nicht. „Es gibt keine Plattengrenze in der Nähe und auch keinen Plume im Untergrund“, sagt die Diplom-Geologin Andrea Kipf vom GEOMAR, Erstautorin der Studie.

Um die Herkunft der Marie Byrd Seamounts zu klären, beteiligten sich die Kieler Wissenschafter 2006 an einer Expedition des Forschungseisbrechers POLARSTERN in die Amundsen-See. Dabei bargen sie Gesteinsproben von den Unterwasserbergen, die nach der Rückkehr in den heimatlichen Laboren gründlichen geologischen, vulkanologischen und geochemischen Untersuchungen unterzogen wurden. „Interessanterweise fanden wir dabei chemische Signaturen, die typisch sind für Plumevulkane. Und sie ähnelten denen von Vulkanen in Neuseeland und auf dem antarktischen Kontinent“, erklärt Geochemiker Dr. Folkmar Hauff, Zweitautor der Veröffentlichung.

Ausgehend von diesem Befund suchten die Wissenschaftler nach einer Erklärung. Sie fanden sie in der Geschichte der Erdplatten auf der Südhalbkugel. Vor rund 100 Millionen Jahren lagen im Gebiet der heutigen Antarktis Überreste des einstigen Superkontinents Gondwana. Ein Mantelplume schmolz sich durch diese Kontinentalplatte hindurch und brach sie auf. Zwei neue Kontinente waren geboren: der antarktische und „Zealandia“, von dem heute noch die Inseln Neuseelands zeugen. Als die jungen Kontinente in unterschiedlichen Richtungen vom dem Mantelplume weg drifteten, blieben große Mengen des heißen Plume-Materials an ihren Unterseiten hängen. Diese bildeten Reservoirs für spätere Vulkanausbrüche auf den beiden Kontinenten. „Dieser Prozess erklärt, warum wir Signaturen von Plume-Material an Vulkanen finden, die nicht über Plumes liegen“, sagt Dr. Hauff.

Doch das erklärt noch nicht die Marie Byrd-Seamounts, denn sie liegen nicht auf dem antarktischen Kontinent, sondern auf der benachbarten ozeanischen Erdkruste. „Kontinentale Erdplatten sind aber dicker als die ozeanischen. Das sorgt unter anderem für Temperaturunterschiede im Untergrund“, erklärt der Vulkanologe Dr. Werner. Und wie zwischen unterschiedlich warmen Luftmassen Winde wehen, entstehen auch unter der Erdkruste bei Temperaturunterschieden Bewegungen. So gelangte das Plumematerial, das einst unter dem Kontinent lag, unter die ozeanische Platte. Da diese aufgrund weiterer tektonischer Prozesse gestört war, gab es Risse und Spalten, entlang der das heiße Material aufstieg, sich in Magma verwandelte und vor rund 60 Millionen Jahre die Marie Byrd-Seamounts wachsen ließ. „Dabei entstanden Inseln, die vergleichbar mit den heutigen Kanaren sind“, erklärt Andrea Kipf. „Irgendwann erloschen die Vulkane jedoch wieder, Wind und Wetter erodierten die Kegel bis auf Meeresspiegelniveau, geologische Prozesse ließen die Berge dann noch weiter absinken. Schließlich lagen die Gipfel-Plateaus auf dem Niveau, das wir heute kennen“, erläutert die Doktorandin den letzten Schritt der Entwicklung.

Anhand der vorher kaum untersuchten Marie Byrd-Seamounts konnten die Forscher damit ein weiteres Beispiel dafür zeigen, wie vielfältig und komplex die Prozesse sind, die Vulkanismus verursachen können. „Wir sind noch weit davon entfernt, alle diese Prozesse zu verstehen. Aber mit der aktuellen Studie können wir einen kleinen Baustein zum Gesamtbild beitragen“, betont Dr. Werner.

Originalarbeit:
Kipf, A., F. Hauff R. Werner, K. Gohl, P. van den Bogaard, K. Hoernle, D. Maicher, A. Klügel (2013; in press): Seamounts off the West Antarctic margin: A case for non-hotspot driven intra-plate volcanism. Gondwana Research; http://dx.doi.org/10.1016/j.gr.2013.1006.1013

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Andreas Villwock idw

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