Dem Klimawandel in Patagonien auf der Spur

Ende August 2008 brechen Wissenschaftler des Instituts für Geographie der Universität Bremen zur größten Expedition ihrer bisherigen Laufbahn auf.

Wenn Professor Bernd Zolitschka (Professor für Geomorphologie und Polarforschung) und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Dr. Christian Ohlendorf zusammen mit drei Doktoranden aus Bremen abreisen, warten auf sie bereits 21 Seecontainer mit einer kompletten Bohrplattform sowie umfangreicher wissenschaftlicher Ausrüstung am Ufer des vulkanischen Kratersees „Laguna Potrok Aike“ in Südpatagonien (Argentinien).

Im Rahmen des „Internationalen kontinentalen Tiefbohrprogramms“ (ICDP) ist dieser See weltweit erst der achte, dessen Sedimentfüllung mit dieser Technik erbohrt wird. Das international und interdisziplinär ausgerichtete Projekt PASADO (Potrok Aike Maar Lake Sediment Archive Drilling Project) ist zugleich das erste ICDP-Bohrprojekt in einem See unter deutscher Koordination.

Beteiligt ist ein Team aus deutschen, argentinischen, kanadischen, schwedischen, schweizer und US-amerikanischen Geographen und Geowissenschaftlern. Die Bohrkosten (1,5 Mio. €) sowie die Finanzierung der wissenschaftlichen Bearbeitung (1,7 Mio. €) werden in Deutschland anteilig von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Universität Bremen übernommen. Internationale Geldgeber sind das ICDP mit Sitz am Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam sowie nationale Fördereinrichtungen in Kanada, Schweden und der Schweiz.

Ein Sedimentarchiv in der argentinischen Trockensteppe

Mit der eingesetzten schwimmenden Bohrplattform sollen Sedimentkerne bis zu einer Tiefe von 800 m unter dem Seespiegel und mit einer Gesamtlänge von 1,8 km geborgen werden. Der Maarsee Laguna Potrok Aike ist aufgrund seiner Wassertiefe von 100 m das einzige kontinuierliche Sedimentarchiv in der argentinischen Trockensteppe.

Er ist daher ein besonders gut geeignetes Archiv, das präzise Informationen über die Entwicklung von Umwelt und Klima während der letzten Jahrtausende sowie vulkanologische Daten bereitstellt. Denn erstmals in der Geschichte der Vulkanforschung wird in den Schlot eines jungen wasserbedeckten Maares gebohrt. Übrigens: Maare sind vulkanische Krater die entstehen, wenn glutflüssiges Gestein (Magma) beim Aufstieg zur Erdoberfläche in Kontakt mit Grundwasser gerät. Dabei erfolgen Wasserdampfexplosionen. Sie führen zu Kratern, die nicht nur in Patagonien sondern auch in der Vulkaneifel verbreitet vorkommen.

Klimainformationen von der Südhalbkugel sind für Deutschland von Bedeutung, denn das Klima als globale Erscheinung beeinflusst unser Leben. In Patagonien ist der Klimawandel schon seit Jahrzehnten ein Thema. Während die ersten europäischen Siedler im 19. Jahrhundert in Argentinien auf saftige Wiesen und Hunderte von Seen gestoßen sind, die eine hervorragende Grundlage für die Schafzucht darstellten, änderte sich diese Situation ab Mitte des 20. Jahrhunderts dramatisch: Seen verlandeten und die Trockensteppe dehnte sich aus.

Wie wird sich die Situation in Folge des durch den Menschen beschleunigten Klimawandels verändern? Diese und weitere Fragen werden durch die Sedimentkernanalyse beantwortet. „Für derartig komplexe wissenschaftliche Projekte brauchen wir motivierte und engagierte Nachwuchswissenschaftler, die bereit sind, an vorderster Forschungsfront mitzuarbeiten. Dies ist immer auch mit hohem persönlichem Einsatz verbunden“ erklärt der Quartärforscher Bernd Zolitschka und versteht darunter monatelange Forschungsexpeditionen im Ausland aber auch langwierige Laboranalysen.

Logistischer Kraftakt

Bevor dieses international vernetzte Projekt starten kann, ist zunächst ein logistischer Kraftakt zu meistern. Da es im patagonischen Einsatzgebiet keinerlei Infrastruktur gibt, müssen Übernachtungsmöglichkeiten (Wohncontainer) mit sanitären Einrichtungen sowie eine Küche zur Versorgung von bis zu 34 Wissenschaftlern ebenso wie die Labore aufgebaut werden. Der benötigte Strom wird mit einem Dieselaggregat bzw. einem Windrad vor Ort produziert.

Wasser wird über einen eigens gebohrten 76 m tiefen Brunnen gefördert und die Verbindung zur Außenwelt über eine satellitengestützte Internetverbindung gewährleistet. Insgesamt handelt es sich bei diesem Projekt um eine große wissenschaftliche Herausforderung mit umfassender logistischer Koordination, deren wahre Dimension erst in wenigen Tagen vor Ort sichtbar wird.

Ein Faltblatt mit allgemeinen Informationen zum Projekt ist von der Website http://www.pasado.uni-bremen.de/Files/Flyer(german).pdf herunterladbar. Darüber hinausgehende Informationen können von der Website http://www.pasado.uni-bremen.de abgerufen werden.

Weitere Informationen:

Universität Bremen
Institut für Geographie
Prof. Dr. Bernd Zolitschka
Tel.: 0421-218-2158 (direkt) bzw. 0421-218-2165 (Sekretariat)
Fax: 0421-218-9658
E-Mail: zoli@uni-bremen.de

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