Das Erdbebenrisiko modellieren

Dass große Erdbeben auch in der unteren Erdkruste einschneidende Folgen haben, wurde lange nicht in Betracht gezogen. Im dort zäh fließenden Gestein bauen sich Spannungen schneller ab, als man bislang dachte. In ihren Strukturen und Gefügen dokumentieren Steine Erdbebengeschichte, die Geologen um Prof. Dr. Bernhard Stöckhert (Endogene Geologie, Tektonik, Magmatismus) nutzen wollen, um die Vorgänge während und nach Erdbeben zukünftig besser eingrenzen zu können.

Von der Erdoberfläche auf die Tiefe schließen

Moderne Verfahren der Geodäsie ermöglichen es heute, Verschiebungen an der Erdoberfläche von Millimetern bis Zentimetern pro Jahr zu erfassen. Bei geeigneten Modellen zum Materialverhalten ließe sich davon auf die Prozesse in der Tiefe schließen. Die dafür notwendigen Informationen erhalten die Forscher aus dem „Schadensbild“ von Gesteinen, die sich zur Zeit eines Erdbebens in Tiefen von 10 bis 20 km befanden und heute in Gebirgen an die Erdoberfläche treten. Indem sie etwa die Gefüge von natürlich verformtem und experimentell unter kontrollierten Bedingungen erzeugtem Quarz miteinander vergleichen, lassen sich die Prozesse in der Erdtiefe nachvollziehen.

Erdbeben – einen Zyklus verstehen und berechnen

Erdbeben treten an Störungszonen, etwa dem „San-Andreas-Graben“ auf. Die Schadensanalysen der Geowissenschaftler zeigen, dass die Spannungen während eines Erdbebens in der spröden oberen Erdkruste innerhalb von Sekunden in die darunter liegenden Schichten umverteilt und über Monate bis Jahrhunderte abgebaut werden. Gleichzeitig wird die Störung wieder belastet, bis sie im nächsten Erdbeben erneut nachgibt und sich der Prozess wiederholt. Durch die Erfassung (Modellierung) des mechanischen Zustand solcher Systeme, hoffen die Forscher das Erdbebenrisiko einmal bis auf Jahrzehnte eingrenzen zu können.

Einfaches Modell bereits im Einsatz

Ein erstes einfaches Modell abgeleitet vom Quarz ist bereits für die Abschätzung des Erdbebenrisikos an der Plattengrenze zwischen Pazifischer und Australischer Platte im Einsatz. Die Ergebnisse zeigen eine gute Übereinstimmung mit den in den letzten Jahren geodätisch bestimmten Verschiebungsgeschwindigkeiten an der Erdoberfläche – den „Nachwehen“ eines großen Erdbebens vor etwa 400 bis 450 Jahren. Die Forscher hoffen, dass ein entsprechend verfeinertes Modell auch für Erdbeben zum Einsatz kommen könnte, die in großen, über den Zeitraum moderner Datenerfassung hinausgehenden, Abständen auftreten.

Themen in RUBIN Geowissenschaften

In der Sonderausgabe RUBIN Geowissenschaften finden Sie folgende Themen. Klimawandel in der Erdgeschichte: Kreidezeit war Treibhauswelt; Damit der Salat nicht so schwer im Magen liegt: Schadstoffe im Boden festsetzen; Qualitätstourismus auf Mallorca: „Ballermann“ war besser; Von hohen Löslichkeiten in tiefer Erde: Des Wassers steinerne Fracht; Erdbebenschäden in über zehn Kilometer Tiefe: Gesteine mit Erinnerungsvermögen; Oberfläche bestimmt Kristalleigenschaft: Gesichtsverlust und Stachelaufbau; Stadtstruktur und Wasserqualität: Chinas Megacities geht das Wasser aus. RUBIN Geowissenschaften ist zum Preis von 5 Euro im Dekanat der Fakultät für Geowissenschaften erhältlich und steht im Internet unter http://www.rub.de/rubin

Weitere Informationen

Prof. Dr. Bernhard Stöckhert, Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Geowissenschaften, 44780 Bochum, 0234/32-23227, E-Mail: bernhard.stoeckhert@ruhr-uni-bochum.de

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Dr. Josef König idw

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