Intelligente Dämme in der Datenflut

Handelt es sich beim klassischen Röntgenbild um eine zweidimensionale Abbildung aus dem Körperinnern, so erlauben neue Technologien und die extrem schnelle Computer inzwischen dreidimensionale Darstellungen unserer Organe. Jetzt stoßen die Spezialisten in eine neue Dimension vor: Mit funktionellen Messungen der Organe erfassen sie Veränderungen im Zeitverlauf – und damit in der vierten Dimension.

Dank einer Anschubfinanzierung durch die Heinrich-Vetter-Stiftung in Höhe von 15.000 Euro können Wissen­schaftler der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) nun ein Projekt starten, mit dem sie diesen Weg konsequent weiter verfolgen. Denn das Ziel des Forschungsvorhabens ist es, eine Software weiter zu entwickeln, mit der die Berechnung der Organ­durchblutung erleichtert wird; und zwar auf eine so anwenderfreundliche Weise, dass sie wie selbstverständlich in die klini­schen Routineabläufe der Radiologie integriert werden kann. Der bisherige Vorsitzende der Heinrich-Vetter-Stiftung, Professor Dr. Carl-Heinrich Esser, konnte sich gemeinsam mit seinem Nachfolger, Professor Dr. Peter Frankenberg, bei einem Besuch im Universitätsklinikum von den Vorteilen des Verfahrens überzeugen.

Angesiedelt ist das Forschungsprojekt am Lehrstuhl für Computerunterstützte Klinische Medizin an der Medizini­schen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg und damit bei Professor Dr. Lothar Schad, der die enge Zusammenarbeit mit dem Institut für Klinische Radiologie und Nuklearmedizin hervorhebt: „Seit Conrad Röntgen wissen wir, dass Physik und Medizin gemeinsam unglaublich viel bewirken können,“ blickt Schad in die Geschichte der Medizintechnik zurück. Und er weiß, wovon er spricht. Denn der Kernphysiker arbeitet tagtäglich eng mit seinen Arztkollegen aus der Radiologie zusammen. „So kurze Wege, wie wir sie hier in der Universitätsmedizin haben, und dazu eine ausgeprägte Wertschätzung für die Arbeit des anderen – das ist die ideale Ausgangsbasis, damit neue Entwicklungen aus der Physik schnell in die medizinische Anwendung gelangen. Davon profitieren Patienten mit verschiedensten Erkrankungen.“

Der Messung des Blutdurchflusses, der so genannten Perfusion, liegt mit der Magnetresonanztomographie (MRT) ein bewährtes bildge­bendes Verfahren zugrunde. Diese nicht-invasive Technik arbeitet ohne Strahlenbelastung für die Patienten und wird in der medizinischen Diagnostik vor allem zur Darstellung von Struktur und Funktion des Körpergewebes und der inneren Organe eingesetzt. Die Messung der Organdurchblutung ist mittlerweile ein wichtiger Bestand­teil in der Diagnostik und Therapie vieler Krankheitsbilder, etwa des Prostatakarzinoms oder der Nierenfehlfunk­tion.

Eine besondere Herausforderung ist jedoch der Umgang mit der dabei unweigerlich anfallenden Datenflut. Und genau hier setzt das Projekt an: Die moderne Informationstechnologie soll die Zahl der Abbildungen, die bei jeder dieser Messungen in die Tausende geht, eigenständig durchforsten und das Resultat übersichtlich darstellen. Denn erst solche intelligenten Dämme machen die Datenflut kanalisierbar und damit wirklich handhabbar.

„Im rein wissenschaftlichen Umfeld sind bereits sehr brauchbare Techniken zur Darstellung der Perfusion entstanden, aber sie haben noch keinen Einzug in die klinische Rou­tine gehalten,“ sagt Privat-Dozent Dr. Gerald Weisser, Oberarzt und Teleradiologie-Spezialist im Institut für Klinische Radiologie und Nuklearmedizin. „Nun geht es uns um die Integration dieser Verfahren in das klinische Befundungssystem und damit in unseren Arbeitsalltag. Dabei bauen wir auf die weltweit eingesetzte und frei verfügbare DICOM Worksta­tion OsiriX, die es uns erlaubt, eigene Weiterentwicklungen dort in Form eines Plugins anzudocken.“ Seinen Ansatz wird Weisser übrigens dieser Tage, nämlich am 6. Juni, beim Deutschen Röntgenkongress der Fachwelt vorstellen.

„Damit machen wir unsere Entwicklung auch Dritten zugänglich, beispielsweise anderen Kliniken“, ergänzt Dr. Ing. Frank Zöllner vom Institut für Computerunterstützte Klinische Medi­zin. Die Förderung durch die Heinrich-Vetter-Stiftung ist eine Anschubfinanzierung für einen Projektantrag bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Damit bildet sie eine verheißungsvolle Basis dafür, dass eines nicht allzu fernen Tages die MRT-gestützte Perfusions-Bildge­bung ganz normaler Krankenhausalltag wird.

Media Contact

Klaus Wingen idw

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