Evolutionsthese zur "Explosion des Lebens" vor 500 Millionen Jahren

Bereits vor 540 Millionen Jahren, im Kambrium, entstanden die Vorfahren der heutigen Vertreter der Tierstämme; innerhalb einer – nach geologischen Maßstäben – extrem kurzen Zeit bildete sich nämlich aus einzelligen Mikroorganismen eine Vielfalt mehrzelliger Organismen (Metazoen). Seit Jahrzehnten fragen sich die Naturwissenschaftler, wie es zu dieser „Explosion des Lebens“ kam.

Auch die Forschungsgruppe um Dario Anselmetti (Bielefeld) und Xavier Fernández-Busquets (Barcelona) beschäftigte sich mit dieser Frage – in Zusammenarbeit mit der Universität Bielefeld, dem Institut für Bioengineering von Katalonien in Barcelona, dem Friedrich-Miescher-Institut in Basel und dem Meeresbiologischen Labor in Woods Hole (Massachusetts). In der renommierten Fachzeitschrift „Molecular Biology and Evolution“ haben sie nun ihre neuesten Erkenntnisse veröffentlicht.

Die Forscher vermuten, dass die plötzliche und massive Erhöhung der Kalziumkonzentration im kambrischen Meerwasser – verursacht durch tektonische Aktivitäten – nicht nur die Ausbildung von Schalen (z.B. bei Muscheln) zur Folge hatte, sondern auch als „Klebstoff“ für den Zusammenhalt mehrzelliger Schwammstrukturen unabdingbar ist. Folglich könnte die geologisch induzierte Erhöhung des marinen Kalziums und die damit einhergehende Aggregation von einzelligen Lebensformen zu mehrzelligen Organismen der eigentliche Schlüssel für die kambrische „Explosion des Lebens“ sein.

Dies ist das Ergebnis einer einzelmolekular-biophysikalischen Untersuchung zur Zelladhäsion (Kontakte zwischen Zellen) von Meeresschwämmen. Die einfach gebauten Organismen ohne spezialisierte Muskel-, Sinnes-, oder Nervenzellen haben die letzten 500 Millionen Jahre fast unverändert überdauert und gelten als Bindeglied zwischen dem einzelligen Präkambrium und dem vielfältig-mehrzelligem Heute.

Diese Veröffentlichung ist die erste Forschungsarbeit, in der einzelmolekularkraftspektroskopische Untersuchungen tiefe Einsichten in evolutionäre Fragestellungen erlauben. Daher darf sie einerseits als Meilenstein in der biologisch-physikalischen Forschung gelten, belegt aber auch andererseits nachdrücklich wie Interdisziplinarität und internationale Zusammenarbeit zwischen Molekularbiologie, Chemie und Physik wichtige Komponenten der heutiger Spitzenforschung darstellen können.

Kontakt:
Prof. Dr. Dario Anselmetti
Universität Bielefeld
Fakultät für Physik
Tel.: 0521 / 106-5391
E-Mail: dario.anselmetti@physik.uni-bielefeld.de

Media Contact

Torsten Schaletzke idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-bielefeld.de

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