Herzerkrankungen an der molekularen Wurzel gepackt

Dauerhafter Bluthochdruck sowie Engstellen an Herzklappen oder Aorta bedeuten Schwerstarbeit für das Herz. Kompensiert es diese Belastung durch übermäßiges Muskelwachstum, können chronische Herzschwäche bis hin zum Herzversagen die Folgen sein.

Das Multifunktionseiweiß CaMKII reguliert die Anpassung des Herzens an Belastung, macht es aber auch anfällig für chronische Herzschwäche. Wie man diesen Negativeffekt des Proteins vermeiden kann, daran forscht ein Team um Dr. Johannes Backs, Kardiologe an der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg. In den kommenden zwei Jahren wird die Arbeitsgruppe dabei von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) mit dem Klaus-Georg-und-Sigrid-Hengstberger-Foschungsstipendium in Höhe von 50.000 Euro unterstützt.

Signalweg zu krankhaftem Herzmuskelwachstum unterbrochen

Neben Bluthochdruck und verengten Herzklappen sind Übergewicht und Alter weitere Risikofaktoren für eine chronische Herzschwäche: Mehr als 40 Prozent der über 70-Jährigen leiden an einer Herzmuskelhypertrophie. Eine Therapie, die diesen Krankheitsmechanismus gezielt auf molekularer Ebene stoppt, gibt es bisher nicht.

Dr. Backs zeigte 2009 mit seinem internationalen Forscherteam an gentechnisch veränderten Mäusen, die das Protein CaMKII (Calcium/Calmodulin-abhängige Kinase II) nicht bilden können: Ohne dieses Eiweiß fällt das krankhafte Muskelwachstum des Herzens (Hypertrophie) bei Belastungsstress nur gering aus. „Da CaMKII aber viele weitere Funktionen im Herzen erfüllt, kann es schädlich sein, dieses Protein auszuschalten. Wir wollen daher gezielt seine Wirkung auf andere Eiweiße, die ebenfalls eine Rolle bei diesem Mechanismus spielen, blockieren“, erklärt der Leiter einer Emmy Noether-Forschungsgruppe in der Abteilung für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie.

Vielversprechender Kandidat für eine solche gezielte Blockade ist das Eiweiß Histon-Deacetylase 4 (HDAC4), welches übermäßiges Muskelwachstum hemmt, von CaMKII aber deaktiviert wird. Im Tierversuch erproben die Wissenschaftler nun einen neuen Therapieansatz, um das zu verhindern: Mit Hilfe von künstlich hergestellten Viren, die keine Erkrankung auslösen, schleusen sie den genetischen Bauplan für eine veränderte Version von HDAC4 in die Herzzellen. Diese bilden dann das neue Protein, das nicht mehr von CaMKII deaktiviert werden kann. „So schützen wir das Herz vor übermäßigen Muskelwachstum, ohne weitere Funktionen von CaMKII oder HDAC 4 zu blockieren“, erklärt Backs.

Gentherapie bei Herzrhythmusstörungen zeigt Erfolg im Tierversuch

Erfolge mit einer Gentherapie gegen Vorhofflimmern erzielten Olympia Bikou und Privatdozent Dr. Dierk Thomas, Arbeitsgruppe Molekulare und Translationale Kardiale Elektrophysiologie in der Abteilung für Kardiologie der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg. Bisher gibt es keine Therapie, die direkt an den molekularen Ursachen der Herzrhythmusstörung angreift. Die beiden Wissenschaftler stellten im Tierversuch fest, dass Vorhofflimmern mit einer um die Hälfte verringerten Konzentration eines bestimmten Eiweißes (Connexin 43) im Herzen einhergeht.

Sie schleusten DNS-Moleküle mit dem genetischen Bauplan dieses Proteins in die Herzzellen von Schweinen, die daraufhin verstärkt Connexin 43 herstellten. Bei diesen Tieren konnte im Gegensatz zu unbehandelten Schweinen kein Vorhofflimmern mehr ausgelöst werden. Für diesen vielversprechenden Therapieansatz erhielt das Team auf der Jahrestagung der DGK vom 27. bis 30. April in Mannheim den mit 10.000 Euro dotierten Wolfgang-Trautwein-Forschungspreis 2011.

Wirkungsweise des Herzschrittmacher-Gens charakterisiert

Noch ein weiteres Projekt der Arbeitsgruppe um Dr. Thomas wurde prämiert: Dr. Patrick A. Schweizer, ebenfalls Kardiologe am Universitätsklinikum, erforscht die Entstehung des Herzrhythmus. Bei einer Familie mit erblichen Herzrhythmusstörungen fand er eine bisher unbekannte Veränderung in der genetischen Information für ein bestimmtes Eiweiß (HCN4), das für die Herzrhythmus-Entstehung maßgeblich verantwortlich ist. Familienmitglieder mit diesem Fehler im Erbgut hatten zusätzlich zu der Rhythmusstörung eine deutlich niedrigere Herzschlagfrequenz als ihre gesunden Verwandten. Daraus folgerten die Wissenschaftler, dass dieses Protein eine wesentliche Rolle bei der Regulation von Herzfrequenz und -rhythmus spielt. Dr. Schweizer wurde für diese Arbeit von der DGK mit dem Woldemar-Mobitz-Forschungspreis 2011 ausgezeichnet. Der Preis ist mit 6.000 Euro dotiert.

Kontakt:
Dr. Johannes Backs
Leiter der Emmy Noether-Forschungsgruppe
Abteilung für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie
Medizinische Universitätsklinik Heidelberg
Tel.: 06221 / 56 37 714
E-Mail: johannes.backs@med.uni-heidelberg.de
Priv.-Doz. Dr. med. Dierk Thomas
Leiter der Arbeitsgruppe Ionenkanäle und kardiovaskuläre Erkrankungen
Abteilung für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie
Medizinische Universitätsklinik Heidelberg
Tel.: 06221 / 56 88 55 (Sekr.)
E-Mail: Dierk_Thomas@med.uni-heidelberg.de
Dr. med. Patrick Schweizer
Abteilung für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie
Medizinische Universitätsklinik Heidelberg
Tel.: 06221 / 56 88 55 (Sekr.)
E-Mail: Patrick_Schweizer@med.uni-heidelberg.de
Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der größten und renommiertesten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international bedeutsamen biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung neuer Therapien und ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 10.000 Mitarbeiter und sind aktiv in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 Departments, Kliniken und Fachabteilungen mit ca. 2.000 Betten werden jährlich rund 550.000 Patienten ambulant und stationär behandelt. Derzeit studieren ca. 3.600 angehende Ärzte in Heidelberg; das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland.
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Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Universitätsklinikums Heidelberg
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