Individuell angepasste Therapien stellen hohe Anforderungen an klinische Studien

Individualisierte Therapien eignen sich nicht gleichermaßen für alle Patienten mit einer bestimmten Krankheit: Sie kommen ganz gezielt z.B. abhängig von molekularen Markern, Ausprägung der Erkrankung oder Kombinationen mehrerer Eigenschaften zum Einsatz. So wirkt beispielsweise das Krebsmedikament Vemurafenib, das bisher zur Behandlung des schwarzen Hautkrebs zugelassen ist, nur bei Tumoren, in denen das körpereigene Eiweiß BRAF überaktiviert ist.

Diese Komplexität stellt besondere Anforderungen an klinische Studien, mit denen die Wirksamkeit neuer Therapien überprüft wird. Die Planung qualitativ hochwertiger und effizienter Studien zu erleichtern sowie geeignete Werkzeuge dafür zu entwickeln, ist Ziel eines neuen Verbundprojekts unter Federführung von Professor Dr. Meinhard Kieser, Direktor des Instituts für Medizinische Biometrie und Informatik am Universitätsklinikum Heidelberg. Das Verbundprojekt „Biostatistische Methoden zur effizienten Evaluation von Individualisierten Therapien“ (BIMIT) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in den kommenden drei Jahren im Rahmen des Programms „Mathematik für Innovationen in Industrie und Dienstleistungen“ mit insgesamt 735.000 Euro gefördert.

Die Kooperationspartner der Universitäten Heidelberg, Göttingen und Bremen sowie aus der pharmazeutischen Industrie haben sich nun in Heidelberg getroffen, um erste Ergebnisse zu diskutieren und neue Ideen aus der Praxis einzubeziehen.

Die intensive molekularbiologische und medizinische Forschung der letzten Jahre hat gezeigt, dass kaum eine Erkrankung bei allen Patienten gleich verläuft. Insbesondere Krebserkrankungen des gleichen Organs unterscheiden sich häufig in den molekularen Ursachen für die Tumorentstehung, den betroffenen Stoffwechsel- bzw. Signalwegen innerhalb der Tumorzellen und damit auch im Ansprechen auf die gängigen Therapien. Kontinuierlich werden neue Biomarker, spezifische Störungen in Stoffwechselwegen oder genetische Eigenheiten entdeckt, die in Zukunft Angriffspunkte für neue, gezielte Therapien bieten oder Hinweise auf den weiteren Krankheitsverlauf sowie die benötigte Therapieintensität geben könnten.

Einige Variablen zu beachten

Ein Beispiel für den erfolgreichen Einsatz einer individuell angepassten Therapie, die sich gezielt nach den Eigenschaften des jeweiligen Tumor richtet, ist Brustkrebs: Bei ca. 15 Prozent der Patientinnen bildet der Tumor ein bestimmtes Protein, den Rezeptor Her2/neu, im Übermaß. Sie profitieren von gezielt gegen dieses Protein gerichteten Wirkstoffen wie Trastuzumab, der Her2/neu blockiert und damit die Heilung unterstützt. Allen anderen Patientinnen bringt diese sehr teure Therapie keine Vorteile.

Her2/neu zeigt beispielhaft das Dilemma, vor dem die Planer klinischer Studien stehen. Bei Her2/neu gibt es z.B. auch Tumoren, die das Protein zwar verstärkt, aber nicht in so großen Mengen bilden wie andere Tumoren. „Häufig sind die Biomarker nicht perfekt“, erklärt Professor Dr. Meinhard Kieser, der das Verbundprojekt leitet und koordiniert. „In den klinischen Studien musste dann genau geklärt werden, bei welchen Patientinnen der Einsatz sinnvoll und zu rechtfertigen ist.“ In eine entsprechende Studie sollten also alle Patientengruppen eingeschlossen werden, die von dem neuen Wirkstoff potentiell profitieren könnten, aber möglichst wenige Patienten unnötig mit einer bei ihnen unwirksamen Therapie belastet werden. Gleichzeitig darf die untersuchte Gruppe nicht so weit gefasst sein, dass die Wirkung, die nur bei einem kleinen Teil der Probanden eintritt, statistisch nicht erfasst und damit übersehen werden kann. Auch Wiederholungen der Studien mit Untergruppen, die zunächst nicht berücksichtigt wurden, gilt es unter finanziellen und ethischen Gesichtpunkten zu vermeiden.

„Speziell bei klinischen Studien zu individualisierten Therapien müssen zahlreiche Aspekte berücksichtigt werden“, so Kieser. „Unser Konsortium wird in den kommenden drei Jahren biostatistische Methoden und Lösungen erarbeiten, damit klinische Studien selbst unter so komplexen Fragestellungen effizient und unter hohen Qualitätsstandards durchgeführt werden können.“ Ziel ist es, im Rahmen einer Studie möglichst viele Fragen gleichzeitig zu beantworten und damit wirksame Therapien deutlich schneller als bisher für die Patienten verfügbar zu machen.

Informationen im Internet:
http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Homepage-Abteilung.7980.0.html
http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/BIMIT-Kick-off-Workshop-2013.134725.0.html
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Meinhard Kieser
Direktor des Instituts für Medizinische Biometrie und Informatik
Ruprecht-Karls Universität Heidelberg
Tel.: 06221 / 56 41 40
E-Mail: meinhard.kieser@imbi.uni-heidelberg.de
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Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 11.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit ca. 2.200 Betten werden jährlich rund 118.000 Patienten voll- bzw. teilstationär und rund 1.000.000 mal Patienten ambulant behandelt. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit studieren ca. 3.500 angehende Ärztinnen und Ärzte in Heidelberg.

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