Glaziale Eisschmelze beschleunigt

Ursprung des beprobten Sedimentkerns PS1243 in der Norwegischen See (unten) und Übersicht zu Schichten verschiedenen Salzgehalts (oben). Grafik: Henning Bauch, GEOMAR

Warmes Wasser aus tieferen Meeresschichten kann signifikant zum Abschmelzen von polaren Eismassen beitragen. Untersuchungen eines internationalen Forscherteams zeigen, dass veränderte Strömungsverhältnisse vor 30.000 Jahren für einen Temperaturanstieg im Bodenwasser des Nordpolarmeers sorgten und eine Eisschmelze im Nordpolarmeer verursachten. Ihre Ergebnisse schildern die Wissenschaftler jetzt im internationalen Fachmagazin Science.

Eine verstärkte Sonneneinstrahlung und der damit einhergehende Temperaturanstieg in der Atmosphäre werden allgemein als Grund für das Ende der Eiszeiten angesehen. Doch auch wärmeres Wasser aus tieferen Schichten kann signifikante Beiträge zur Eisschmelze liefern.

Die Meeresgeologen Dr. David Thornalley, University College London (UCL), und Dr. Henning Bauch, GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel sowie Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz, haben gemeinsam mit Kollegen aus England, den Vereinigten Staaten, der Schweiz und Australien nachgewiesen, dass sich das Tiefenwasser im Nordpolarmeer während des Höhepunkts der letzten Eiszeit vor etwa 20.000 bis 30.000 Jahren erwärmte.

Der Temperaturanastieg wirkte sich während der nachfolgenden Schmelzphase auch auf den Nordatlantik aus und könnte somit zum Schwinden der Eisbedeckung beigetragen haben, erklären die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe des internationalen Fachmagazins Science.

„Der Blick in die Vergangenheit zeigt uns, dass auch Veränderungen in der Ozeanzirkulation drastische Konsequenzen für das Klima haben können“, urteilt Dr. Bauch. „Gerade in der temperaturempfindlichen Nordpolarregion wirken solche Abweichungen besonders stark auf das natürliche Umweltsystem.“

Für ihre Untersuchungen isolierten die Geologen so genannte Foraminiferen, Einzeller, die ihre Gehäuse größtenteils aus Kalk aufbauen, aus verschiedenen Schichten eines Sedimentkerns vom Boden der Norwegensee. Mit Hilfe der Radiokarbonmethode (14C) bestimmten sie das Alter der winzigen Organismen.

„So konnten wir nachweisen, dass das Wasser der Norwegensee in etwa 3000 Metern Tiefe während der letzten Eiszeit und zu Beginn der globalen Gletscherabschmelzphase zum Teil um viele tausende Jahre älter war, als näher an der Oberfläche“, erklärt Dr. Henning Bauch. „Daraus schließen wir, dass es lange Zeit keinen Austausch zwischen dem alten Bodenwasser und der Atmosphäre gab, und sich das tiefere Wasser erwärmen konnte.“

Eine Linse aus kaltem, süßem Schmelzwasser an der Oberfläche kann den Kontakt wie eine natürliche Barriere verhindert haben. „Dies ist gut vergleichbar mit der heutigen Situation im Arktischen Ozean“, so Dr. Bauch. „Allerdings gibt es dort heute nicht mehr so viele große Eisberge, und diese Wasserschicht ist nur etwa 200 Meter mächtig.

Während der Eiszeit müssen wir jedoch eine Dicke von bis zu 1000 Metern annehmen.“ Weil der Austausch mit der kühleren Luft unterbrochen war, konnten die Wassertemperaturen unterhalb der Süßwasserlinse langsam ansteigen. Auch den Beleg für eine solche Erwärmung lieferten die Foraminiferen: An ihren Schalen wurden spezielle Sauerstoffisotope nachgewiesen, so genannte „clumped isotopes“.

„Die Vermutung, dass sich das Tiefenwasser im Nordpolarmeer während eines Glazial erwärmt hatte, legten bereits frühere Studien nahe. Diese Annahme konnten wir nun durch weitere, unabhängige Methoden untermauern“, sagt Dr. Bauch.

Originalarbeit:
Thornalley, D.J.R., Bauch, H.A., Gebbie, G. Guo, W., Ziegler, M., Bernasconi, S.M., Barker, S., Skinner, L.C., Yu. J. (2015): A warm and poorly ventilated deep Arctic Mediterranean during the last glacial period. Science (online), doi 10.1126/science.aaa9554

http://www.geomar.de Das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
http://www.adwmainz.de Akademie der Wissenschaften und der Literatur
http://www.ucl.ac.uk University College London

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Dr. Andreas Villwock idw - Informationsdienst Wissenschaft

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