Wichtige Impulse für die Gashydrat-Forschung kommen aus Kiel

Eine Gruppe von Kieler Wissenschaftlern setzte während der neunziger Jahre Meilensteine für die internationale Methanhydrat-Forschung. Jetzt erhält ihr Initiator Prof. Dr. Erwin Suess, auf der 7. International Conference on Gas Hydrates den „Lifetime Achievement Award“. Der Meeresgeologe ist sich sicher: Auch heute gehen von Kiel wichtige Impulse für die Gashydratforschung aus. So beteiligen sich mehrere Forscher des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) am Vortragsprogramm der internationalen Fachtagung, die vom 17. bis 21. Juli 2011 in Edinburgh stattfindet.

„Die Ansichten über Methanhydrate und die Prioritäten in der Forschung haben sich in den vergangenen 25 Jahren immens verändert.“ Dies kann kaum jemand besser beurteilen als Prof. Dr. Erwin Suess. Der Meeresgeologe, der 1984 die ersten unterseeische Methanquellen vor der Küste von Oregon entdeckte und 1996 die ersten großen Brocken des „Brennenden Eises“ aus den Tiefen des Pazifiks barg, wurde jetzt für sein Lebenswerk geehrt.

Auf der 7. International Conference on Gas Hydrates in Edinburgh erhielt er den „Lifetime Achievement Award“. „Die Auszeichnung freut mich sehr“, sagt Suess, der gleichzeitig Mitglied im wissenschaftlichen Leitungskomitee der Tagung ist. „Ich hatte nicht die geringste Ahnung, dass meine Nominierung diskutiert wurde, und war wirklich überrascht.“ Die Lorbeeren teilt Suess mit seinen Kollegen: „Die internationale Gashydrat-Forschung wurde durch die Arbeiten meiner Gruppe während der 90er Jahre am damaligen GEOMAR maßgeblich vorangetrieben und in Deutschland etabliert. Entsprechend gehen auch heute von Kiel, genauso wie von Bremen, Potsdam oder Göttingen, wichtige Impulse aus – auch das würdigt diese Auszeichnung.“

Im Laufe seiner Karriere beobachtete Suess, wie die Methanhydrate zunächst als Energiequelle Interesse und Begehr weckten. „Dies ist auch heute noch der wichtigste Anreiz der Gashydrat-Forschung zum Beispiel in China, Japan, Indien und den USA.“ Kurz darauf entdeckten Wissenschaftler, dass sich das Methanhydrat im Meeresboden gegen Kohlendioxidhydrat austauschen lässt. Forschung und Wirtschaft zogen in Erwägung, diese Möglichkeit großtechnisch zu nutzen um Kohlendioxid als Hydrat zu speichern und das frei gesetzte Methan abzubauen. „Diese Art der unterseeischen Nutzung befindet sich zurzeit im Erprobungsstadium“, weiß Suess. In jüngster Zeit spreche man von den Gashydraten vor allem im Zusammenhang mit dem Klimawandel: „Durch die globale Erwärmung tauen Permafrost-Böden auf, und die eingelagerten Hydrate schmelzen. Im Küstenbereich, vor allem um die Arktis wo die stärkste globale Erwärmung vorausgesagt wird, kann es langfristig zur Zersetzung natürlicher Methanhydrate kommen. Dadurch gelangt Methan, ein starkes Treibhausgas, in die Atmosphäre.“ Wenn sich größere Mengen an den Kontinentalhängen auflösen, könne dies außerdem zu gefährlichen unterseeischen Rutschungen führen, die auch Tsunamis verursachen könnten, berichtet Suess weiter – ein Aspekt, mit dem er als wissenschaftlicher Berater auch den Bestseller-Autoren Frank Schätzing beeindrucken konnte. In dessen Roman „Der Schwarm“ ist Suess als reale Person eingebunden.

Als Direktor des Kieler GEOMAR (1995-1999) und als Geschäftsführer des Konsortiums Deutsche Meeresforschung (2004-2007) setzte sich Suess dafür ein, dass neben den Potenzialen auch die Risiken wahrgenommen wurden, die von dem sensiblen Rohstoff ausgehen. Seinen wichtigsten Beitrag sieht er darin, dass die Formulierung der EU-Direktive vom Februar 2008 zur langfristigen Energie-Effizienz eine Option zur unterseeischen Kohlendioxid-Speicherung erlaubt, die auf dem Austausch von Kohlendioxid für Methan als Hydrat beruht. „Diese Option erfährt durch die Bundesrepublik allerdings keine Unterstützung. Sie wird wohl eher durch andere Mitgliedstaaten sowie durch Nicht-EU-Staaten wirtschaftlich genutzt werden“, so Suess.

Noch immer erforschen Wissenschaftler die genauen Bedingungen, unter denen Methanhydrate entstehen und reagieren. Sicher ist, dass sie bei Temperaturen zwischen zwei und vier Grad Celsius sowie bei hohem Druck um 50 bar gebildet werden. Unter diesen Voraussetzungen kann Wasser käfigartige Molekülstrukturen aufbauen. Diese umhüllen das Methangas, das frei wird, wenn hoch spezialisierte Organismen im Meeresboden herabsinkendes organisches Material zersetzen.

Doch wie viel organisches Material gelangt in den Bereich des Meeresbodens, in der sich Methanhydrate bilden können? Wie viel setzen die dort lebenden Organismen um? Wie groß ist die Gashydrat-Stabilitätszone, die das Methan speichern kann und welcher Anteil hält dort tatsächlich auch chemischen Reaktionen Stand? Diesen Fragen untersucht ein Team um Prof. Dr. Klaus Wallmann, Leiter der Forschungseinheit Marine Geosysteme am IFM-GEOMAR und Koordinator des von der Bundesregierung geförderten Verbundprojektes SUGAR (Submarine Gashydrat-Lagerstätten: Erkundung, Abbau und Transport). „Unsere Schätzung geht davon aus, dass in Methanhydraten weltweit 1000 bis 5000 Gigatonnen Kohlenstoff gebunden sind. Diese Mengen können regional sehr unterschiedlich sein, weshalb wir dringend umfassendere Daten und räumlich begrenzte Modelle brauchen“, forderte er während seines Vortrags auf der Fachkonferenz. Die Modelle, die der Schätzung zu Grunde liegen, stellten Ewa Burwicz und Elena Pinero genauer vor.

Prof. Dr. Lars Rüpke erläuterte den Fachkollegen auf der Tagung, was die Freisetzung von Methangas im Zuge der globalen Erwärmung bedeutet: „Unsere Modelle zeigen, dass in den nächsten einhundert Jahren nur etwa zwölf Prozent des im Meeresboden eingelagerten Methans freigesetzt wird. Die Hälfte davon gelangt in die Atmosphäre oder steigt in die bodennahen Wasserschichten auf. Dadurch könnte der pH-Wert des Meerwassers doppelt so schnell sinken als Forscher es bisher angenommen haben – der Effekt der Ozeanversauerung, unter dem vor allem kalkbildende Organismen leiden, verschlimmert sich.

„Die Vorträge der Kollegen zeigen, dass die Kieler Wissenschaftler einen wegweisenden Beitrag zur internationalen Gashydrat-Forschung leisten“, fasst Prof. Suess seinen Eindruck zusammen.

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Dr. Andreas Villwock idw

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