Verbessertes Dämmerungssehen durch optimierte Freiform-Einstärkengläser

Anne Bullwinkel hat sich in ihrer Abschlussarbeit mit der Frage beschäftigt, ob neuartige Brillengläser geeignet sind, die unterschiedlichen Korrektionsanforderungen bei Helligkeit und bei Dämmerung in einem Glas zu vereinen. Mit ihrer Arbeit beleuchtet Bullwinkel ein für die Verkehrssicherheit immens wichtiges Thema.

Autofahrer – aufgepasst. Die Bachelorabsolventin Anne Bullwinkel ist in ihrer Abschlussarbeit der Frage nachgegangen, ob sich durch spezielle Gläser das Sehen in der Dämmerung verbessern lässt?

Ausgangsüberlegung war die Erkenntnis, dass viele Menschen bei Nacht ungern Auto fahren, obwohl dem Erwerb einer Fahrerlaubnis in der Regel ein Sehtest voraus geht. Dieser Test findet jedoch unter idealen Bedingungen statt, nämlich bei tageslichtähnlicher heller Beleuchtung und hohem Kontrast der verwendeten Sehzeichen. Meist lässt sich die für eine Erteilung der Fahrerlaubnis geforderte Sehschärfe gegebenenfalls mit Hilfe einer Brille oder mit Kontaktlinsen erreichen.

Beim Testen der Tagessehschärfe werden die Veränderungen des Sehvermögens bei abnehmenden Leuchtdichten jedoch nicht berücksichtigt. Die Anpassung des visuellen Systems an die Dämmerung geht mit einer Verschlechterung fast aller Sehfunktionen einher. Das Kontrastsehen, das Farbensehen und die Sehschärfe werden erheblich schlechter. Die nachts erforderliche Brillenglasstärke kann sich von der tagsüber erforderlichen Korrektion deutlich unterscheiden.

Das Ergebnis ihrer Studie ergab, dass die neuen Gläser einen positiven Einfluss auf das Dämmerungssehen haben und zu einer signifikanten Verbesserung der Sehschärfe unter Dämmerungsbedingungen führen.

Der Rupp + Hubrach-Preis wird in Kooperation mit den Augenoptik/Optometrie-Ausbildungsstätten Aalen, Berlin, Jena, Lübeck und Wolfsburg einmal jährlich vergeben. In diesem Jahr wird bereits zum dritten Mal seit 2009 eine Absolventin der Fachhochschule Lübeck und der Fielmann Akademie Schloss Plön ausgezeichnet.

Die Preisträgerin Anne Bullwinkel begann nach dem Abitur eine Ausbildung zur Augenoptikerin. Im direkten Anschluss folgte das Studium der Augenoptik/Optometrie in Schleswig-Holstein. Seit Anfang 2012 arbeitet sie als B. Sc. Augenoptik/Optometrie in einer augenärztlichen Gemeinschaftspraxis.

Der Geschäftsführer von Rupp+Hubrach, Ralf Thiehofe, wird den Preis im großen Hörsaal der FH Lübeck am Mönkhofer Weg 136-140 überreichen.

Besondere Beachtung verdient die Festrede mit dem Titel: „Mit offenen Augen zur Goldmedaille“ von Verena Bentele. Verena Bentele ist 12-fache paralympische Goldmedaillengewinnerin. Sie ist von Geburt an blind und war von 1995 bis 2011 als Skilangläuferin und Biathletin Teil der deutschen paralympischen Winternationalmannschaft. Während dieser Zeit errang sie neben 12-mal Gold noch zweimal Silber und zweimal Bronze. Seit 2011 ist sie selbständige Personalentwicklerin und systemischer Coach.

Die Laudatio hält Prof. Dr. Hans-Jürgen Grein, Leiter des Studiengangs Augenoptik/ Optometrie an der FH Lübeck und Fielmann Akademie Schloss Plön.

Zusammenfassung der Arbeit (von Prof. Dr. Hans-Jürgen Grein):
Bei etwa 25 Prozent aller Menschen tritt im Rahmen der Dunkelanpassung eine Veränderung der Refraktion für die Ferne auf. Diese Veränderung ist meist in Richtung Kurzsichtigkeit des Auges gerichtet und trägt deshalb den Namen „Dämmerungsmyopie“ oder „Nachtmyopie“. Im Unterschied zum veränderten nächtlichen Farbsehen ließe sich eine solche Dämmerungsmyopie mit Hilfe von Brillengläsern korrigieren, wenn sie zuverlässig messbar wäre.

Die Ausprägung einer Dämmerungsmyopie ist eine Funktion der Umgebungsleuchtdichte: Je dunkler es wird, desto stärker kommt die Dämmerungsmyopie zum Vorschein. Die Dämmerungsmyopie ist deshalb je nach Helligkeit unterschiedlich stark.

Beim Autofahren in der Dämmerung und nachts ändern sich die Beleuchtungsbedingungen permanent, abhängig von der Straßenbeleuchtung und der eigenen Fahrzeugbeleuchtung (Abblend- oder Fernlicht). Eine vorhandene Dämmerungsmyopie ist deshalb nicht konstant und die Korrektion der Dämmerungsmyopie mit einer Einstärkenbrille ist nicht optimal.

Ein neuartiges Brillenglas verfolgt einen andern Ansatz. Es handelt sich um ein Glasdesign, in dem sich die Glasstärke ausgehend vom Brillenwert für das Tagessehen kontinuierlich in Richtung Minus verändert, bis der Unterschied -0,40 dpt beträgt. Dieser Stärkenverlauf befindet sich etwas oberhalb des Hauptdurchblickpunktes. Im Falle einer Dämmerungsmyopie kann der Träger dieses Glases durch eine leichte Kopfneigung die situativ beste Korrektion finden.

In einer aufwendigen Blindstudie prüfte Anne Bullwinkel den Effekt der Brillengläser auf das Sehen bei niedrigen Leuchtdichten. Sie gestaltete die Studie mit einer Test- und einer Kontrollgruppe. In der Testgruppe befanden sich Probanden mit einer Dämmerungsmyopie, die Probanden der Kontrollgruppe zeigten in der Voruntersuchung keine Dämmerungsmyopie. Je eine Hälfte der Probanden beider Gruppen erhielt eine Brille mit den neuartigen Brillengläsern, die andere Hälfte erhielt einen Glastyp, der keinen positiven Einfluss auf die Dämmerungsmyopie haben kann.

Neben der Durchführung eines Trageversuchs, der den Effekt der Brillengläser auf das Dämmerungssehen nach objektiven Kriterien prüfte, studierte sie mit Hilfe eines Fragebogens auch den subjektiven Effekt der Gläser. Studie ergab, dass die neuen Brillengläser sowohl objektiv als auch subjektiv einen positiven Einfluss auf das Dämmerungssehen haben. In der Gruppe der Dämmerungsmyopen Probanden führt dieser Glastyp zu einer signifikanten Verbesserung der Sehschärfe unter Dämmerungsbedingungen.

Media Contact

Frank Mindt idw

Weitere Informationen:

http://www.fh-luebeck.de/

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