Karnivore Pflanzen aus dem Baltischen Bernsteinwald

Fossile Klebfalle einer fleischfressenden Pflanze aus Baltischen Bernstein. Foto: PNAS und Universität Göttingen/Alexander Schmidt

Ein Forscherteam der Universitäten Göttingen, Bielefeld und der Botanischen Staatssammlung München hat die weltweit ersten fossilen Klebfallen einer fleischfressenden (karnivoren) Pflanze entdeckt.

Dabei handelt es sich um zwei mit Drüsen bedeckte Blättchen, die in einem Stück Baltischen Bernsteins eingeschlossen sind. Sie stammen aus einem Tagebau bei Kaliningrad in Russland und sind etwa 35 bis 47 Millionen Jahre alt. Bisher beschränkte sich der fossile Nachweis karnivorer Pflanzen auf Samen und Pollen von Sonnentaugewächsen. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA (PNAS) erschienen.

Baltischer Bernstein gehört zu den weltweit größten Bernsteinlagerstätten und enthält neben vielen tierischen Einschlüssen auch pflanzliche Fossilien. Diese aus der Epoche des Eozän stammenden Pflanzenfossilien untersucht die Doktorandin Eva-Maria Sadowski von der Abteilung Geobiologie der Universität Göttingen, um die Flora der damaligen Zeit zu rekonstruieren. Dabei entdeckte sie zwei karnivore Pflanzenblättchen. „Auffällig sind die mehrzelligen Drüsen mit langem Stiel, die sogenannten Tentakeln, die die Blattunterseite und die Blattränder der Fossilien bedecken“, erläutert Eva-Maria Sadowski.

Diese Tentakeln und weitere morphologische Details entsprechen den Klebfallen der fleischfressenden Taupflanze Roridula, die heute nur an wenigen Stellen in Südafrika vorkommt. Die hohe Effektivität der Klebfallen von Roridula geht auf die unterschiedlichen Längen ihrer Tentakeln zurück, die sich in Größenklassen aufteilen lassen. Diese Größenklassen konnten auch bei den fossilen Blättchen nachgewiesen werden. Darüber hinaus deuten die Gestalt ihrer Drüsenköpfchen sowie daran klebende Partikel auf eine Klebfalle hin.

Die fossilen Klebfallen geben einen Einblick in die evolutionäre Geschichte karnivorer Pflanzen. Ursprünglich wurde angenommen, dass die Vorfahren von Roridula vor etwa 90 Millionen Jahren auf dem afrikanischen Kontinent entstanden sind und sich dort durch das Auseinanderbrechen des südlichen Großkontinents isoliert entwickelten.

„Durch den neuen Fossilfund konnten wir nachweisen, dass die Vorfahren heutiger Roridula-Pflanzen noch bis vor 35 Millionen Jahren auf der Nordhemisphäre vorkamen und nicht auf Südafrika beschränkt waren“, so der Göttinger Paläontologe und Leiter der Studie Prof. Dr. Alexander Schmidt. Roridula gehört zur Familie der Roridulaceae und ist mit den fleischfressenden amerikanischen Schlauchpflanzen, den Sarraceniaceae, verwandt.

„Unsere Ergebnisse schließen nicht nur eine Kenntnislücke über die historische Verbreitung der Roridulaceae, sondern bestätigen auch molekulare Datierungen, nach denen die Roridulaceae seit 38 Millionen Jahren als eigenständige Pflanzenfamilie existieren“, berichtet Dr. Andreas Fleischmann von der Botanischen Staatssammlung München.

Originalveröffentlichung: Eva-Maria Sadowski et al. Carnivorous leaves from Baltic amber. Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA. Doi: 10.1073/pnas.1414777111.

Kontaktadresse:
Prof. Dr. Alexander Schmidt
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Geowissenschaften und Geographie
Abteilung Geobiologie
Goldschmidtstraße 3, 37077 Göttingen, Telefon (0551) 39-7957
E-Mail: alexander.schmidt@geo.uni-goettingen.de
Internet: http://www.uni-goettingen.de/de/96613.html 

Media Contact

Thomas Richter Georg-August-Universität Göttingen

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften

Die Geowissenschaften befassen sich grundlegend mit der Erde und spielen eine tragende Rolle für die Energieversorgung wie die allg. Rohstoffversorgung.

Zu den Geowissenschaften gesellen sich Fächer wie Geologie, Geographie, Geoinformatik, Paläontologie, Mineralogie, Petrographie, Kristallographie, Geophysik, Geodäsie, Glaziologie, Kartographie, Photogrammetrie, Meteorologie und Seismologie, Frühwarnsysteme, Erdbebenforschung und Polarforschung.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Nanofasern-befreien Wasser von gefährlichen Farbstoffen

Farbstoffe, wie sie zum Beispiel in der Textilindustrie verwendet werden, sind ein großes Umweltproblem. An der TU Wien entwickelte man nun effiziente Filter dafür – mit Hilfe von Zellulose-Abfällen. Abfall…

Entscheidender Durchbruch für die Batterieproduktion

Energie speichern und nutzen mit innovativen Schwefelkathoden. HU-Forschungsteam entwickelt Grundlagen für nachhaltige Batterietechnologie. Elektromobilität und portable elektronische Geräte wie Laptop und Handy sind ohne die Verwendung von Lithium-Ionen-Batterien undenkbar. Das…

Wenn Immunzellen den Körper bewegungsunfähig machen

Weltweit erste Therapie der systemischen Sklerose mit einer onkologischen Immuntherapie am LMU Klinikum München. Es ist ein durchaus spektakulärer Fall: Nach einem mehrwöchigen Behandlungszyklus mit einem immuntherapeutischen Krebsmedikament hat ein…

Partner & Förderer