Forscher untersuchen Wandel im Tal des Toten Meeres

Die tiefstgelegene meteorologische Messstation der Erde: Direkt am Toten Meer steht ein sechs Meter hoher Messmast. Die Instrumente messen Strahlung, Verdunstung und Wärme. (Foto: Dr. Ulrich Corsmeier)

Das Tote Meer ist ein abflussloser See, der 428 Meter unter dem Meeresspiegel liegt und einen Salzgehalt von durchschnittlich 28 Prozent aufweist. In dem weltweit einzigartigen Natur- und Kulturraum mit Salzsee, Steinwüste, Halbwüste und mediterranen Landschaften vollziehen sich Umweltveränderungen besonders schnell. Die Region fasziniert Klima- und Umweltforscher, denn die Erkenntnisse, die sie dort gewinnen, lassen sich auch auf andere Regionen übertragen, in denen der Wandel langsamer abläuft. In dem Helmholtz Virtuellen Institut DESERVE arbeiten Wissenschaftler aus Deutschland, Jordanien, Israel und Palästina unter Federführung des KIT zusammen.

„Das Verhältnis zwischen den Forschern zeichnet sich durch einen fruchtbaren wissenschaftlichen Austausch und gegenseitigen Respekt aus“, berichtet Dr. Ulrich Corsmeier, Gruppenleiter am Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Forschungsbereich Troposphäre (IMK-TRO) und Mitinitiator von DESERVE. Das interdisziplinäre Projekt verbindet Meteorologie, Hydrologie, Geophysik und Erdsystemwissenschaften und befasst sich mit drei großen Themen: Wasserverfügbarkeit, Klimawandel und Umweltrisiken.

Derzeit führen Wissenschaftler des KIT im Rahmen von DESERVE die Messkampagne HEADS (Heat and Evaporation at the Dead Sea) durch. Um Daten zu den sommerlichen und winterlichen Dunst- und Verdunstungsverhältnissen im Tal des Toten Meers zu sammeln, nutzen sie den KITcube, ein Beobachtungssystem des IMK-TRO, das einen „Würfel“, also einen Ausschnitt der Atmosphäre mit einer Kantenlänge von rund zehn Kilometern vermessen kann. In den KITcube sind verschiedene Messgeräte für alle relevanten meteorologischen Parameter integriert. Eine erste Übersicht über die Daten bestätigt, dass die Verdunstung wesentlich dazu beiträgt, dass der Wasserspiegel des Toten Meeres um mehr als einen Meter im Jahr sinkt. „Dies ist ein Durchschnittswert; die Verdunstung variiert je nach Jahreszeit und meteorologischen Bedingungen“, erklärt Ulrich Corsmeier. Wenn der Wind stark genug ist, um im Tal rund 400 Meter unter dem Meeresspiegel Einfluss zu nehmen, können Luftfeuchten unter zehn Prozent auftreten, was auf der Erde sonst kaum vorkommt.

Mit dem Wasserspiegel des Sees sinken auch die Grundwasserpegel, da Süßwasser ins Tote Meer strömt. Dies gefährdet nicht nur die Versorgung der Region mit Trinkwasser – mehr als vier Millionen Menschen sind auf die unterirdischen Ressourcen angewiesen. Vielmehr löst das strömende Süßwasser auch unterirdische Salzschichten, wodurch Hohlräume entstehen, die schließlich einbrechen. Solche Einsturzlöcher (sinkholes) gefährden Gebäude und führen zur Aufgabe landwirtschaftlicher Flächen. Daneben sind mächtige Flutwellen (flashfloods) ein Problem: Sie treten nach lokal begrenzten starken Regenfällen auf, die zu schnellen Abflussprozessen führen.

Insgesamt aber gehen die Niederschläge in der Region seit einigen Jahren zurück. Im Rahmen von Messungen mit dem KITcube sowie einem Netz von meteorologischen Messstationen bestimmen Wissenschaftler des IMK-TRO die Verdunstung über dem Wasser, dem Wüstenboden und einem Schilfgürtel. Ziel ist, zusammen mit Messungen anderer Größen eine Gesamtwasserbilanz aufzustellen. Dabei arbeiten die KIT-Forscher mit Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig zusammen.

Neben Wasserhaushalt und Wasserverfügbarkeit sowie geophysikalischen Phänomenen wie Einsturzlöchern und Flutwellen gehören wechselwirkende Prozesse in Atmosphäre (Luft), Hydrosphäre (Wasser) und Lithosphäre (Boden) sowie geophysikalische Risiken wie Erdbeben zu den Themen von DESERVE. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Ausbildung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. So hielt DESERVE Ende November/Anfang Dezember eine zwölftägige interdisziplinäre Winter School in Masada/Israel ab, an der 25 Studierende, Doktoranden und Postdoktoranden aus Deutschland, Jordanien und Israel teilnahmen.

In Helmholtz Virtuellen Instituten bearbeiten mehrere Helmholtz-Institute zusammen mit Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen ein Themenfeld interdisziplinär, wobei jeder Partner seine Kompetenzen einbringt. Projektpartner in DESERVE sind neben dem KIT (IMK-TRO) das Helmholtz-Zentrum Potsdam Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ) und das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig sowie die jordanische Al Balqa Applied University, die israelischen Universitäten Hebrew University in Jerusalem und Tel Aviv University sowie die Universität Nablus in Palästina. Dazu kommen weitere assoziierte Institutionen aus Deutschland, Jordanien, Israel und Palästina, darunter GRACE, die Graduiertenschule des KIT-Zentrums Klima und Umwelt. Die Helmholtz-Gemeinschaft fördert das 2012 gestartete Projekt DEVERVE über fünf Jahre mit insgesamt bis zu drei Millionen Euro aus dem Impuls- und Vernetzungsfonds. Dazu kommen rund 1,5 Millionen Euro an Eigenanteilen der Partner.

Weiterer Kontakt:
Margarete Lehné, Pressereferentin, Tel.: +49 721 608-48121, Fax: +49 721 608-43658, E-Mail: margarete.lehne@kit.edu

Die Lebensbedingungen auf der Erde verändern sich im 21. Jahrhundert so einschneidend wie nie zuvor. Die Klima- und Umweltforschung steht damit vor großen Herausforderungen. Mit mehr als 650 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus über 30 Instituten entwickelt das KIT-Zentrum Klima und Umwelt Strategien und Technologien zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen.

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nach den Gesetzen des Landes Baden-Württemberg. Es nimmt sowohl die Mission einer Universität als auch die Mission eines nationalen Forschungszentrums in der Helmholtz-Gemeinschaft wahr. Thematische Schwerpunkte der Forschung sind Energie, natürliche und gebaute Umwelt sowie Gesellschaft und Technik, von fundamentalen Fragen bis zur Anwendung. Mit rund 9 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, darunter mehr als 6 000 in Wissenschaft und Lehre, sowie 24 500 Studierenden ist das KIT eine der größten Forschungs- und Lehreinrichtungen Europas. Das KIT verfolgt seine Aufgaben im Wissensdreieck Forschung – Lehre – Innovation.

Diese Presseinformation ist im Internet abrufbar unter: http://www.kit.edu

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Monika Landgraf Karlsruher Institut für Technologie

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