Prof. Jens Reich von Leopoldina und Stifterverband mit Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Preis geehrt

Der Mediziner, Bioinformatiker, Molekularbiologe und DDR-Bürgerrechtler erhielt den Preis für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen sowie seinen persönlichen und politischen Mut. Der Preis wurde ihm auf der Jahresversammlung der Leopoldina am 2. Oktober in Halle an der Saale überreicht. Er ist der erste Träger der mit 50 000 Euro dotierten Auszeichnung.

Jens Reich wurde 1939 in Göttingen geboren und wuchs in der DDR auf. Er studierte an der Humboldt-Universität zu Berlin Medizin und arbeitete anschließend in Halberstadt an einem Krankenhaus und in einer staatlichen Arztpraxis. Danach machte an der Universität Jena seinen Facharzt für Biochemie. 1969 wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter, später Abteilungsleiter am Zentralinstitut für Molekularbiologie der Akademie der Wissenschaften der DDR in Berlin-Buch.

Mit oppositionellen DDR-Bürgern gründete Jens Reich 1970 den „Freitagskreis“, der sich kritisch mit dem System der DDR auseinandersetzte. 1984 verlor er seinen Leitungsposten in Berlin-Buch, weil er sich weigerte, seine Kontakte in die Bundesrepublik abzubrechen und den DDR-Behörden (Stasi) zu berichten. Unter dem Pseudonym Thomas Asperger veröffentlichte er in der westdeutschen Zeitschrift „Lettre International“ kritische Analysen über das System der DDR. Jens Reich ist einer der Mitbegründer der Bürgerbewegung „Neues Forum“ vom September 1989. Vom 18. März – 2. Oktober 1990 war er Abgeordneter in der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR.

1991 kehrte Jens Reich in die Forschung zurück und ging zunächst in die USA, wo er an der Harvard University in Cambridge am Center for European Studies eine Gastprofessur inne hatte. 1992 war er Gastprofessor am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Ebenfalls 1992 wurde er Forschungsgruppenleiter an dem nach der Wende aus den drei Akademieinstituten in Berlin-Buch gegründeten MDC. Bis zu seiner Emeritierung 2004 war er dort in der medizinischen Genomforschung tätig. Von 1998 bis 2004 war er C4-Professor für Bioinformatik an der Humboldt-Universität zu Berlin.

2001 wurde er in den neugegründeten Nationalen Ethikrat berufen. 2005 wurde er erneut in dieses Gremium berufen, dieses Mal als stellvertretender Vorsitzender und wiederum 2008 in den Deutschen Ethikrat, der den Nationalen Ethikrat ablöste.

Auch nach seiner Emeritierung ist Prof. Reich noch immer wissenschaftlich aktiv. Er fahndet in Datenbanken nach Genen, die für den Cholesterinstoffwechsel von Bedeutung sind und koordiniert ein Forschungsverbundprojekt am MDC zusammen mit einer Forschungsgruppe am European Molecular Biology Laboratory (EMBL), Heidelberg und der Universität Heidelberg.

Prof. Reich erhielt zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen. 1991 erhielt er den Theodor-Heuss-Preis, 1993 den erstmals verliehenen Anna-Krüger-Preis, mit dem er für seine gute und verständliche Wissenschaftssprache ausgezeichnet wurde. Für seine „herausragenden und vielfältigen Beiträge in Wort und Schrift zu den Entwicklungen in der Genforschung“ wurde ihm 1996 die Lorenz-Oken-Medaille der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte verliehen, 1998 die Urania-Medaille der gleichnamigen Berliner Gesellschaft für wissenschaftliche Bildung. Im Jahre 2000 erhielt er den Nationalpreis der Deutschen Nationalstiftung.

Prof. Reich hat über 70 wissenschaftliche Publikationen und darüber hinaus zahlreiche Essays über die Genforschung in der Publikumspresse verfasst. Darüber hinaus hat er zahlreiche Bücher geschrieben, darunter „Rückkehr nach Europa“ (1991), „Abschied von den Lebenslügen“ (1992) und „Es wird ein Mensch gemacht – Möglichkeiten und Grenzen der Gentechnik“ (2003).

Der ihm jetzt in Halle verliehene Preis ist benannt nach dem Physiker, Philosophen und Friedensforscher Carl-Friedrich von Weizsäcker (1912 – 2007). Er soll künftig alle zwei Jahre vergeben werden.

Barbara Bachtler
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