Wenn die Gewässersohle verstopft, erstickt das Grundwasser

Unser Trinkwasser stammt grösstenteils aus Grundwasserleitern entlang der Fliessgewässer, die durch Infiltration gespiesen werden. Seit einigen Jahrzehnten steigt die Temperatur der Fliessgewässer regelmässig an. Bei der Analyse der Daten aus Gemeindepumpwerken haben Simon Figura, David Livingstone und Rolf Kipfer von der Eawag beobachtet, dass diese Tendenz sich auch beim Grundwasser zeigt: Es wird alle zehn Jahre im Durchschnitt 0,3 bis 0,6 Grad Celsius wärmer.

Sägezahnförmiger Rückgang

Eine Temperaturzunahme im Grundwasser wirkt sich wahrscheinlich negativ auf die Konzentration an gelöstem Sauerstoff aus. Sie begünstigt die biologische Aktivität und damit den Sauerstoffverbrauch, verringert aber gleichzeitig die Sauerstofflöslichkeit des Wassers.

Tatsächlich zeigt die neue Analyse (*) eine tendenziell sinkende Konzentration an gelöstem Sauerstoff. Im Gegensatz zur Temperatur erfolgt dieser Rückgang jedoch nicht kontinuierlich, sondern sägezahnförmig: Er wird durch plötzliche Zunahmen unterbrochen, was durch die Temperaturentwicklung allein nicht erklärt werden kann.

Aufgrund der Analyse der Abflussschwankungen und der Pumpmengen hat das Forscherteam eine neue Hypothese aufgestellt: Grosse Abflussmengen oder Pumpvolumen erhöhen die Infiltration in den Fliessgewässern und damit auch die Konzentration an gelöstem Sauerstoff. Doch bevor dies passieren kann, müssen Hochwasserereignisse die Verstopfung oder Kolmation der Gewässersohlen beseitigt haben. Diese Reinigung des natürlichen Flussbettfilters erlaubt dann erneut eine grössere Infiltration und eine bessere Versorgung des Grundwassers mit Sauerstoff.

Ihre Hypothese wird auch durch eine Beobachtung am Rhein gestützt: In den 1970-er Jahren verstopfte eine fünf Zentimeter dicke Schicht von Wandermuscheln den Flussboden. Einige Jahre später war diese Schicht wieder verschwunden, wie Taucher feststellten. Mit dem Verschwinden der Muscheln ging ein deutlicher Anstieg des gelösten Sauerstoffs im Grundwasser einher, wie die Messungen zeigten.

Ein Blick in die Zukunft

Die Klimaszenarien für das 21. Jahrhundert gehen von einem Anstieg der meteorologischen Extremereignisse aus. Es dürfte immer mehr Hitzesommer wie im Jahr 2003 geben. Damals ist der Sauerstoff in einigen Grundwasserleitern ausgegangen. Im sauerstofffreien (oder anoxischen) Grundwasser lösten sich Eisen- und Manganpartikel auf, die in den Pumpwerken wieder ausfielen und den Pumpbetrieb erschwerten.

Gleichzeitig dürfte die Zahl der Hochwasserereignisse zunehmen, die die Gewässersohlen reinigen und die Sauerstoffversorgung des Grundwassers begünstigen. Die Forscher gehen daher davon aus, dass sich die Tendenz zu einem langsamen Rückgang der Sauerstoffkonzentration fortsetzen wird, schätzen aber, dass Hochwasserereignisse sowie Schwankungen in den Abfluss- und Pumpmengen eine dauernde Sauerstoffarmut der Grundwasserleiter verhindern werden.

(*) Simon Figura, David Livingstone, and Rolf Kipfer (2013). Competing controls on groundwater oxygen concentrations revealed in multidecadal time-series from riverbank filtration sites. Water Resources Research. doi: 10.1002/2013WR013750

(Für Medienvertreter als PDF-Datei beim SNF erhältlich: com@snf.ch)

Kontakt
Simon Figura
Eawag
Überlandstrasse 133
CH-8600 Dübendorf
Tel. +41 58 765 55 10
E-Mail: simon.figura@eawag.ch
Nationales Forschungsprogramm „Nachhaltige Wassernutzung“ (NFP 61)
Das Nationale Forschungsprogramm „Nachhaltige Wassernutzung“ (NFP 61) erarbeitet wissenschaftliche Grundlagen und Methoden für einen nachhaltigen Umgang mit den Wasserressourcen, die unter zunehmendem Druck stehen. Das NFP 61 untersucht die von den klimatischen und gesellschaftlichen Veränderungen hervorgerufenen Auswirkungen auf diese Ressource und identifiziert die Risiken und zukünftigen Konflikte, die mit ihrer Nutzung verbunden sind. Das NFP 61 verfügt über 12 Millionen Schweizer Franken für eine Forschungsdauer von vier Jahren. www.nfp61.ch
Diese Medienmitteilung ist über die Webseite des Schweizerischen Nationalfonds verfügbar:
http://www.snf.ch/D/Medien/Medienmitteilungen/Seiten/2013.aspx
http://www.nfp61.ch

Media Contact

Medien - Abteilung Kommunikation idw

Weitere Informationen:

http://www.nfp61.ch http://www.snf.ch

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften

Die Geowissenschaften befassen sich grundlegend mit der Erde und spielen eine tragende Rolle für die Energieversorgung wie die allg. Rohstoffversorgung.

Zu den Geowissenschaften gesellen sich Fächer wie Geologie, Geographie, Geoinformatik, Paläontologie, Mineralogie, Petrographie, Kristallographie, Geophysik, Geodäsie, Glaziologie, Kartographie, Photogrammetrie, Meteorologie und Seismologie, Frühwarnsysteme, Erdbebenforschung und Polarforschung.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Mehr Prozess- und Produktinnovationen in Deutschland als im EU-Durchschnitt

Mehr als jedes 3. Unternehmen (36 %) in Deutschland hat zwischen 2018 und 2020 (aktuellste Zahlen für die EU-Länder) neue Produkte entwickelt, Neuerungen von Wettbewerbern imitiert oder eigene Produkte weiterentwickelt….

Nanofasern befreien Wasser von gefährlichen Farbstoffen

Farbstoffe, wie sie zum Beispiel in der Textilindustrie verwendet werden, sind ein großes Umweltproblem. An der TU Wien entwickelte man nun effiziente Filter dafür – mit Hilfe von Zellulose-Abfällen. Abfall…

Entscheidender Durchbruch für die Batterieproduktion

Energie speichern und nutzen mit innovativen Schwefelkathoden. HU-Forschungsteam entwickelt Grundlagen für nachhaltige Batterietechnologie. Elektromobilität und portable elektronische Geräte wie Laptop und Handy sind ohne die Verwendung von Lithium-Ionen-Batterien undenkbar. Das…

Partner & Förderer