Intelligenter Daten-Dolmetscher

Zum abrufen und analysieren besonders umfangreicher Geodaten publizierte das internationale Standardisierungsgremium Open GeoSpatial Consortium (OGC) jetzt den Datendienst „Web Coverage Processing Service“ (WCPS) als weltweiten Standard.

WCPS definiert eine Computersprache, mit der erstmals Sensor-, Bild- und Statistikdaten format- und programmunabhängig von Online-Geodatenservern abgerufen werden können. Dabei ermöglicht WCPS schon bei der Anfrage eine Selektion, Verknüpfung und Direktanalyse der Daten. Entwickler des intelligenten Geodienstes ist Peter Baumann, Professor of Computer Science an der Jacobs University.

Weltweit gewinnen Forschungseinrichtungen, staatliche Institutionen und Unternehmen jährlich viele Millionen Gigabyte an Georasterdaten – Messungen und Informationen, die einem bestimmten geografischen und zeitlichen Raster zugeordnet sind, vergleichbar den Bildpunkten auf einem Bildschirm. Dies können Zeitreihen von Satellitenbildern sein, von denen ein einziges bereits mehrere Gigabyte umfassen kann, CO2- und andere klimarelevante Messreihen für ein bestimmtes Gebiet oder auch Statistiken, die auf geo-ökonomischen und geo-sozialen Erhebungen basieren.

Trotz zunehmend offenem Datenzugang durch Internet-basierte Dienste ist die institutions- und länderübergreifende Auswertung solcher Geo- und Umweltdaten problematisch: Nicht nur die riesigen und stetig wachsenden Datenmengen, sondern auch die Verwendung unterschiedlichster Datenformate und Bereitstellungsprogramme machen den Einsatz von Spezialisten notwendig und sind zeit- und kostenintensiv.

Die schnelle, flexible und übergreifende Geodatenauswertung ist für viele wichtige Anwendungsbereiche jedoch essenziell. Im Katastrophenschutz beispielsweise müssen verschiedenste Datenquellen schnellstmöglich verfügbar sein und miteinander verknüpft werden, und dies bedarfsgerecht für unterschiedliche Nutzergruppen: für die Hilfskräfte vor Ort, für die Einsatzleitstellen und für die Öffentlichkeit. Aber auch im wissenschaftlichen Alltag müssen Forscher auf die Daten von Kollegen zugreifen, um sie mit ihren eigenen Daten zu verknüpfen und entsprechend der eigenen Fragestellungen auszuwerten.

Der im Dezember 2008 vom Open Geospatial Consortium (OGC) verabschiedete und jetzt publizierte Standard „Web Coverage Processing Service“ (WCPS) soll nun speziell Rasterdaten („Coverages“) besser allgemeinzugänglich und quellenunabhängig miteinander verknüpfbar machen. WCPS legt eine Computersprache fest, in der detaillierte Anweisungen zur Auswahl und Verarbeitung von Rasterdaten an einen Server geschickt und die Resultate abgeholt werden können. „Für die Abfrage von Georasterdaten ist die Standardisierung von WCPS vergleichbar mit der Einführung des bekannten Internet-Standards „HTTP“, dem „Hypertext Transfer Protocol“ zur normierten Abfrage von Inhalten im Internet: Unabhängig vom Hersteller eines Servers können künftig überall die unterschiedlichsten Rasterdaten so abgerufen werden, wie sie für individuelle Zwecke gerade gebraucht werden“, sagt Prof. Dr. Peter Baumann. Der WCPS-Entwickler und Informatiker lehrt und forscht seit 2004 an der Jacobs University im Bereich Wissens- und Informationsmanagement und ist seit über 15 Jahre auf die Entwicklung und Optimierung von Rasterdiensten spezialisiert.

WCPS erlaubt erstmals Anfragen von beliebiger Komplexität und unabhängig davon, wie viele Dimensionen die Rasterdaten haben: eindimensionale Messreihen, zweidimensionale Satellitenbilder, dreidimensionale Daten aus der Meeresforschung und vierdimensionale Klimadaten. Dabei lassen sich beliebig viele Rasterobjekte gleichzeitig bearbeiten und kombinieren, unabhängig von ihrem Datenvolumen. Diese Volumina sind extrem groß: Eine einzige Klimasimulations-Datenreihe kann bereits Zehntausende von Gigabytes umfassen. Die Auswertung der Anfrage erfolgt auf dem Server und damit direkt an der Datenquelle – dort, wo es am effizientesten ist; zurückgeschickt werden nur die fertigen Analyseergebnisse. „Damit realisieren wir endlich auch für Rasterdaten das seit langem in SQL-Datenbanken für tabellarische Daten erfolgreiche Prinzip des 'what you get is what you need' – der Nutzer erhält nur genau die Daten, die er braucht. Das spart Übertragungszeiten und ist bequemer für den Nutzer“, so der Geodatenexperte Peter Baumann von der Jacobs University.

Das gemeinnützige Open Geospatial Consortium (OGC, http://www.opengeospatial.org) sorgt in Zusammenarbeit mit dem World-Wide Web Consortium (W3C) und anderen Gremien seit 1994 für die Festlegung weltweit gültiger Standards, um auf der Basis von freiwilliger Selbstverpflichtung die Interoperabilität unterschiedlichster Datenverarbeitungssysteme für raumbezogene Informationen zu fördern. Im OGC haben sich derzeit rund 370 Organisationen aus dem Wirtschaft, Wissenschaft, dem öffentlichen Sektor und dem Non-Profit-Bereich zusammengeschlossen, darunter namhafte Unternehmen und Institutionen wie Google, Microsoft, die NASA und Oracle. Die EU hat sich mit der INSPIRE-Initiative verpflichtet, ab 2010 stufenweise eine gemeinsame Geodaten-Infrastruktur auf Basis der OGC-Standards einzuführen.

Fragen zum WCPS-Standard beantwortet:
Prof. Dr. Peter Baumann | Professor of Computer Science
Tel.: 0421 200-3178 | E-Mail: p.baumann@jacobs-university.de

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