Goldgrube statt Millionengrab

500 Milliarden Euro – diese unvorstellbar große Summe geben deutsche Unternehmen insgesamt jährlich für Rohstoffe und Materialien aus. Es könnten 100 Milliarden weniger sein, wenn eine höhere Effizienz beim Umgang mit Materialien und Rohstoffen erreicht würde.

Bei Unternehmen, die etwa ihre Abfälle im Produktionsprozess reduzieren, lägen die durchschnittlichen Einsparmöglichkeiten im Jahr, auf das einzelne Unternehmen umgerechnet, bei 200.000 Euro. Ein Betrag, bei dem viele Unternehmer ins Staunen geraten dürften, der ihnen aber gleichzeitig den Schweiß auf die Stirn treibt – wie bloß ist es möglich, so viel Geld einzusparen, ohne dabei die Qualität der Produkte, Technologien, Services und Verfahren zu mindern und den Aufwand exorbitant zu erhöhen? Die Frage wird umso wichtiger, weil sich der wirtschaftliche Aufschwung derzeit auf die Rohstoffpreise und Materialkosten auswirkt: In den vergangenen Wochen sind diese spürbar angezogen.

Damit haben insbesondere kleine und mittlere Unternehmen zu kämpfen – stellen doch laut Statistischem Bundesamt die Materialkosten im Produzierenden Gewerbe mit rund 45 Prozent den mit Abstand größten Kostenblock dar. Für Unternehmen gilt es daher, sich nach neuen, materialsparenden Lösungen umzuschauen, um so wettbewerbs- und konkurrenzfähig zu bleiben. Dass dies gelingt, beweisen vier kleine und mittlere Unternehmen sowie eine Forschungseinrichtung, die im November mit dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie vergebenen Deutschen Materialeffizienz-Preis 2010 ausgezeichnet wurden.

Ob Medizintechnik, Baugewerbe, Metallindustrie oder Trenntechnik:
Die Sieger entstammen Branchen, die wenig miteinander verbindet. Dementsprechend haben sie die unterschiedlichsten Lösungen entwickelt, was zeigt: Materialeffizienz ist ein Thema, das vermutlich jede Branche betrifft und das sich für beinahe jedes Unternehmen – unabhängig von seiner Größe – bezahlt macht. Das wissen bislang aber die Wenigsten. Nicht verwunderlich also, dass sich der Blick zunächst auf das Personal richtet, wenn es darum geht, an der Kostenschraube zu drehen.

Wie erfolgreich Materialeffizienz funktionieren kann, zeigt die OPED GmbH, einer der Sieger des diesjährigen Materialeffizienz-Preises. Die Firma aus dem bayerischen Valley stellt Orthesen her. Dabei handelt es sich um orthopädische Schienen, die zum Beispiel nach Sportverletzungen nur eingeschränkt funktionsfähige Körperteile unterstützen – und zwar bis zur Heilung.

Danach sind sie meistens nicht mehr zu gebrauchen – gut für den Patienten, aber gleichzeitig wenig materialeffizient. OPED gestaltet daher seine Produkte so, dass sie nach einer Aufarbeitung hygienisch einwandfrei wiederverwendet werden können. Das Unternehmen spart dadurch 10 Tonnen Material im Jahr und beschäftigt zwei zusätzliche Mitarbeiter – hat also sogar an Personal aufgestockt.

Neben der Praxis werden auch entscheidende Impulse aus der Wissenschaft für eine Verbesserung der Materialeffizienz gegeben. In diesem Jahr wurde das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit einem Materialeffizienz-Preis vom Bundeswirtschaftsministerium ausgezeichnet, weil es einen materialeffizienten und klimafreundlichen Zementersatz entwickelt hat. Bei der Zementherstellung handelt es sich gewöhnlich um einen energie- und rohstoffintensiven Prozess. Jährlich werden in Zementwerken enorme Mengen an Kalkstein und Gips für die Zementherstellung eingesetzt.

Die Lösung der Wissenschaftler: Sie haben ein zementäres Bindemittel entwickelt, das kein Gramm Gips und nur etwa ein Drittel des für herkömmlichen Zement verbrauchten Kalksteins enthält. In seinen Eigenschaften ist es mit dem traditionellen Zement vergleichbar. Ein weiterer positiver Effekt des Zementersatzes besteht im reduzierten Energieverbrauch bei der Herstellung. Statt 1.450 Grad Celsius werden nur noch 300 Grad Celsius notwendig. „Wären – in die Zukunft gedacht – alle Zementwerke weltweit auf unserer Verfahren umgestellt, würde jährlich eine halbe Milliarde Tonne weniger Kohlendioxid in die Atmosphäre entweichen – mit enormen Effekten für den Klimaschutz“, so die Vision von Dr. Peter Stemmermann vom Institut für Technische Chemie des KIT.

Mit einem ähnlich schwerwiegenden Problem aus der Baubranche hat sich ein weiterer Materialeffizienz-Preisträger beschäftigt. Die Cobiax Technologies GmbH aus Darmstadt entwickelt Bauteile, die Stahlbetondecken um bis zu 35 Prozent leichter machen. Maßgeblich dafür verantwortlich sind spezielle kugelförmige Hohlkörper aus Kunststoff, die neben der Gewichtsreduktion weniger Erdaushub nötig machen und dabei gleichzeitig für Raumgewinn sorgen. Und nicht nur

das: Allein im Jahr 2010 werden durch den Einsatz der Hohlkörper voraussichtlich mehr als 17.000 Tonnen Beton und 370 Tonnen Bewehrungsstahl eingespart.

Und auch die beiden weiteren Preisträger des Materialeffizienz-Preises sind ein Beispiel dafür, welche vielfältigen Potentiale in materialeffizienten Technologien und Prozessen schlummern: So hat die PTZ Weidner aus Meßkirch eine Trenntechnik entwickelt, die bei Fertigungsverfahren, beispielsweise für Dichtungen und Lager, 60 Prozent Material einspart und zudem die Bearbeitungszeit um gut vier Stunden verkürzt. Und der Firma Drahtzug Stein combicore aus Altleiningen ist es gelungen, Kanäle ohne nachträgliches Bohren in eine bestimmte Form und Länge zu bringen.

Dabei wird in ein Metallrohr ein bestimmtes Füllmaterial, etwa Kochsalz, gegeben. Während das Rohr im Gussteil verbleibt, wird der Formstoff nach dem Gießprozess mühelos und ohne Rückstände wieder entfernt. Das spart enorme Mengen an Material.

Die Beispiele zeigen, dass sich ein effizienterer Umgang mit Material und Rohstoffen in vielen Punkten auszahlt – Unternehmen sparen Kosten, gewinnen Zeit und schonen die Umwelt. Wenig Material, große Wirkung, lautet also die Devise.

Media Contact

Yvonne Langer presseportal

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