Vorzeitliches Klimaphänomen: Islandtief und Azorenhoch

Unterwasseraufnahme einer Korallenkolonie im nördlichen Roten Meer: Die etwa zwei Meter hohe Kolonie hat in ihrem massiven Kalkskelett Informationen über das Klima der letzten 200 Jahre gespeichert.

Klimaduo älter als gedacht

Islandtief und Azorenhoch bestimmen das Winterwetter in unseren Breiten – und das auch schon vor über 120.000 Jahren. Dies hat ein internationales Team um Dr. Thomas Felis und Dr. Gerrit Lohmann vom DFG-Forschungszentrum Ozeanränder der Universität Bremen jetzt nachgewiesen. Zusammen mit jordanischen Forschern untersuchten sie die chemische Zusammensetzung fossiler Korallen aus dem nördlichen Roten Meer im Vergleich mit einem Klimamodell. Die Ergebnisse erscheinen am 13. Mai 2004 in der Wissenschaftszeitschrift „nature“.

Unterwasseraufnahme einer Korallenkolonie im nördlichen Roten Meer: Die etwa zwei Meter hohe Kolonie hat in ihrem massiven Kalkskelett Informationen über das Klima der letzten 200 Jahre gespeichert.

Röntgenbild eines Korallenbohrkerns. Die verschieden hellen Bänder kommen durch Unterschiede im Kalkskelett der Koralle zu Stande. Ein dunkles (hohe Skelettdichte) und ein helles Band (niedrige Skelettdichte) zusammen repräsentieren jeweils ein Jahr.
Das Duo aus Azorenhoch und Islandtief bestimmt das winterliche Klima rund um den Nordatlantik. Der Unterschied zwischen den beiden Luftdruck-Systemen ist entscheidend. Allerdings wirkt er sich nicht überall gleich aus: So sorgt ein großer Unterschied im Luftdruck für milde und feuchte Winter in Zentraleuropa. Im Nahen Osten, dem Untersuchungsgebiet, bedeutet dieser Zustand kalte und trockene Winter. Die Größe des Unterschieds schwankt in einem Zyklus von mehreren Jahren. Forscher bezeichnen dieses Phänomen daher als die Nordatlantische Oszillation (NAO). Aus den Wetteraufzeichnungen der letzten 100 Jahre sind die typischen NAO-Schwankungen gut bekannt. „Und genau diese zeitlichen Schwankungen haben wir auch in den Korallen aus dem nördlichen Roten Meer gefunden“, sagt der Klimaforscher Thomas Felis. „Nicht nur in den heutigen, sondern auch in den 3.000 bzw. 122.000 Jahre alten Korallen, die wir untersucht haben. Dies kann nur heißen, dass es dieses Klimaphänomen damals schon gab.“ Simulationen mit einem Klimamodell zeigten, dass vor 122.000 Jahren der Unterschied zwischen Azorenhoch und Islandtief sogar besonders stark ausgeprägt war. „Zusammen mit der damals im Winter geringeren Sonneneinstrahlung sorgte dies dafür, dass die Winter im Nahen Osten kälter waren als heute. Die Sommer hingegen waren wärmer“, setzt sein Kollege Gerrit Lohmann hinzu. „Das Modell bestätigt also die Messungen aus den Korallen, die einen größeren Unterschied zwischen Winter- und Sommertemperaturen für damals anzeigen“, freuen sich Felis und Lohmann.

„Steinkorallen der Gattung Porites eignen sich hervorragend, um zu untersuchen, wie das Klima in der Vergangenheit war“, erklärt Thomas Felis. Denn: Sie bilden in ihrem Kalkskelett Jahresbänder, ähnlich wie die Jahresringe unserer Bäume. Jedes Jahr lagern die Korallen etwa einen Zentimeter neuen Kalk ab, dessen chemische Zusammensetzung die Wassertemperatur dokumentiert. „Untersuchen wir den Kalk, können wir also zurückverfolgen, wie die Wassertemperatur im Laufe eines Jahres schwankte. Und zwar über die Lebensdauer der Koralle, auch wenn sie – wie in diesem Fall – vor mehr als 120.000 Jahren lebte.“ Das nördliche Rote Meer ist eine der wenigen Stellen, wo diese Warmwasser-Korallen so weit nördlich gedeihen können, dass ihr Skelett die Nordatlantische Oszillation dokumentiert.

Mit Hilfe eines ausgefeilten Klima-Rechenmodells hat Gerrit Lohmann zusammen mit seinen Kollegen die direkt aus den Korallen gewonnenen Daten überprüft. Vor 122.000 Jahren, also zwischen den letzten beiden Eiszeiten, befand sich die Erde, wie heute, in einer Warmzeit. „Für unsere Klima-Berechnungen haben wir daher angenommen, dass damals die Rahmenbedingungen sehr ähnlich waren wie heute“, sagt Lohmann. „Also haben wir nur die Sonneneinstrahlung der damaligen Stellung der Erde zur Sonne angepasst. Und siehe da: unser Modell bestätigt die Ergebnisse aus den Korallen.“ Die Simulation zeigt auch für den Rest der Nordhalbkugel das für eine stark ausgeprägte Nordatlantische Oszillation typische Temperaturmuster: kältere Winter im Nahen Osten und wärmere Winter in Zentral-Europa.

Die übereinstimmenden Daten des Klimamodells und der Korallen-Untersuchung beweisen erstmals, dass die Nordatlantische Oszillation über Jahrhunderttausende hinweg regionale Unterschiede im Klima hervorrufen kann. Solche Übereinstimmungen sind wichtig, um die Modelle zur Klimavorhersage mit gesicherten Daten aus der Vergangenheit zu testen.

Weitere Informationen:
Kirsten Achenbach
Öffentlichkeitsarbeit
DFG Forschungszentrum Ozeanränder
Tel. 0421 – 218-9000, Fax: -3116
Mail: achenbach@rcom-bremen.de

Dr. Thomas Felis
DFG Forschungszentrum Ozeanränder
Tel: 0421 – 218-7769
Mail: tfelis@allgeo.uni-bremen.de

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