Glasmurmeln und Eiswolken am tropischen Himmel

Durch Experimente an der Wolkenkammer AIDA des Karlsruher Instituts für Technologie konnte nun gezeigt werden, dass organische Substanzen die Zahl und Größe der Partikel in den Eiswolken stark verändern.

Dadurch ist der Gehalt an Wasserdampf in der Tropopause, der Schicht zwischen unterer und mittlerer Atmosphäre, erhöht und ermöglicht einen höheren Wassertransport in die mittlere Atmosphäre.

In tropischen Gegenden kann Luft aus der unteren Atmosphäre (Troposphäre) beispielsweise in Gewitterwolken in Höhen bis zu 18 km aufsteigen. Dabei kühlt sich die Luft auf Temperaturen bis etwa -80° C ab. Bei diesen extrem niedrigen Temperaturen bilden sich spezielle Wolken, so genannte Zirren, die nur aus Eiskristallen bestehen. Diese Wolken wirken wie ein Sieb oder eine Kühlfalle für Wasserdampf: Sie trocknen Luft, die in noch größere Höhen (in die Stratosphäre) aufsteigt, sehr stark ab. Dadurch beeinflussen die tropischen Zirren den Wasserkreislauf in der Atmosphäre und das globale Klima.

Für die Bildung der Eiskristalle in Zirren sind mikroskopisch kleine Aerosolpartikel verantwortlich, die beispielsweise in Form von Schwefelsäuretröpfchen überall in den oberen Troposphäre und der unteren Stratosphäre vorkommen. Seit einigen Jahren weiß man, dass viele dieser Aerosolpartikel auch organische Stoffe enthalten oder sogar fast vollständig aus organischen Stoffen bestehen. Es ist bekannt, dass organische Stoffe bei tiefen Temperaturen in einen glasartigen Zustand übergehen. Seit kurzem untersuchen Forscher diesen Prozess auch an Aerosolpartikeln in der Atmosphäre. Über unseren Köpfen schweben also winzig kleine organische „Glasmurmeln“. Bislang ist man davon ausgegangen, dass alle diese Partikel zur Bildung von Eiskristallen beitragen und die Zirren deshalb aus einer relativ großen Zahl kleinerer Eiskristalle bestehen. Die große Partikelzahl wäre als „Trockner“ der aufsteigenden Luft sehr wirksam.

Experimente an der Wolkenkammer AIDA des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben gezeigt, dass solche kalten organischen Gläser gänzlich andere Auswirkungen auf die Zirrenbildung haben als die gleichen Partikel im wärmeren flüssigen Zustand.

„Wenn die Partikel bei tiefen Temperaturen in den glasförmigen Zustand übergehen, sind nur noch wenige in der Lage, Eiskristalle zu bilden“, erläutert Dr. Ottmar Möhler, der das Experiment am Institut für Meteorologie und Klimaforschung des Karlsruher Instituts für Technologie leitet. „Der Wasserdampf kondensiert damit in weit geringerem Maße, bleibt also gasförmig und kann damit leichter in höhere Atmosphärenschichten transportiert werden.“

Für diese Experimente, an denen auch Wissenschaftler von den Universitäten in Leeds und Heidelberg sowie vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen beteiligt waren, wurden Zitronensäurepartikel als Modellsubstanz für organische Partikel in der Atmosphäre verwendet. Bei höheren Temperaturen zeigten diese Partikel das gewohnte Verhalten als aktive Keime für die Bildung von Eiskristallen. Bei Temperaturen unterhalb von -60° C, der Glasbildungstemperatur für Zitronensäure, waren nur noch sehr wenige der Partikel als Eiskeime aktiv.

Die Ergebnisse wurden soeben in Nature Geoscience (DOI: 10.1038/NGE0817) veröffentlicht.

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und staatliche Einrichtung des Landes Baden-Württemberg. Es nimmt sowohl die Mission einer Universität als auch die Mission eines nationalen Forschungszentrums in der Helmholtz-Gemeinschaft wahr. Das KIT verfolgt seine Aufgaben im Wissensdreieck Forschung – Lehre – Innovation.

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