Leibniz-Gemeinschaft prämiert Nachwuchsforscher

Die Leibniz-Gemeinschaft hat die besten Doktorarbeiten, die in den vergangenen zwei Jahren an Leibniz-Instituten entstanden sind, auf ihrer Jahrestagung in Magdeburg mit dem Leibniz-Nachwuchspreis ausgezeichnet. Die prämierten Arbeiten entstanden an Instituten in Kiel, Halle (Saale) und Göttingen.

Der Nachwuchspreis in der Kategorie „Geistes- und Sozialwissenschaften“ wurde in diesem Jahr an zwei Preisträger verliehen, deren Arbeiten sich beide auf besonders innovative Art und Weise dem Bereich der Arbeitsmarktpolitik unter ökonomischen Gesichtspunkten widmen. Dabei sind erstaunliche Parallelen zwischen der ländlichen Arbeitslosigkeit in China und der Langzeitarbeitslosigkeit in Ostdeutschland festzustellen, für die beide Arbeiten Lösungsansätze aufzeigen.

In der Kategorie „Natur- und Technikwissenschaften“ wurde eine neurowissenschaftliche Arbeit zur selektiven Aufmerksamkeit prämiert, die Möglichkeiten für eine Behebung von Aufmerksamkeitsstörungen (z.B. ADHS) verspricht.

Ansatzpunkte für eine verbesserte Arbeitsmarktteilnahme der oft in extremer Armut lebenden ländlichen Bevölkerung Chinas liefert die Doktorarbeit von Dr. Xiaobing Wang. Ihre Arbeit zeigt, wie die meist prekäre Einkommenssituation der Menschen zu verbessern und die hohe Arbeitslosigkeit zu reduzieren ist. Die aus China stammende Wissenschaftlerin arbeitet am Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa (Halle/Saale) und widmete ihre Dissertation „Labor Market Behavior of Chinese Rural Households during Transition“ einer theoretisch fundierten empirischen Untersuchung des Arbeitsmarktverhaltens und der Arbeitsmarktintegration chinesischer Landwirtschaftshaushalte.

Trotz des Aufstiegs Chinas zur Wirtschaftsmacht und viertgrößten Volkswirtschaft der Erde in den vergangenen Jahren konzentrieren sich der Aufschwung und Wohlstand auf die Metropolen des Landes. Rund 70 Prozent der chinesischen Bevölkerung lebt auf dem Land, wo ein weitaus geringeres Einkommensniveau als in Chinas Städten vorzufinden ist. Darunter sind etwa 100 Millionen Menschen, zumeist Kleinbauern, die dort in extremer Armut leben. Dies ist häufig nicht zuletzt die Folge geringer Erwerbs- bzw. Einkommensmöglichkeiten in der Landwirtschaft, verbunden mit dem Mangel an alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten in ländlichen Regionen. Dem entsprechend empfiehlt Wang etwa eine Forcierung ländlicher Bildungsinitiativen, den Abbau von Faktormarktrestriktionen oder auch die Förderung von Beschäftigungsalternativen außerhalb der Landwirtschaft, um dem Problem entgegen zu treten.

Wangs Arbeit lieferte auch einen bemerkenswerten Beitrag zur theoriegestützten empirischen Arbeitsmarktökonomik. Ihr Dissertationsprojekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Das Projekt erhielt 2006 den Preis des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft und der DFG für ein besonders förderungswürdiges Projekt in den Agrarwissenschaften. Die der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zeichnete die Arbeit als eine der besten Dissertationsschriften des Jahres 2007 aus.

Wege zum Abbau der lang anhaltenden Arbeitslosigkeit untersuchte Dr. Christian Merkl vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel in seiner Dissertation „Monetary and Labor Policies under Market Frictions“. Der 29-jährige Volkswirtschaftler analysierte mit Hilfe einer Simulationsstudie u.a. verschiedene Kombilohnmodelle und ihre Auswirkungen.

So konnte Merkl unter anderen zeigen, dass nach gängigen volkswirtschaftlichen Modellen die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland in den vergangenen Jahren stärker hätte zurückgehen müssen. Dass dies nicht der Fall ist, erklärt Merkl mit dem Entstehen von Arbeitsmarktfallen: Durch das Herausdrängen der ostdeutschen Arbeitnehmer aus dem Arbeitsmarkt verloren diese Berufserfahrung, Arbeitsroutine und den Anschluss an neue technische Entwicklungen, was ihre Wiedereingliederung in den Arbeitsalltag deutlich erschwert. In diesem Zusammenhang beleuchtet Merkl verschiedene politische Strategien zur Stimulation des ostdeutschen Arbeitsmarktes (Senkung der Lohnkosten durch niedrigere Arbeitslosenunterstützung, Einstellungsgutscheine oder Weiterbildungsgutscheine) und prognostiziert deren Vor- und Nachteile für den Arbeitsmarkt.

In einem weiteren Ansatz verglich Merkl dauerhafte Lohnsubventionen für Niedrigqualifizierte („Kombilöhne“) und temporäre Lohnsubventionen für Gesamtdeutschland („Einstellungsgutscheine“). Er legt dar, dass die temporären Einstellungsgutscheine den dauerhaften Kombilöhnen unter dem Aspekt der Kosteneffizienz vorzuziehen sind. Diese können selbstfinanzierend gestaltet werden, da Mitnahmeeffekte durch Arbeitnehmer, die auch ohne diese Subventionen eingestellt worden wären, nur relativ gering ausfallen würden.

Christian Merkl hat am Institut für Weltwirtschaft Kiel den Forschungsbereich „Geldpolitik unter unvollkommenen Märkten“ neu aufgebaut und hat seit Ende 2007 darüber hinaus eine Juniorprofessur an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel inne.

Kontakt:
Dr. Xiaobing Wang (Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa)
Tel.: (0345)29 28 124
E-Mail: wang@iamo.de
Dr. Christian Merkl (Institut für Weltwirtschaft Kiel)
Tel.: (0431) 8814 260
E-Mail: christian.merkl@ifw-kiel.de
Die Ausrichtung von Aufmerksamkeit und damit eine der wichtigsten kognitiven Fähigkeiten höherer Lebewesen stand im Mittelpunkt der mit dem Nachwuchspreis der Leibniz-Gemeinschaft in der Kategorie „Natur- und Technikwissenschaften“ ausgezeichneten Dissertation von Dr. Laura Busse (31). Die Arbeit mit dem Titel „Der Einfluss selektiver Aufmerksamkeit auf die sensorische Verarbeitung visueller Bewegung“ („Effects of Selective Attention on Sensory Processing of Visual Motion“) entstand am Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen und im PhD-Programm des Center for Systems Neuroscience an der Georg-August-Universität Göttingen.

Ohne die Fähigkeit, aus einer Flut von Informationen den Anteil zu selektieren und zu verarbeiten, der in der jeweiligen Situation von Bedeutung ist, wäre eine Orientierung nur schwer möglich. Wenn das Aufmerksamkeitssystem nicht einwandfrei funktioniert, treten große Problem auf, wie zum Beispiel bei dem in letzter Zeit viel diskutierten „Zappelphilipsyndrom“ bzw. „Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom“ (ADHS). Die Ergebnisse der Arbeit von Laura Busse sind daher in mehrfacher Hinsicht von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Sie reichen von Einsichten in die grundlegenden physiologischen Mechanismen von Aufmerksamkeit über Erkenntnisse, mit deren Hilfe Aufmerksamkeitsstörungen möglicherweise behoben werden können, bis zu Hinweisen für technische Anwendungen, bei denen mit Aufmerksamkeits-ähnlichen Prozessen die Informationsflut kontrolliert werden muss. Die Arbeit von Laura Busse verbindet Erkenntnisse der theoretischen Neurowissenschaften mit Ergebnissen aus einer Serie von elektrophysiologischen Ableitungen aus der Großhirnrinde wacher Rhesus-Affen und mehrerer psychophysischer Versuchsreihen mit menschlichen Probanden, in denen computergesteuert visuelle Reize dargestellt wurden und die Verhaltensreaktion der Probanden gemessen wurde. Das Forschungsinteresse von Frau Busse gilt der Verarbeitung von visueller Informationen im zentralen Nervensystem und deren Modulation durch Aufmerksamkeit. Zurzeit ist Laura Busse mit einem Postdoc-Stipendium der Leopoldina am Institute of Ophthalmology des University College London tätig.

Kontakt:
Dr. Laura Busse (University College London, Institute of Ophtalmology)
Tel.: +44 (0) 20 7604 4006
E-Mail: l.busse@ucl.ac.uk
Der Nachwuchspreis der Leibniz-Gemeinschaft wird jährlich für die besten Doktorarbeiten aus Leibniz-Instituten in den Kategorien „Geistes- und Sozialwissenschaften“ und „Natur- und Technikwissenschaften“ vergeben, die mit jeweils 3000 Euro dotiert sind. Die Auswahl über die Preisträger trifft eine zwölfköpfige Jury unter der Leitung von Prof. Dr. Joachim Treusch (Präsident der Jacobs University Bremen) aus den Vorschlägen der wissenschaftlichen Fachsektionen der Leibniz-Gemeinschaft.

Einzelportraits der Preisträger können auf Anfrage unter herbort@leibniz-gemeinschaft.de zur Verfügung gestellt werden.

Pressekontakt:
Christoph Herbort-von Loeper
Tel.: 030 / 20 60 49 – 48
Mobil: 0174 / 310 81 74
herbort@leibniz-gemeinschaft.de
Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören 82 außeruniversitäre Forschungsinstitute und Serviceeinrichtungen für die Wissenschaft sowie sechs assoziierte Mitglieder. Leibniz-Institute bearbeiten gesamtgesellschaftlich relevante Fragestellungen strategisch und themenorientiert. Dabei bedienen sie sich verschiedener Forschungstypen wie Grundlagen-, Groß- und anwendungsorientierter Forschung. Sie legen neben der Forschung großen Wert auf wissenschaftliche Dienstleistungen sowie Wissenstransfer in Richtung Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Die Institute beschäftigen rund 14.200 Mitarbeiter und werden gemeinsam von Bund und Ländern finanziert. Ihr Gesamtetat beträgt etwa 1,1 Milliarden Euro, wovon ca. 230 Millionen Euro aus Drittmitteln stammen.

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Christoph Herbort-von Loeper idw

Weitere Informationen:

http://www.leibniz-gemeinschaft.de

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