Die Atlantikzirkulation bleibt vorerst stabil

Einer der wichtigsten Faktoren für das europäische Klima wird zumindest in näherer Zukunft keine wesentliche Änderung erfahren. Die Atlantikzirkulation, an der auch der Golfstrom beteiligt ist und die daher fälschlicherweise oft als solcher bezeichnet wird, wird sich in den kommenden vier Jahren nicht abschwächen. Das ergab die weltweit erste Vorhersage für die künftige Entwicklung dieser Umwälzbewegung im Atlantik, die Forscher des Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteorologie und der Universität Hamburg mithilfe eines Modells der Atlantikzirkulation erstellt haben. Möglich war die Prognose nur, weil die Wissenschaftler die Aussagekraft des Modells anhand von Messdaten überprüfen konnten.

Der Einfluss der Ozeanzirkulation auf das Klima ist immens. Mit dieser globalen Meeresbewegung, die in der Fachsprache Meridionale Umwälzbewegung (MOC) genannt wird, gelangt warmes Wasser in die nördliche und südliche Polarregion, kühlt sich dort ab, sinkt in tiefere Meeresschichten ab und strömt zurück in gemäßigte und tropische Breiten. Wieviel Wärme das Meer dabei etwa in der Atlantischen Meridionalen Umwälzbewegung (AMOC) vor die Küsten Europas transportiert, wirkt sich unmittelbar auf das dortige Klima aus. So führen Klimaforscher den außergewöhnlich frostigen Winter 2009/10 zu einem gewissen Teil auf eine schwache Wärmeversorgung durch die Atlantikzirkulation zurück. Aber auch wie häufig Hurrikane den Golf von Mexiko heimsuchen oder in der Sahelzone Dürren auftreten, hängt entscheidend von der Oberflächentemperatur des Meeres ab, die wiederum von der Stärke der Atlantikzirkulation bestimmt wird.

„Wegen der Bedeutung für das Klima ist es sehr wichtig, dass wir nun für mehrere Jahre vorhersagen können, wann die AMOC stärker und schwächer wird“, sagt Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie und Leiter der Studie. Für die kommenden vier Jahre prognostizieren die Forscher die Schwankungen der Atlantikzirkulation. Demnach wird es, abgesehen von dem üblichen Auf und Ab im Laufe der Jahreszeiten, keine Veränderung geben.

„Wir können jetzt auch mit Sicherheit sagen, dass es sich bei einer Abschwächung der Atlantikzirkulation im März 2010 nur um ein kurzzeitiges Phänomen handelte“, sagt Daniela Matei, die an den Arbeiten maßgeblich beteiligt war. Im Nachlassen der Umwälzbewegung während des Frühjahrs 2010 sahen manche bereits Anzeichen einer dauerhaften Abschwächung, die immer wieder als mögliche Folge des Klimawandels diskutiert wird. Denn die Ozeanzirkulation mischt nicht nur kräftig im Klima mit, sie reagiert auch empfindlich auf klimatische Veränderungen.

Messdaten ermöglichen einen Test der Vorhersagen
Die Aussagekraft ihrer Vorhersage verdanken die Forscher vor allem der Tatsache, dass inzwischen Messdaten zur Stärke der Atlantikzirkulation vorliegen. Diese zu erfassen ist ausgesprochen aufwendig. Derzeit gibt es sie für keine andere Ozeanzirkulation als die atlantische, und auch dort nur bei einem Breitengrad, nämlich die Breite 26,5 Grad Nord. Die Idee für die Messungen hatte Jochem Marotzke in seiner Zeit am National Oceanography Centre im britischen Southampton entscheidend vorangetrieben; seine ehemaligen Kollegen beobachten die Atlantikzirkulation bei 26,5 Grad nördlicher Breite nun kontinuierlich.

„Anhand der Messdaten können wir unsere Simulation überprüfen“, erklärt Daniela Matei: „Wir berechnen, ausgehend von verschiedenen Punkten in der Vergangenheit, nämlich zunächst Vorhersagen für die Jahre, für die wir Messdaten haben. “Stimmt die Vorschau für die Vergangenheit, in diesem Fall also eine Rückschau, mit den gemessen Daten gut überein, wissen die Klimaforscher: Ihr Modell liefert für die Atlantikzirkulation bei 26,5 Grad nördlicher Breite brauchbare Prognosen – auch für die Zukunft. Allerdings zeigte der Vergleich zwischen Modellrechnung und Messdaten ebenso, dass die Simulation nicht zuverlässig über das vierte Jahr hinaus in die Zukunft blicken kann.

Ein Schritt hin zu zuverlässigen Klimaprognosen für wenige Jahre
Künftig wollen die Hamburger Wissenschaftler ihre Simulationen so verbessern, dass sie auch für mehr als vier Jahre belastbare Vorhersagen treffen. „Ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingt“, sagt Jochem Marotzke. Als Vergleich zieht er die Wettervorhersagen heran, die heute für drei Tage zuverlässige Prognosen abgeben, während sie vor 20 Jahren gerade mal für den nächsten Tag eine ordentliche Trefferquote landeten. „Voraussetzung dafür ist, dass wir den Anfangszustand für unsere Berechnungen noch besser bestimmen können“, so Marotzke.

Wie gut die Vorhersagen für die Atlantikzirkulation sind und wie weit sie in die Zukunft reichen, wirkt sich nicht zuletzt auf Klimaprognosen aus. Hier möchte Jochem Marotzke einen neuen Zeithorizont ins Auge fassen: „Wir können für wenige Tage das Wetter gut vorhersagen und wir können langfristige Klimaveränderungen berechnen, aber wir können kaum belastbare Aussagen für die kommenden Jahre machen, vor allem was die Wirkung menschlicher Aktivitäten auf das Klima angeht.“ Denn natürliche und menschliche Einflüsse seien für diese Zeit etwa gleich groß und daher schwer zu trennen. Das sei aber nötig, um die Rolle des Menschen zu erkennen. „Dass wir nun die Atlantikzirkulation für mehrere Jahre vorhersagen können, bedeutet für Klimaprognosen über einige wenige Jahre einen großen Fortschritt“, sagt der Klimaforscher.

Ansprechpartner
Dr. Daniela Matei
Max-Planck-Institut für Meteorologie, Hamburg
Telefon: +49 40 411730-460
Fax: +49 40 41173-298
E-Mail: Daniela.Matei@zmaw.de
Prof. Dr. Jochem Marotzke
Max-Planck-Institut für Meteorologie, Hamburg
Telefon: +49 40 41173-440
Fax: +49 40 41173-366
E-Mail: jochem.marotzke@zmaw.de
Originalveröffentlichung
Daniela Matei, Johanna Baehr, Johann H. Jungclaus, Helmuth Haak, Wolfgang A. Müller, Jochem Marotzke
Multiyear Prediction of Monthly Mean Atlantic Meridional Overturning Circulation at 26,5°N

Science, 6. Januar 2012, doi: 10.1126/science.1210299

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