Präventionspreis der DGIM: Blutdruckmedikament schützt vor frühem Nierenversagen

Ein Medikament gegen Bluthochdruck kann den Nierenschaden oft um viele Jahre hinauszögern, und auch gesunde Träger des Erbleidens profitieren von einer vorbeugenden Behandlung. Dies zeigte Professor Dr. med. Oliver Gross vom Universitätsklinikum Göttingen in zwei europaweiten Studien. Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM) zeichnet ihn dafür mit dem Präventionspreis der Deutschen Stiftung Innere Medizin (DSIM) aus.

Der Preis ist mit 10 000 Euro dotiert. DSIM-Vorsitzender Professor Dr. med. Manfred Weber aus Köln überreichte ihn am 15. April 2012 im Rahmen des 118. Internistenkongresses in Wiesbaden.

In Deutschland leben etwa 5000 Menschen in 1000 Familien mit Alport-Syndrom. Ursache sind verschiedene Veränderungen, Mutationen, auf einem Gen für das Typ-IV-Kollagen. Dieses Bindegewebseiweiß ist unter anderem im Innenohr, in der Augenlinse und in den Nieren vorhanden. Menschen mit Alport-Syndrom leiden an einer Innenohrschwerhörigkeit, Sehstörungen und einer fortschreitenden Nierenerkrankung. Mit durchschnittlich 22 Jahren sind sie – für den Rest ihres Lebens – auf wöchentliche Blutwäschen durch Dialyse angewiesen. Etwa einer von 100 Dialysepatienten in Deutschland hat ein Alport-Syndrom – viele ohne davon zu wissen.

In einer früheren Studie hatte Professor Gross dargestellt, wie genau sich die Schäden an den Nieren entwickeln: Die Mutation verändert den Aufbau einer Membran in den Filterkörperchen der Nieren. Beim Gesunden filtern etwa eine Million dieser Glomeruli Schadstoffe aus dem Blut. Patienten mit Alport-Syndrom dagegen verlieren über die Nieren Eiweiß, Blut tritt in den Urin über. Die Arbeiten von Gross legten nahe, dass ACE-Hemmer den Nierenschaden begrenzen. Viele Menschen mit Alport-Syndrom behandeln damit ihren Bluthochdruck.

Seit 2006 sammelt der Internist und Nierenexperte Gross deshalb in einem Europäischen Register Daten von Familien mit Alport-Syndrom aus ganz Europa. In der ersten ausgezeichneten Studie untersuchte er durch Vergleiche von Eltern und Kindern den Einfluss von blutdrucksenkenden ACE-Hemmern. Demnach verzögert ein früher Beginn der Hochdruck-Behandlung den Beginn der Dialyse vom 22. auf das 40. Lebensjahr.

Viele Menschen haben neben dem mutierten Alport-Gen auch ein gesundes Gen. Sie übertragen die Anlage zwar, diese prägt sich jedoch nicht in der Form aus. Die Überträger galten deshalb bisher als gesund. In der zweiten Studie konnte Professor Gross jedoch zeigen, dass auch sie im höheren Lebensalter ein Nierenversagen entwickeln können. Und auch bei ihnen kann die Einnahme von ACE-Hemmern das Fortschreiten der Erkrankung aufhalten. Experten schätzen, dass 0,5 bis 1 Prozent aller Menschen Träger einer Alport-Mutation sind.

Nach Ansicht der Juroren der Deutschen Stiftung Innere Medizin „belegen die beiden Studien überzeugend den Stellenwert einer medikamentösen Prävention beim Alport-Syndrom“, sagt DGIM-Generalsekretär Professor Dr. med. Ulrich R. Fölsch aus Kiel. Die Untersuchungen seien zudem von allgemein-internistischer Bedeutung, so die Jury. Denn sie zeigen, dass tendenziell die gleichen Aussagen auch für die vielen Merkmalsträger mit nur einem kranken Gen zutreffen.

Die DGIM verleiht den Präventionspreis der Deutschen Stiftung für Innere Medizin jährlich für herausragende Publikationen aus dem deutschsprachigen Raum über Themen der Primär- und Sekundär-Prävention innerer Erkrankungen. Sowohl experimentelle Ergebnisse als auch epidemiologisch interessante Fragestellungen kommen für die Preisverleihung in Betracht.

Literatur:
Gross, O, et al.: Early angiotensin-converting enzyme inhibition in Alport syndrome delays renal failure and improves life expectancy.; Kidney Int. 2012 Mar;81(5):494–501. doi: 10.1038/ki.2011.407.

Gross, O et a.l: Incidence of renal failure and nephroprotection by RAAS inhibition in heterozygous carriers of X-chromosomal and autosomal recessive Alport mutations.
Kidney Int. 2012 Jan 11. doi: 10.1038/ki.2011.452.

Kontakt für Journalisten:
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