Sahara und Tundra – "Hotspots" in der Klimaforschung

Hitze und Trockenheit in der Sahara, Kälte und Schnee in der Tundra – markante Landschaften, die eine Gemeinsamkeit haben: In beiden Regionen wirken Klima und Landoberfläche besonders stark aufeinander. Durch den vom Menschen angestoßenen Klimawandel könnte die Savanne in die Sahara vordringen und Nadelwald in bislang karge Tundrengebiete. Dies zeigen Computersimulationen von Wissenschaftlern des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).

Die Potsdamer Wissenschaftler und ihre Kollegen der belgischen Universität Catholique de Louvain und des amerikanischen National Center for Atmospheric Research untersuchten mithilfe eines Erdsystemmodells die Wechselwirkungen zwischen Klimaerwärmung und Verschiebung der Vegetationszonen in Nordafrika und Sibirien. Erdsystemmodelle sind erweiterte Klimamodelle, die das Zusammenspiel von Atmosphäre, Ozean, Vegetation und Eismassen beschreiben. Atmosphäre und Landoberfläche wirken in der Sahara und Tundra intensiv miteinander, so dass Wissenschaftler diese Regionen als „Hotspots“ bezeichnen.

Die Modelle zeigen: Die erhöhte Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre sowie die damit verbundene Erwärmung und die zunehmenden Niederschläge in tropischen Gebieten können die Vegetation am Südrand der Sahara und in der Tundra besonders stark beeinflussen. Hierdurch wandeln sich möglicherweise Teile der Sahara und Tundra. Die mit Bäumen und Gräsern bewachsene Savanne würde in die Wüste vordringen und die bewaldete Taiga in die moos- und flechtenreiche Tundra. Die Verschiebung der Vegetationszonen wirkt sich in den Modellen wiederum auf die Atmosphäre aus: Die Savanne zieht mehr Niederschlag an und die Ausbreitung der Nadelwälder führt zu einer weiteren Erwärmung der nördlichen Breiten. Diese Veränderung kann sich abrupt vollziehen, im Falle der Sahara innerhalb weniger Jahrzehnte.

Die Erdgeschichte kennt plötzliche Klima- und Vegetationsänderungen. Vor etwa 11.000 bis 6.000 Jahren war die Sahara deutlich grüner und die Wälder der Taiga wanderten nach Norden. Der Vegetationsvorstoß auf der Nordhalbkugel wurde durch eine Klimaerwärmung verursacht. So kommt die Frage auf, ob Parallelen zwischen dem damaligen und möglichen Klima- und Vegetationswandel in der Zukunft bestehen. Victor Brovkin, Wissenschaftler am PIK und federführender Autor der Tundra-Studie, sagt: „Die Veränderungen sehen ähnlich aus, aber die physikalischen Mechanismen spielen eine unterschiedliche Rolle. Entscheidend ist, dass unsere Modelle die Vegetationsverschiebungen beschreiben können. Solche Studien helfen die Vergangenheit zu verstehen und die Güte unserer Klimamodelle zu überprüfen.“

Martin Claußen, Direktor des PIK und leitender Autor der Sahara-Studie, fügt hinzu: „Es ist für uns wichtig zu erkennen, dass Klimawandel nicht nur eine allmähliche Erwärmung bedeutet, sondern auch mit Überraschungen einhergehen kann.“ Die Verschiebung der Vegetationszonen scheint eine solche Überraschung zu sein: Nach den Simulationen zu urteilen neigt die Vegetation zu abrupteren Veränderungen als bislang vermutet.

Beide Studien wurden in der Märzausgabe der Zeitschrift „Climatic Change“ veröffentlicht.

Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) wurde 1992 gegründet und beschäftigt 121 Wissenschaftler. Seine Forschungen zu Klimawandel, Klimafolgen und nachhaltiger Entwicklung sind international anerkannt. Das PIK gehört zur Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz (WGL).

Kontakt:
Sahara-Studie: Prof. Dr. Martin Claußen, martin.claussen@pik-potsdam.de,
Tel. 0331-288-2522
Tundra-Studie: Dr. Victor Brovkin, victor.brovkin@pik-potsdam.de,
Tel. 0331-288-2592

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Anja Wirsing PIK

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