Verleihung des DPZ-Förderpreises 2008

Der Förderkreis des Deutschen Primatenzentrums e.V. (DPZ) verleiht jährlich einen Förderpreis für besondere wissenschaftliche Leistungen im Rahmen einer Promotion. Der Förderpreis besteht aus einem Geldpreis und ist verbunden mit einem sechsmonatigen Stipendium an einer Forschungseinrichtung nach Wahl des Preisträgers. Der Preis ist damit einer der höchst dotierten Promotionspreise in Deutschland.

Sebastian Möller wurde am 2. November 1973 in Augsburg geboren. 1993 machte er das Abitur am Kaiser-Karls-Gymnasium in Aachen. Danach leistete er seinen Zivildienst als individueller Schwerstbehinderten-Assistent beim Malteser Hilfsdienst. Nach einem zweijährigen Studium der Architektur an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH), begann er 1996 mit dem Studium der Biologie ebenfalls an der RWTH. Seine Diplomarbeit, betreut von Dr. Bernhard Gaese am Institut für Biologie 2 von Prof. Dr. Hermann Wagner, behandelte die Mechanismen räumlicher Aufmerksamkeit im auditorischen Mittelhirn der Ratte. Sein Biologiestudium schloss er Anfang 2002 mit der Bewertung „mit Auszeichnung“ ab.

Von 2002 bis 2004 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Bremen am Institut für Hirnforschung III und führte Untersuchungen zu den neuronalen Grundlagen selektiver visueller Aufmerksamkeit durch. 2005 begann er, unter der Leitung von Dr. Doris Y. Tsao, über die funktionelle Anatomie der Gesichtwahrnehmung bei Rhesusaffen zu promovieren. Er wird seine Promotion voraussichtlich im Dezember 2008 beenden.

Das Forschungsinteresse des Preisträgers gilt der Objekt- und insbesondere der Gesichtswahrnehmung bei Primaten. Hirnläsionen des Temporalkortex (z.B. durch Schlaganfälle) bewirken spezifische Ausfälle von Gesicht- und/oder Objektwahrnehmung; dies deutet auf funktionelle Spezialisierung innerhalb des Schläfenlappens des Großhirns hin. Wie dieser Teil des Gehirns jedoch genau organisiert ist, ist kaum verstanden. Wie wird ein Objekt im Temporalkortex repräsentiert? Die aktuell diskutierten Modelle reichen von vollständig verteilter und überlappender Aktivität aller visueller Bereiche des Temporalkortex bis zu domänenspezifischer Repräsentation, bei der Objekte einer Kategorie (z.B. Gesichter) nur spezifische kortikale Module aktivieren. Im letzten Jahrzehnt haben funktionelle Kernspintomographiestudien (fMRT) an Menschen und Rhesusaffen gezeigt, dass bei beiden Spezies mehrere kortikale Bereiche für die Verarbeitung von Gesichtern spezialisiert sind.

Wie sind diese spezialisierten Bereiche, die „Gesichts-Module“ (engl. face patches), bei Rhesusaffen organisiert? Die prämierte Arbeit kombiniert elektrische Mikrostimulation und fMRT um zu untersuchen, ob diese Gesichts-Module in eine verteilte Objektrepräsentation integriert sind, oder ob sie ein separates Modulsystem darstellen. Die erste Hypothese sagt voraus, dass die Stimulation in jedem einzelnen Modul weit verteilte Aktivität im Inferotemporalkortex verursachen sollte; die zweite Hypothese sagt voraus, dass die Stimulation in einem einzelnen Modul nur andere Gesichts-Module aktivieren sollte. Die elektrische Stimulation dient hierbei dazu, den Kortex am Ort der Elektrode zu aktivieren, fMRT dient dazu, die daraus resultierende Aktivität im gesamten Temporalkortex zu messen.

Das Resultat dieser Experimente weist deutlich auf die zweite Alternative, dass die Gesichts-Module im Temporalkortex des Rhesusaffen ein eng gekoppeltes modulares System darstellen. Jedes Modul ist mit anderen Gesichts-Modulen stark verbunden, nicht jedoch mit dem umliegenden nicht-gesichtsselektiven Kortex; darüber hinaus existieren Verbindungen von den Gesichts-Modulen zu subkortikalen Strukturen wie der Amygdala. Interessanterweise führte Mikrostimulation außerhalb der Gesichts-Module ebenfalls zu ähnlich spezifisch verteilten Projektionsmustern. Dies deutet darauf hin, dass eine gewisse modulare Struktur im gesamten Objektkortex zu finden ist.

Die genaue Lokalisierung gesichtselektiver Areale bei Mensch und Rhesusaffe in den letzten zehn Jahren haben das Gesichtsverarbeitungssystem stärker in den Fokus der Wahrnehmungsforschung gerückt. Ein wichtiger Schritt dazu war der Transfer der fMRT-Methode vom Mensch zum Rhesusaffen. Dies ermöglicht die Gesichtswahrnehmung auf neuronaler Ebene durch gezielte elektrophysiologische Experimente zu untersuchen. Und, um jegliche Funktion des Gehirns zu begreifen, muss man verstehen, was seine kleinsten funktionellen Bausteine, die Neuronen, dazu beisteuern. Mit dem Gesichtsverarbeitungssystem existiert nun ein modellhafter Zugang zu einem komplexen Objektverarbeitungssystem, der erlauben wird, detaillierter zu untersuchen, wie Gesichtswahrnehmung bei Rhesusaffen und Menschen implementiert ist.

Media Contact

Dr. Dr. Michael Schwibbe idw

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