Klimaforschung: Fehler gesucht & gefunden – modernste Messmethode optimiert

GPS-Satelliten eignen sich zur Klimaforschung – wenn man versteht, was mit ihren Signalen in der Atmosphäre passiert. © Wegener Center<br>

In diesem wurde die sogenannte Radio-Okkultations-Methode, die auf Phasenverschiebungen elektromagnetischer GPS-Signale beruht, systematisch auf Fehlerquellen hin untersucht. Eine Wesentliche wurde durch einen Tag-Nacht-Vergleich von Messdaten aus zehn Jahren gefunden. Diese Ergebnisse wurden nun gemeinsam mit einem Korrekturvorschlag veröffentlicht und ermöglichen eine höhere Genauigkeit der als zukünftiger „Goldstandard“ in der Klimaforschung gehandelten Messmethode.

Zuerst funktionierte es für den Mars, dann für andere Planeten – nur auf der Erde dauerte es: die Nutzung der Radio-Okkultation (RO). Dabei handelt es sich um eine Methode, die Auskunft über die Beschaffenheit der Atmosphäre gibt. Sie basiert auf der Phasenverschiebung von Radiosignalen, die durch den Brechungsindex einer Atmosphäre verursacht wird. So wie Wasser den Pfad des Lichtes bricht, wirkt die Atmosphäre auf ein Radiosignal – ein Effekt, der messbar ist und von der Beschaffenheit der Atmosphäre abhängt. Dank zahlreicher GPS-Satelliten steht für die Erde ein umfassendes Messsystem zur Verfügung. Doch vor dessen optimaler Nutzung für die Klimaforschung muss erst eine rigorose Fehleranalyse erfolgen – genau die wurde an der Universität Graz nun durchgeführt.

Unbekannte Atmosphäre

Die Bedeutung seiner Arbeit erläutert Projektleiter Prof. Ulrich Foelsche vom Wegener Center für Klima und Globalen Wandel dabei so: „Obwohl das Klima von der freien Atmosphäre maßgeblich mitbestimmt wird, wissen wir über deren Entwicklung noch zu wenig. RO bietet eine völlig neue Möglichkeit, langfristig und kontinuierlich hochakkurate Daten zu Dichte, Druck, Temperatur und Feuchtigkeit zu sammeln. Doch Fragen zum Vorhandensein systematischer Fehler müssen erst noch geklärt werden. Das tun wir.“

Vor Kurzem gelang es, einen wesentlichen Einfluss festzustellen, der Messdaten verfälscht und auf die Sonnenaktivität zurückzuführen ist. Zum Verständnis dieses Effekts muss berücksichtigt werden, dass GPS-Satelliten in 20.000 km Höhe kreisen. Für RO werden ihre Signale von erdnäheren Satelliten empfangen – und durchwandern dabei sowohl die obere, ionisierte als auch die untere, neutrale Atmosphäre. Für die Klimaforschung sind vor allem die Daten aus der unteren, neutralen Atmosphäre relevant. Tatsächlich wird das Signal aber schon in der höheren Atmosphäre durch ionisierte Partikel beeinflusst – ein Effekt, der bei der Auswertung korrigiert werden muss.

Schattenseite der Sonnenaktivität

Die vor Kurzem publizierten Ergebnisse der Gruppe um Prof. Foelsche belegen nun, dass diese Korrektur nicht so einfach ist, wie bisher angenommen. Bekannt war, dass die Größe der Signalablenkung in der ionisierten Atmosphäre am Tag anders ist als in der Nacht. Die Auswertung von Datenmaterial zweier Satelliten-Missionen (COSMIC, CHAMP) aus zehn Jahren zeigte nun, dass die Größe der Tag-Nacht-Unterschiede variiert. Ursächlich für diese Variationen ist die jeweilige Sonnenaktivität. In Phasen hoher Sonnenaktivität nimmt die Ionisierung der oberen Atmosphäre während des Tages stärker zu als während Phasen geringerer Aktivität – was sich unterschiedlich auf die Ablenkung des Radiosignals auswirkt.

Nach Erkennen dieser Variationen entwarf das Grazer Team eine Formel, die zukünftig eine bessere Korrektur der Messwerte erlaubt – und die im Rahmen von Modellrechnungen ihre Wirksamkeit bereits bewiesen hat. Neben der jeweils aktuellen Sonnenaktivität berücksichtigt diese Formel auch den Breitengrad der Erde, an dem die Messung erfolgt – ein Faktor, der sich ebenfalls auf die Größe der Ionisierung der Atmosphäre auswirkt.

Insgesamt wird mit den Berechnungen in diesem FWF-Projekt dringend notwendige grundlegende Arbeit geleistet. Denn RO bietet die Möglichkeit, umfassende Mengen an Daten über den Zustand der Erdatmosphäre mit bisher unbekannter Genauigkeit zu sammeln – und gerade deswegen ist eine kritische Analyse über mögliche Fehlerquellen wichtig.

Originalpublikation: J. Danzer, B. Scherllin-Pirscher and U. Foelsche. Systematic residual ionospheric errors in radio occultation data and a potential way to minimize them. Atmos. Meas. Tech. Discuss., 6, 1979 – 2008, 2013

Wissenschaftlicher Kontakt
Prof. Ulrich Foelsche
Universität Graz
Institut für Physik
Bereich Geophysik, Astrophysik und Meteorologie
Universitätsplatz 5
8010 Graz
Wegener Center für Klima und Globalen Wandel
T +43 / 316 / 380 – 8590 oder 8433
E ulrich.foelsche@uni-graz.at
Der Wissenschaftsfonds FWF
Mag. Stefan Bernhardt
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