Ein Ozean voller Daten

Wassertemperatur, Strömungsrichtung, Bakterien-Gensequenzen oder andere Daten aus der Tiefsee auf Tastendruck abrufen – diese Vision steht hinter dem ehrgeizigen EU-Projekt ESONET, das zwischen 140 und 220 Millionen kosten wird: Ein Netz aus zwölf Tiefseeobservatorien soll an ausgewählten Standorten in den europäischen Meeren kontinuierlich wissenschaftliche Messungen durchführen.

Unterwasserkabel leiten die vor Ort gesammelten Daten direkt an die Forscher an Land. In einem zweitägigen Workshop, der am 29. und 30. Januar am MARUM – Zentrum für marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen stattfindet, wollen 80 internationale Meeresforscher die Grundlagen für das Netzwerk und für ein effizientes Datenmanagement legen.

„Die Erforschung der Ozeane ähnelt dem Versuch, uns ein Bild vom Inhalt einer riesigen, hohen und dunklen Lagerhalle zu machen, in dem wir hier und dort mal ein Streichholz anzünden“ beschreibt Dr. Christoph Waldmann vom MARUM, Organisator des Workshops, die Datenlage der Meeresforschung.

Mit den ständig arbeitenden Observatorien von ESONET sollen Ressourcen gebündelt und Aufwand gezielter eingesetzt werden: Eigens dafür verlegte Tiefseekabel bilden die Nabelschnur von ESONET, sie versorgen die zum Teil über 100 Kilometer vor der Küste liegenden Observatorien. Sie dienen als Energiequelle und Datenautobahn. So kann zum Beispiel der mobile Unterwasser-Roboter C-MOVE des MARUM an die Kabelstationen andocken, um bereits gesammelte Daten abzuschicken und Energie für seinen nächsten mehrmonatigen Einsatz am Meeresboden aufzutanken. „Die Schnittstellen, an die wir die verschiedensten Systeme anschließen können sind es, die ESONET so interessant machen. Sie machen die Netze beliebig erweiterbar“, so Waldmann.

„Natürlich gibt es schon jetzt Messnetze im Ozean. Diese zielen allerdings alle auf spezielle Fragestellungen, wie zum Beispiel die Erforschung der Meeresströmungen. Mit ESONET haben wir ein viel umfassenderes Ziel im Auge: Wir wollen Daten für alle Fachrichtungen an einem Ort sammeln, für Geowissenschaftler, Meeresbiologen und Chemiker und Ozeanographen. Diese können dann gemeinsam ein umfassendes Bild entwickeln“, so Christoph Waldmann über die Unterschiede zu bestehenden Programmen.

Neben Grundlagenforschung erwarten die Meeresexperten des Marine Board der European Science Foundation, die die EU in Sachen ESONET berät, auch ganz konkrete Anwendungen, z. B. in der Erdbebenvorhersage, wichtig für besonders gefährdete Gebiete wie zum Beispiel Istanbul.

„Auch wenn die ersten Observatorien frühestens 2009 online gehen, müssen wir jetzt schon die Grundlagen für den Erfolg von ESONET legen. Denn wir hoffen auf eine wahre Datenflut.“ Daher ist eines der Ziele des Workshops Vorgaben für standardisierte Datenformate auszuarbeiten und eine Infrastruktur für Speicherung und Abruf von Daten zu schaffen. „Was nützt uns ein Ozean voller Daten, wenn die Daten nicht einheitlich sind oder wir die Informationen nicht jedem, der Interesse hat, zur Verfügung stellen können?“ Ziel ist es daher, die Daten so aufzubereiten, dass sie über Internet-Suchmaschinen zugänglich sind. Der Austausch von Daten ist ein schwieriger Punkt, bei dem nicht alle vorhandenen Systeme Bestnoten erzielen, meint Christoph Waldmann. „Während des Workshops wollen wir uns daher mit den bisherigen Erfolgen und Problemen auseinandersetzen und uns die besten Lösungen zu Eigen machen.“

Weitere Informationen / Bildmaterial / Interviews:

Kirsten Achenbach
Öffentlichkeitsarbeit MARUM, Universität Bremen
Tel. 0421 – 218-65541
mail: achenbach@marum.de
http://www.marum.de
(Erreichbar bis 29.2. einschließlich, danach bitte direkt an Herrn Waldmann)
Dr. Christoph Waldmann
MARUM – Zentrum für marine Umweltwissenschaften
an der Universität Bremen
Tel: 0421- 218-65606
Mobil: 0176 – 240 490 77
mail: waldmann@marum.de
Das MARUM ist ein Zusammenschluss des Exzellenzclusters „Der Ozean im System Erde“ und des Forschungszentrum Ozeanränder und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert. Das MARUM entschlüsselt mit modernsten Methoden und eingebunden in internationale Projekte die Rolle des Ozeans im System Erde – insbesondere im Hinblick auf den globalen Wandel. Es erfasst die Wechselwirkungen zwischen geologischen und biologischen Prozessen im Meer und liefert Beiträge für eine nachhaltige Nutzung der Ozeane.

Media Contact

Kirsten Achenbach idw

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