Miller-Preis für Früherkennung von malignen Mundhöhlenläsionen

Der Deutsche Miller-Preis wird vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde DGZMK jährlich als Anerkennung für die beste wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde seit 1908 und nach Unterbrechung seit 1961 vergeben.

Nicht in jedem Jahr wurden die eingereichten Studien für preiswürdig befunden: 2008 wurde erstmals nach einem preislosen Intervall von drei Jahren der mit 10.000 Euro dotierte Preis beim Deutschen Zahnärztetag in Stuttgart im Oktober 2008 wieder vergeben: an Privatdozent Dr. Dr. Oliver Driemel.

Titel der Studie: „Identifikation oraler Risikoläsionen und Karzinome mittels oraler Zytologie – Immunzytochemische, massenspektrometrische (SELDI), DNA-zytometrische und quantitative mRNA-Analyse oraler Bürstenbioptate.“ Dahinter „versteckt“ sich die moderne Form des zytologischen Abstrichs, mit Hilfe dessen „verdächtige“ Schleimhautveränderungen in der Mundhöhle ohne Skalpell überprüft und mit hoher Sicherheit der Aussage überprüft werden können. Die Folge: Bürste ersetzt (zumindest vorläufig) Messer!

Die „gewöhnliche“ Zytologie mit Auswertung nach Papanicolau, wie sie in der Gynäkologie zu großen Erfolgen in der Frühbehandlung von Zervixkarzinomen geführt hat, gelingt in der Mundhöhle nicht mit gleicher Aussagekraft, da das Mundhöhlenepithel verhornt und die entscheidenden Zellen mit einem einfachen Wattestab-Abstrich nicht gewonnen werden können. Hier hilft die Verwendung von relativ harten Bürstchen weiter. Entscheidend für die Aussagekraft der sogenannten Bürstenbiopsie sind jedoch die in Driemels Studie erstmals immunzytochemisch markierten extrazellulären Matrixproteine wie die Gamma2-Kette von Laminin-5 und hochmolekularem Tenascin-C. Diese sind Schlüsselproteine der Invasions- und Metastasierungskaskade von oralen Plattenepithelkarzinomen. Die immunzytochemische Markierung von atypischen Zellen in den Bürstenbiopsiepräparaten erleichtert das Auffinden der diagnoseentscheidenden Zellen, rationalisiert die Diagnostik und ermöglicht eine hohe Sicherheit der Interpretation. Daraus resultiert eine Sensitivität (Karzinom richtig erkannt) von 95 % und eine Spezifität von 99 % (nur einer von 100 positiven Tests ist falsch positiv).

Entwickelt hatte Privatdozent Dr.Dr. Driemel diese Technologie während seiner Facharztausbildung an der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen des HELIOS Klinikums Erfurt bei Chefarzt Prof. Dr.Dr. Hans Pistner und in enger Zusammenarbeit mit Professor Dr. Hartwig Kosmehl, Chefarzt des Institutes für Pathologie am gleichen Klinikum, zugleich einem sehr versierten und anerkannten Oralpathologen. An der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universität Regensburg (Prof. Dr. Dr. T. E. Reichert) wurden die Daten vervollständigt und die Technik zur Rezidivüberwachung erweitert. Preisträger Driemel hat zu diesem Thema an der Universität Regensburg habilitiert. Im Verlauf wurden die Studien mit Mitteln der Europäischen Union FP6, LSCH-CT-2003-5032, Stroma und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung BMBF unterstützt.

Die hohe Sensitivität der methodisch erweiterten und abgesicherten Bürstenzytologie empfiehlt diese Technik als ersten diagnostischen Schritt im Rahmen des Monitorings von Mundschleimhautläsionen. Positiver Befund und Progression der Läsion bei negativem Befund sind hiernach Indikationen zur Überweisung des Patienten an Fachkliniken und zur dort durch zu führenden histopathologischen Kontrolle. Sie sollen immer dann zum Einsatz kommen, wenn eine Schleimhautläsion klinisch als nicht dringend tumorverdächtig angesehen wird und zunächst durch Beobachtung verfolgt wird. In diesen Fällen sind Bürstenbiopsie-basierende Verfahren geeignet, diagnostische Fehleinschätzungen frühzeitig zu erkennen. Bei jedem klinisch eindeutigem Karzinom-Verdacht erübrigen sich sämtliche Verfahren der oralen Bürstenbiopsie, denn es wird unmittelbar eine Skalpellbiopsie erforderlich. Durch frühe Überweisung in eine Fachklinik kann die notwendige chirurgische Therapie im Umfang kleiner bleiben.

Krebserkrankungen der Mundhöhle sind meist Plattenepithelkarzinome und sind keineswegs selten. Nach Schätzungen des Robert-Koch-Institutes für das Jahr 2004 erkranken jährich 7620 Männer und 2780 Frauen an diesem Typ Malignom. Es handelt sich damit um den siebthäufigsten Tumor bei der männlichen Bevölkerung. Die Überlebenswahrscheinlichkeit und Lebensqualität eines Patienten sind um so höher, je kleiner der Tumor bei Diagnosestellung und Behandlungsbeginn war.

Die Bürstenbiopsie hat inzwischen den Weg als Routinemethode in die meisten Thüringer mund-, kiefer- und gesichtschirurgischen Praxen sowie in viele zahnärztliche Praxen gefunden. Sie ist jedoch auch von Interesse für hals-nasen-ohren-ärztliche und dermatologische Kollegen.

Bürsten, Objektträger, eine Anleitung und Versandmaterial können bei Interesse zur Probe bei Professor Kosmehl (Telefon 0361-781 2750 ) angefordert werden.

Media Contact

Markus Brakel idw

Weitere Informationen:

http://www.dgzmk.de

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