Die Schimpansen-Steinzeit

Ein typischer von den Schimpansen im Tai-Wald verwendeter Steinhammer mit starken Abnutzungserscheinungen. Bild: Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie

Wissenschaftler fanden nun erstmalig Beweise, dass westafrikanische Schimpansen bereits seit Tausenden von Jahren Nüsse mit Steinwerkzeugen knacken, also schon bevor die Landwirtschaft sich entwickelte. Das Ergebnis legt nahe, dass Schimpansen dieses Verhalten entweder selbst entwickelt oder es sogar vom gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Schimpanse übernommen haben. Ein internationales Forscherteam um Julio Mercader von der kanadischen University of Calgary und Christophe Boesch vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie fanden die Steine in Noulo an der westafrikanischen Elfenbeinküste, der bisher einzig bekannten prähistorischen Ausgrabungsstätte einer Schimpansenwerkstatt. Die ausgegrabenen Steine zeigten für den Gebrauch als Werkzeug zum Zerschlagen von Nüssen typische Abnutzungserscheinungen. Ein Vergleich mit alten von Menschenhand gefertigten Steinwerkzeugen und denen, die von heute lebenden Schimpansen verwendet werden, bestätigte die Vermutung. Die Forscher fanden auf den Steinen außerdem verschiedene Arten von Stärkekörnern, die teilweise als Überreste einheimischer Nüsse identifiziert werden konnten. Die Werkzeuge sind 4 300 Jahre alt, was nach menschlichem Maßstab der Epoche des „Later Stone Age“ entspricht. (PNAS, Februar 2007).

Vor Erscheinen dieser Studie hatte man Schimpansen im 19. Jahrhundert erstmalig beim Benutzen von Steinwerkzeugen beobachtet. Dank dieses neuen archäologischen Fundes weiß man jetzt, dass Schimpansen bereits seit mehreren tausend Jahren Steinwerkzeuge verwenden. Die Autoren vermuten, dass diese Art des Werkzeuggebrauchs ihren Ursprung beim gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Schimpanse hat, anstatt unabhängig voneinander sowohl bei den Homininen als auch den Schimpansen oder durch eine Imitation des Menschen durch die Schimpansen entstanden zu sein.

Diese Studie bestätigt, dass die Vorfahren von Schimpansen und Menschen mehrere tausend Jahre lang verschiedene kulturelle Merkmale teilten, die man bisher ausschließlich dem Menschen zugestanden hatte. Dazu gehören der Transport von Rohmaterialien von einem Ort zum anderen, die Auswahl und Beschaffung von Rohmaterialien und deren gezielte Verwendung für eine bestimmte Arbeit, die gewohnheitsmäßige Wiederbesiedlung von Orten, wo sich dann Reststoffe und Schutt anhäufen, und die Verwendung vor Ort vorhandener Ressourcen. Das Nussknackverhalten wird bei Schimpansen auf sozialer Ebene weitergegeben, und die neuen Entdeckungen, die in dieser Studie präsentiert werden, zeigen, dass es tatsächlich über mehrere Schimpansengenerationen hinweg weitergegeben worden ist. Die Vorgeschichte der Schimpansen hat also tiefe Wurzeln.

Das Studium unserer nächsten lebenden Verwandten, der Schimpansen, verrät immer wieder neue Aspekte der menschlichen Evolution, und ein besserer Schutz dieser vom Aussterben bedrohten Art wird uns garantieren, neue Facetten unserer Vergangenheit zu entdecken. Bedeutende Funde kommen aus allen Teilen des afrikanischen Kontinents, den Regenwald eingeschlossen, und nicht ausschließlich aus der klassischen ostafrikanischen Heimat.

Originalveröffentlichung:

Mercader, Julio, Huw Barton, Jason Gillespie, Jack Harris, Steven Kuhn, Robert Tyler, and Christophe Boesch
4300-year-old chimpanzee sites and the origins of percussive stone technology.
PNAS, Februar 2007

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Dr. Bernd Wirsing Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de/

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