Arktis: Warmzeit mit Pause – Rekonstruktion der arktischen Klimaverhältnisse in der Kreidezeit

Beprobung kreidezeitlicher Sedimente am Lost Hammer Diapir auf Axel Heiberg Island. © Claudia Schröder-Adams

Die Kreidezeit, vor rund 145 Millionen Jahren bis etwa 66 Millionen Jahren vor heute, war einer der wärmsten Abschnitte der Erdgeschichte: Die Pole waren eisfrei und in den Ozeanen herrschten Durchschnittstemperaturen von bis zu 35 Grad Celsius.

„Ein typisches Treibhausklima; manche sprechen sogar von einem ‚Supertreibhaus‘“, erklärt Professor Dr. Jens Herrle von der Goethe-Universität in Frankfurt und Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum und fügt hinzu: „In der Arktis haben wir jetzt Hinweise gefunden, dass diese warme Epoche vor 112-118 Millionen Jahren für einen Zeitraum von etwa 6 Millionen Jahren unterbrochen wurde.“

Der Frankfurter Paläontologe hat gemeinsam mit einer kanadischen Kollegin Professor Claudia Schröder-Adams von der Carleton Universität in Ottawa den arktischen Glacier Fiord und die Lost Hammer Diapir Lokalität auf Axel Heiberg Island in 5 bis 10 Meter-Schritten beprobt. „Dabei haben wir auch sogenannte Glendonite gefunden“, erzählt Herrle.

Als Glendonit werden sternförmige Calzit-Minerale bezeichnet, die die Gestalt des Minerals Ikait angenommen haben. „Diese so genannten Pseudomorphosen von Calzit nach Ikait entstehen, weil Ikait nur oberhalb etwa 8 Grad Celsius stabil ist und sich bei kälteren Temperaturen in Calzit umwandelt“, erläutert Herrle und ergänzt:

„Unsere sedimentologischen Untersuchungen und Altersdatierung geben demnach einen konkreten Hinweis auf die Umweltbedingungen in der kreidezeitlichen Arktis und bestätigen die Vermutung, dass es zu dieser Zeit eine längere Unterbrechung der Warmzeit im arktischen Ozean gab.“

1700 Gesteinsproben hat Herrle bei zwei Forschungsreisen in den Jahren 2011 und 2014 aus der Arktis mit nach Frankfurt gebracht und dort mit seiner Arbeitsgruppe mit geochemischen und paläontologischen Methoden untersucht.

Aber können die kreidezeitlichen Gesteine aus der Polarregion auch dabei helfen den derzeitigen Klimawandel besser zu verstehen? „Ja“, meint Herrle und erklärt: „Gerade die Polargebiete reagieren besonders sensibel auf globale Klimaschwankungen. Durch den Blick in die geologische Vergangenheit gewinnen wir grundlegende Kenntnisse zur Dynamik von Klimawandel und der ozeanischen Zirkulation unter extremen Treibhausbedingungen.

Um den aktuellen menschgemachten Klimawandel besser abschätzen zu können, müssen wir beispielsweise verstehen, welche Prozesse in einem extremen Treibhausklima maßgeblich zum Klimawandel beitragen.“

Im Falle der kretazischen Kaltperiode nimmt Herrle an, dass durch die Öffnung des Atlantiks in Verbindung mit Veränderungen der ozeanischen Zirkulation und der marinen Produktivität mehr Kohlenstoff in die Sedimente eingetragen wurde. Dies hatte eine Abnahme des Kohlendioxid-Gehaltes in der Atmosphäre zur Folge, was wiederum zu einer globalen Abkühlung führte.

Die neugewonnenen Daten des Frankfurter Wissenschaftlers aus der Kreidezeit sollen nun mit Ergebnissen dieser Epoche aus dem Atlantik korreliert werden, „um eine genauere stratigraphische Einteilung der Kreidezeit zu erreichen und die Wechselbeziehungen zwischen den Polarregionen und den Subtropen besser zu verstehen“, gibt Herrle einen Ausblick.

Kontakt
Prof. Dr. Jens O. Herrle
Senckenberg Biodiversität und Klimaforschung Zentrum
Goethe Universität Frankfurt
Tel. 069- 798 40180
jens.herrle@em.uni-frankfurt.de

Judith Jördens
Pressestelle
Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
Tel. 069- 7542 1434
pressestelle@senckenberg.de

Publikation
Mid-Cretaceous High Arctic stratigraphy, climate, and Oceanic Anoxic Events
Jens O. Herrle, Claudia J. Schröder-Adams, William Davis, Adam T. Pugh, Jennifer M. Galloway, and Jared Fath
Geology published 19 March 2015, 10.1130/G36439.1 Open Access
http://geology.gsapubs.org/cgi/content/abstract/G36439.1v1

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