Innovation und Erlösung

Was unterscheidet einen Abwassermeister von einem Juristen? Der Regensburger Zivilrechtler Professor Dr. Dieter Schwab hat das geltende Recht nach dem Begriff „Innovation“ durchforstet und dabei festgestellt, dass von Abwassermeisterinnen und Abwassermeistern „Fähigkeit zur Innovation“ verlangt wird. In den Ausbildungsordnungen der Juristen ist diese Eigenschaft bislang nicht enthalten.

Dass Juristen gleichwohl zur Innovation fähig sind, verdeutlichte Schwab in seinem brillanten Festvortrag „Juristische Innovation“ anlässlich der Feierstunde zur Verlängerung des Bayreuther Graduiertenkollegs „Geistiges Eigentum und Gemeinfreiheit“ und der Verleihung des Carl-Gareis-Preises.

Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Graduiertenkolleg besteht seit 2006. Jetzt wurde es bis 2015 verlängert. Auch bei dem „Geistigen Eigentum“ – zu diesem Rechtsgebiet gehört auch der rechtliche Schutz technischer Innovationen, etwa durch Patente – hatte es sich um eine juristische Innovation gehandelt; einem römischen Juristen wäre der Gedanke eines Eigentums an geistigen, also nichtkörperlichen Schöpfungen kaum zu vermitteln gewesen.

In einem rechtshistorischen Überblick zeichnete Schwab die Geschichte juristischer Innovationen nach. Mit dem Verfall des Römischen Rechts sei ein Bedürfnis für neue juristische Begriffe entstanden. Oft verlief das nicht ohne Konflikte; die „Anfechtung“, die rückwirkende Vernichtung eines Rechtsgeschäfts, war dem germanischen Rechtsdenken fremd. Oft bestand ein Gegensatz zwischen Innovation und Althergebrachtem, zwischen „Lex Nova“, dem Gesetz der Christen, und den „Gewohnheiten der Heiden“. Als „eine der großartigsten juristischen Innovationen überhaupt“ bezeichnete Schwab die juristische Person. Dass Gerichte dieser Innovation zunehmend Persönlichkeitsrechte, eine andere Innovation, zusprechen, sah Schab aber skeptisch. Schon sei von einer „Ehre des Frankfurter Flughafens“ die Rede – wann werde juristischen Personen wohl eine Intimsphäre zugestanden?

Vieles, was aktuell als Innovation bezeichnet werde, sei nur „Wortgeklingel“, zu dem auch der zunehmende Gebrauch der englischen Sprache verführe. Als eine Distanzierung von der Wissenschaftssprache Englisch wollte Schwab dies aber ausdrücklich nicht verstanden wissen. Und auch das fortbestehende Bedürfnis nach juristischen Innovationen nicht bestreiten.

Für viele juristische Innovationen zeichneten, so Schwab, gerade Juristen mit einem historischen Zugang zum Recht verantwortlich, darunter viele Rechtshistoriker. Zu ihnen gehörte auch der Zivilrechtler Carl Gareis (1844-1923), der in Würzburg, Bern, Könisgberg, Gießen und München lehrte und als „Erfinder“ der Persönlichkeitsrechte gilt. Viele Jahre war er vergessen, erst allmählich wird er von der rechtshistorischen Forschung „wiederentdeckt“. Als junger Referendar hatte Gareis ab 1869 auch in Bayreuth gelebt, seit 2009 vergibt die Bayreuther Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät einen „Carl- Gareis-Preis“ für herausragende Bayreuther Dissertationen auf dem Gebiet der Rechtsgeschichte oder des Geistigen Eigentums.

Dieses Jahr wurde Franz Hofmann ausgezeichnet. Der 1981 geborene Rechtsreferendar darf sich selber zu den juristischen Innovateuren rechnen: In seiner 2009 erschienen und von Ansgar Ohly betreuten Dissertation entwickelte er eine Lehre der „immaterialgüterrechtlichen Anwartschaftsrechte“.

Dass die Auszeichnung von Hofmann mit der Feierstunde zur Verlängerung des Graduiertenkollegs zusammenfiel, war kein Zufall, denn auch die preisgekrönte Arbeit war im Bayreuther Graduiertenkolleg entstanden. Über 30 Dissertationen wurden seit Errichtung in dem Kolleg geschrieben, die meisten mit der Bestnote bewertet, daneben erschienen zahlreiche Sammelbände und eine bereits in zweiter Auflage vorliegende und in der Praxis bewährte Vorschriftensammlung zum Geistigen Eigentum. Derzeit arbeiten in dem Graduiertenkolleg rund 20 Kollegiaten.

Graduiertenkollegssprecher Diethelm Klippel und sein Stellvertreter Ansgar Ohly erinnerten in zwei kurzen Ansprachen an die Gründung des Kollegs, als die spätere Erfolgsgeschichte noch nicht absehbar war. Dekan Jochen Sigloch bezeichnete die Errichtung des Kollegs 2006 durch die DFG als eine „Erlösung“ für die Fakultät. Bei dem obligatorischen Berichtskolloquium der DFG-Anfang 2010 erhielt das Kolleg nun Bestnoten und höchste Förderpriorität. Jetzt kann es viereinhalb Jahre weitergehen. Weitere Innovationen zum Recht des Geistigen Eigentums sind aus Bayreuth zu erwarten. Und weiterhin gilt für viele Immaterialgüterrechtler, was Carl Gareis 1919 schrieb: „Es war recht angenehm und heiter zu leben in Bayreuth“.

Media Contact

Frank Schmälzle Universität Bayreuth

Weitere Informationen:

http://www.uni-bayreuth.de

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