Verräterische Panzer: Erste Schildkröten lebten an Land

Darin vergleichen die Paläontologen Fragmente fossiler Schildkrötenpanzer mit denen heute lebender Tiere. Wichtigstes Ergebnis: Die mehr als 200 Millionen Jahre alten Funde ähneln frappierend der massiven Knochenrüstung heutiger Landschildkröten. Damit untermauern die Daten eine umstrittene These: Bislang dachte man nämlich, die ersten Schildkröten hätten zumindest einen Teil ihres Lebens im Wasser verbracht.

Erst 2004 stellten Forscher diese Theorie in Frage: Fossile Beinfunde schienen nicht zu einem Aufenthalt in Seen oder im Meer zu passen. Die Bonner Studie gibt diesen Zweifeln nun weiteren Auftrieb.

Wasserschildkröten lieben es verständlicherweise leicht: Ihr Panzer ist von zahlreichen Hohlräumen durchzogen. Der schwammartige Aufbau verleiht ihnen Auftrieb und spart Energie. „Bei fast allen heutigen Schildkröten, die sich überwiegend im Wasser aufhalten, beobachten wir diesen Trend zur Leichtbauweise“, erklärt Torsten Scheyer. „Bei ihren landlebenden Verwandten ist der Knochenpanzer dagegen kompakter; Hohlräume sind viel seltener.“

Der Paläontologe weiß, wovon er spricht: Für seine Studie hat er die Knochenrüstung von drei Dutzend heutigen Schildkrötenarten unter die Lupe genommen. Dazu kamen fossile Panzerreste von knapp 70 längst ausgestorbenen Arten. Verblüffendes Ergebnis: „Die 200 Millionen Jahre alten Fossilfunde ähnelten frappierend der massiven Panzerung heutiger Landschildkröten“, betont Scheyer, der inzwischen an der Universität Zürich beschäftigt ist. „Die ersten Schildkröten waren daher aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls Landbewohner.“

Das Ergebnis bringt eine alte These ins Wanken: Demnach hätten die gepanzerten Reptilien ursprünglich zumindest teilweise im Wasser gelebt. Erst später hätten einige Nachfahren den Sprung aufs Land vollzogen. Lange war diese Vorstellung unter Paläontologen allgemein akzeptiert. Bis sich vor drei Jahren die US-Wissenschaftler Dr. Walter Joyce und Dr. Jacques Gauthier die Fossilfunde genauer ansahen: Aus dem Vergleich der Vorderbeine mit denen heutiger Arten schlossen sie, die ersten Schildkröten seien eindeutig Landbewohner gewesen.

„Leider gibt es nicht allzu viele gut erhaltene Beinfunde aus dieser Zeit“, erläutert Torsten Scheyer. „Panzerfragmente sind erheblich häufiger; daher unsere Idee, uns darauf zu konzentrieren.“ Die Bonner Ergebnisse untermauern den Befund von Joyce und Gauthier eindrucksvoll – es sieht so aus, als sei die Geschichte der behäbigen Reptilien doch ganz anders verlaufen als lange gedacht.

Shell bone histology indicates terrestrial palaeoecology of basal turtles. Torsten Scheyer, Dr. Martin Sander; Proceedings of the Royal Society B (10.1098/rspb.2007.0499)

Kontakt:
Torsten Scheyer
Paläontologisches Institut und Museum der Universität Zürich
Telefon: 0041 (0)44 634 2322
E-Mail: tscheyer@pim.uzh.ch
oder Dr. Martin Sander
Institut für Paläontologie der Universität Bonn
Telefon: 0228/73-3105
E-Mail: martin.sander@uni-bonn.de

Media Contact

Frank Luerweg idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-bonn.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften

Die Geowissenschaften befassen sich grundlegend mit der Erde und spielen eine tragende Rolle für die Energieversorgung wie die allg. Rohstoffversorgung.

Zu den Geowissenschaften gesellen sich Fächer wie Geologie, Geographie, Geoinformatik, Paläontologie, Mineralogie, Petrographie, Kristallographie, Geophysik, Geodäsie, Glaziologie, Kartographie, Photogrammetrie, Meteorologie und Seismologie, Frühwarnsysteme, Erdbebenforschung und Polarforschung.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer