Frühzeitige Diagnose: Marburger messen Atemantwort

„MATAM“ – die Marburger Atemantwortmessung – ist ein Verfahren, mit dem die Funktionsfähigkeit des „Regelkreises Atmung“ überprüft wird. Es wird damit untersucht, ob und wie die Rezeptoren (Messfühler) in den Blutgefäßen und im Atemzentrum des Gehirns auf künstliche Veränderungen der Blutgase ansprechen.

Bei normaler Regulation kommt es bei einem Anstieg des Kohlendioxids zu einer Erhöhung des Atemzugvolumens und der Atemfrequenz. Bei Patienten mit chronischer Lungenerkrankung oder schlafbezogenen Atmungsstörungen ist die Atemantwort mitunter deutlich eingeschränkt. Sie kann jedoch durch spezielle Therapieverfahren wieder verbessert oder sogar normalisiert werden. Ein funktionsfähiger Regelkreis ist für die Atmung der Lebewesen von elementarer Bedeutung.

2. Platz beim Hessischen Kooperationspreis: v.l.n.r. 1. Reihe: Dr. Andreas Weißflog (TransMIT und timm), Lothar Leiche (IfM GmbH), Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke, Prof. Dr. Ulrich Koehler (Philipps Universität Marburg, SMZ), Prof. Dr. Volker Groß (FH-Gießen-Friedberg); 2. Reihe: Johannes Nolte (Uniklinikum Gießen-Marburg GmbH), Dr. Keywan Ali Sohrabi (ThoraTech GmbH), Axel Fischer (Activaero GmbH) „Letztendlich können wir auf den Messergebnissen aufbauend neue Diagnostik- und Therapiestrategien entwickeln. Es wird auch möglich sein, Risikopatienten zu erkennen, die durch Nebeneffekte von Medikamenten, speziell die der Atemdepression, gefährdet sind“, sagt Prof. Dr. Koehler, Leiter des SMZ und des TransMit Zentrums für Bioakustik und Atemphysiologie. „Mit MATAM steht erstmalig ein automatisiertes und standardisiertes diagnostisches Verfahren zur Verfügung, das eine routinemäßige Anwendung in Klinik und Praxis erlaubt“, erläutert Prof. Dr. Volker Groß, der bei der Entwicklung des Gerätes noch an der Universität Marburg forschte und jetzt an der FH Gießen-Friedberg tätig ist. „Das Schnellverfahren ersetzt die bisherigen aufwändigen Untersuchungen im Schlaflabor. Wir können Risikopatienten frühzeitig identifizieren und untersuchen, wie effektiv beispielsweise eine Beatmungstherapie ist“, so Groß weiter.
Das Schlafmedizinische Zentrum in Marburg ist seit fast 30 Jahren als „Wiege der deutschen Schlafmedizin“ national und international bekannt. Hier wurde die Schlafapnoe „entdeckt“ und aktiv beforscht. Der so genannte „Marburger Koffer“, den die Marburger Wissenschafter um Prof. Jörg Hermann Peter und Prof. Karl Mainzer 1982 entwickelten, war weltweit das erste Gerät, mit dem ambulant im Schlaf kontinuierlich Atmung, Sauerstoff und Herzschlagrate gemessen werden konnten. Auch heute noch ist es das Ziel der Arbeitsgruppe, Verfahren für eine verbesserte Diagnostik und Therapie von Lungen- und Atemwegserkrankungen zu entwickeln – mit MATAM ist dies in enger Zusammenarbeit mit dem mittelständischen Ingenieurbüro für Medizintechnik IfM erneut gelungen.

Warum ein regionales Unternehmen mit 40 Mitarbeitern und nicht ein großes Industrieunternehmen? „Die Großindustrie ist zu zögerlich und zu wenig risikobereit. Sie ist in der Entwicklung zu weit weg von den Belangen der Klinik. Eine mittelständische Firma aus der Region ist bei diesen Fragen einfach nicht nur regional näher, sondern auch flexibler“, erläutert Koehler. Mit der IfM fand er den richtigen Partner: das Ingenieurbüro betreut seit 1985 ca. 7000 Patienten in Hessen und gehört zu den führenden Anbietern von mobilen Atemunterstützungs- und Beatmungssystemen. „Wir sind ein typisches mittelhessisches Unternehmen mit der Kernkompetenz auf Atmung und Lunge. Die Nähe zu den Unikliniken Marburg und Giessen sowie zur FH Gießen-Friedberg ist für uns Gold wert“, so Geschäftsführer Lothar Leiche, der eine Vision von einem Gesundheitspark mit einer Ansiedlung von Medizintechnik-Firmen im mittelhessischen Wettenberg hat. Für sein Unternehmen eröffnen sich mit MATAM innovative Märkte – und für Wettenberg neue Arbeitsplätze.

Mit der neuen Atemantwortmessung neue Diagnose- und Therapieverfahren; Quelle: SMZ Initiator des Projekts war das Netzwerk Technologie & Innovation Medizinregion Mittelhessen timm. Hierüber kam auch die Kooperation mit den übrigen Partnern zustande. Clustermanager Dr. Andreas Weißflog hielt alle Fäden in der Hand und führte das Gesamtprojekt zusammen. „Die Medizintechnik ist in Mittelhessen ein wichtiger Wirtschaftszweig. Mit timm besitzt die Region eine Brücke zwischen medizinischer Forschung und Medizintechnik. Die kurzen Verbindungen in der Region erweisen sich als eindeutiger Vorteil“, so Weißflog.

Dass die Zusammenarbeit der Partner keine Eintagsfliege bleibt, dafür sorgen bereits mehrere Nachfolgeprojekte, für die auch bereits Patente angemeldet wurden. „Der gemeinsame Erfolg mit MATAM ist für uns Türöffner für ganz neue Forschungsprojekte geworden“, so Koehler, „die enge Verbindung und Kooperation von Medizinern, Naturwissenschaftlern, Technikern und der mittelständischen Industrie ist nahezu ein Garant für eine schnelle und erfolgreiche Umsetzung von Ideen.“

Weitere Informationen:

Unternehmenspartner: Ingenieurbüro für Medizintechnik GmbH (IfM GmbH) (Konsortialführer), Activaero GmbH, TransMit-Zentrum für Bioakustik und Atemphysiologie
Wissenschaftlicher Partner: Philipps Universität Marburg (Konsortialführer) Schlafmedizinisches Zentrum; Uniklinikum Gießen und Marburg (SMZ), Fachhochschule Gießen-Friedberg

Koordination: Technologie & Innovation Medizinregion Mittelhessen (timm), www.timm-mittelhessen.de

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Dr. Viola Düwert idw

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